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Kami Rita Sherpa, 48, hat seinen 22. Aufstieg zum Mount Everest begonnen.

© REUTERS

Himalaya: Sherpa Kami Rita steht vor einem Rekord am Mount Everest

Der 22. Aufstieg zum höchsten Berg der Welt: Der nepalesische Sherpa Kami Rita will im Mai eine Bestmarke am Mount Everest schaffen.

Für die meisten ist der Gipfel unerreichbar. Vielen ist er ein Lebenstraum, für dessen Erfüllung sie teures Geld zahlen und ihr Leben riskieren. Für Kami Rita Sherpa ist der Mount Everest der Hausberg, im Mai will er ihn zum 22. Mal besteigen. So oft wie der 48-Jährige stand noch kein Mensch auf dem höchsten Berg der Erde.

Große Emotionen empfinde er dabei nicht, sagt Kami Rita. Es sei sein Job, den Everest im Dienst von zahlenden Kunden zu besteigen, die auf erfahrene Hilfe angewiesen sind. „Egal wie oft ich klettere, ich bin weder sehr glücklich noch aufgeregt“, erklärte Kami Rita Sherpa Ende März in Kathmandu den Journalisten. Im nächsten Monat öffnet sich das alljährliche Wetterfenster für Everest-Besteigungen. Die Temperaturen steigen, der Wind weht nicht mehr so heftig.

Sein Ehrgeiz gelte nicht dem Rekord, beteuerte Kami Rita. „Ich habe nicht mit dem Bergsteigen angefangen, um einen Weltrekord aufzustellen.“ Er begann zu klettern, weil er Arbeit brauchte. „Das wird mein 22. Aufstieg, weil ich in der Tourindustrie arbeite“, sagte er nüchtern. „Es geht mir nicht um den Wettbewerb.“

Der Berg lockt Unerfahrene

Als der heute 48-Jährige 1994 zum ersten Mal auf dem Everest stand, hatten zuvor erst 49 Bergsteiger den Gipfel erreicht. Inzwischen sind es seit der Erstbesteigung 1953 rund 4000 Menschen, die den Everest bezwangen. Mehr als 290 Bergsteiger kamen bei dem Versuch ums Leben.

Am Sonntag ist der Sherpa von Kathmandu in Richtung Everest Basislager aufgebrochen. Dort wird er voraussichtlich in zwei Wochen mit einer Gruppe von 29 Bergsteigern aus aller Welt den Aufstieg beginnen. Die Gipfelstürmer müssen fast zwei Monate im Basislager verbringen, um sich an die Höhenlage zu gewöhnen, bevor sie Ende Mai den Everest in Angriff nehmen.

Der höchste Berg lockt auch viele Unerfahrene an. Im vergangenen Jahr gab es einen anderen Rekord: die höchste Zahl von Bergrettungen. Weder die nepalesische noch die chinesische Seite haben bislang bekannt gegeben, wie viele Gipfelbesteigungen sie in diesem Jahr genehmigt haben. Doch in dieser Saison wird der 65. Jahrestag der Erstbesteigung von Edmund Hillary und Tenzing Norgay begangen und am Berg wird es mindestens genauso betriebsam zugehen, wie im vergangenen Jahr, als es 634 Menschen zum Gipfel schafften – trotz der Staus an den Schlüsselstellen.

Kami hat in all den Jahren als Sherpa einen guten Ruf für solide Arbeit und Verlässlichkeit erworben, was auf dem Everest Leben retten kann. Bergsteiger sind in der Regel auf die Hilfe von Sherpas angewiesen. Diese werden dafür bezahlt, die Route vorzubereiten, Seile zu befestigen und das nötige Kletterzubehör wie Sauerstoff und Notmaterial zu tragen.

Suche nach billigen Angeboten

Einige ausländische Anbieter und Bergsteiger suchen nach billigen Angeboten, was bedeutet, dass sie minderwertige, billige Sherpas bekommen. „Wer einen hohen Preis zahlt, erhält auch Qualitätssherpas“, ist Kami überzeugt. Die billigsten Anbieter verlangen rund 20000 Dollar für die Besteigung, die teuersten nehmen das Vierfache. Die Unterschiede führen zu Spannungen am Berg. Die meist ausländischen, teuren Anbieter werfen den größtenteils nepalesisch geführten Billiganbietern vor, an der Sicherheit zu sparen, um die Kosten niedrig zu halten und gleichzeitig Kunden zu akzeptieren, denen es an Erfahrung im Hochgebirgsklettern mangelt.

Gute Sherpas sind gefragt. „Früher mussten wir an die Türen der Firmen klopfen, um Arbeit zu finden“, erzählte Kami. Jetzt haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Die Sherpas suchen sich die Firmen aus, mit denen sie arbeiten möchten. Kami profitiert inzwischen beträchtlich von der lukrativen Bergsportindustrie, die sich aus dem Everest-Kletterboom in den vergangenen zwei Jahrzehnten in China und Nepal entwickelt hat. Allein Nepal nahm im vergangenen Jahr vier Millionen US-Dollar (rund 3,3 Millionen Euro) an Gebühren für die Genehmigungen ein. Es sind lebenswichtige Einnahmen für die Staatskasse des armen Landes.

Kami arbeitet für Alpine Ascents, einen amerikanischen Anbieter von Kletterreisen. Der verlangt für die Everest-Besteigung 65000 Dollar. Den aktuellen Rekord von 21 erfolgreichen Besteigungen hält er zusammen mit zwei nepalesischen Sherpas, die jedoch nicht mehr arbeiten. „Wenn alles nach Plan läuft, werde ich am 29. Mai auf dem Gipfel stehen“, hofft er. Auch wenn ihm der Rekord gelinge, wolle er den Everest weiter besteigen. Sein Ziel sei es, den Gipfel 25 Mal zu erreichen: „Ich will Geschichte schreiben“, erklärt der Sherpa selbstbewusst.

Daniel Kestenholz

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