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Reh und Autofahrer in Gefahr: Wildunfälle in Deutschland waren im vergangenen Jahr mit 275.000 Fällen und 13 Toten so hoch wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr.

© Patrick Pleul/dpa

Gefahr im Straßenverkehr: Eine unsichtbare Mauer soll Wildunfälle verhindern

Ein österreichischer Student hat ein Gerät entwickelt, das Rehe und andere Tiere vor Autos warnen soll. Sachsen-Anhalt startet jetzt ein Pilotprojekt.

Normalerweise sind wir in Österreich ja immer ein paar Jahre hinterher, aber jetzt sind wir einmal vor Deutschland“, sagt Hubert Pfandlbauer. Das ist sein Verdienst. Der 24-Jährige hat ein technisches System entwickelt, das Wildunfälle verhindern soll. So will er Rehe, Dachse und andere Waldbewohner daran hindern, vor ein fahrendes Auto zu laufen.

Seine Erfindung wird seit Anfang Oktober in Deutschland getestet. Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt probiert das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr die sogenannten „Wildwarner“ des Österreichers aus. Damit reagiert die Landesregierung auf die steigende Zahl der Wildunfälle in Deutschland, die 2017 mit 275.000 Fällen und 13 Toten so hoch war wie noch nie seit Anfang der 90er Jahre.

Brandenburg zählt bei Wildunfällen bundesweit zur Spitze. Fast jeder zweite Unfall außerhalb von Ortschaften nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums war ein Wildunfall. Im vergangenen Jahr waren 17.092 Fahrzeuge in Unfälle mit Wildtieren verwickelt. Gerade der Herbst ist die Jahreszeit für Wildunfälle.

Pfandlbauers Gerät verbindet optische und akustische Signale

In Sachsen-Anhalt sind Zusammenstöße zwischen Fahrzeug und Tier mittlerweile die häufigste Unfallursache. Die Gründe für den Anstieg sind umstritten. Experten nennen die wachsende Population der Tiere, ein höheres Verkehrsaufkommen und den Straßenausbau durch Waldgebiete als Ursachen.

Vielleicht kann Pfandlbauer die hohen Unfallzahlen verringern. Sein „Wildwarngerät day & night“ erkennt Motor- und Reifengeräusche. Es wird in Kunststoff-Pfosten installiert, die im Abstand von etwa 40 Metern an beiden Straßenrändern stehen. Wenn sich ein Auto nähert, sendet der „Wildwarner“ helle LED-Signale und einen metallischen Ton nach links und rechts von der Straße. Im selben Moment informiert das Gerät die weiteren entlang der Straße, um eine Vorwarnzeit sicherzustellen: Es bildet sich eine Art unsichtbare Schutzmauer. Denn sobald ein Tier den Piepton hört, verharrt es instinktiv für etwa 30 Sekunden. Die Blinklichter dienen als zusätzliche Abschreckung. Sobald das Tier sich wieder bewegt, ist das Auto schon längst vorbeigefahren.

Hubert Pfandlbauer präsentiert in Sachsen-Anhalt seine "Wildwarner".
Hubert Pfandlbauer präsentiert in Sachsen-Anhalt seine "Wildwarner".

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Experten sind jedoch skeptisch, ob die Methode wirkt. Erste Erkenntnisse deuteten an, dass akustische Warner nur kurzzeitig oder gar nicht funktionierten, sagt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann der dpa. Zwar sei das Wild von den Pieptönen anfangs irritiert und frage sich, ob das gefährlich sei. „Wenn es aber eine Weile feststellt, dass von dem Piepen keine Gefahr ausgeht, blendet es das aus.“ Es könne jedoch nicht schaden, solche neuen Methoden auszuprobieren. Noch gebe es keine umfassenden wissenschaftlichen Untersuchungen dazu.

Pfandlbauer hat auch die genannte Kritik beachtet: Die „Wildwarner“ sind sehr empfindlich und verändern das Geräusch abhängig von der Temperatur. Kleine Solarzellen sorgen für ausreichend Energie. „Das Gerät ist aktuell das einzige in Europa, das Tag und Nacht das Wild warnen kann“, sagt Pfandlbauer.

Der "Wildwarner" war anfangs ein Schulprojekt

Daran hat er lange gearbeitet. Vor fünf Jahren reichte er einen Prototyp als Abschlussprojekt an der Berufsschule ein und entwickelte diesen zusammen mit seinem Vater Heinz Pfandlbauer weiter. Der beschäftigt sich beruflich auch mit Maßnahmen, die Wildunfälle vermeiden könnten, und hat das Interesse weitergegeben. „Wildwarner wurden mir in die Wiege gelegt“, sagt Sohn Hubert Pfandlbauer. Außerdem ist er leidenschaftlicher Jäger und hat im Wald das veränderte Verhalten der Tiere beobachtet. „Überall stören Jogger und Mountain-Biker die Tiere, Rehe haben keine Ruhezone mehr und werden aufgeschreckt. Deshalb laufen sie auch am Tag über die Straßen", erklärt Hubert Pfandlbauer, der in Salzburg studiert, „dagegen wollte ich etwas unternehmen.“

In Österreich vertrauen die Behörden bereits auf Pfandlbauers System. Die Ergebnisse dort seien vielversprechend, sagte Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) der dpa. Auf Straßen in Österreich, wo die Geräte bereits im Einsatz sind, sei die Anzahl der Wildunfälle um mehr als 90 Prozent zurückgegangen. Minister Webel hat beschlossen, die Geräte für drei Jahre an vier besonders gefährlichen Straßen in seinem Bundesland zu testen. Die Kosten für das Pilotprojekt betragen etwa 60.000 Euro, auch der ADAC beteiligt sich.

Pfandlbauers Ziel: "Weltweit am Markt sein."

Wenn es nach Pfandlbauer geht, ist das erst der Anfang. Noch arbeitet er gemeinsam mit seinem Vater von zu Hause aus dem Dorf Schalchen in Oberösterreich. Dort wohnen 3.877 Menschen. Sein Ziel ist, „weltweit am Markt“ zu sein. „Wenn das klappt, müssten wir uns was überlegen“, sagt Pfandlbauer. Nach Gesprächen mit den Behörden in Tschechien und Ungarn will er die Warngeräte als nächstes in Rumänien vorstellen. „Da gibt es zwar Wild ohne Ende, aber nicht so viele Straßen durch die Wälder“, meint er, „vielleicht werden meine Wildwarner nicht gebraucht“. Wenn es dort nicht klappt mit den Geschäften, will er immerhin auf Wildschweinjagd gehen.

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