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Fleisch in der Petrischale wird im Labor des israelischen Unternehmens „Aleph Farms“ entwickelt.

© Aleph Farms

Forschung in Israel: Bald kommt das Steak aus dem Labor

Israelische Forscher arbeiten daran, Fleisch zu züchten. Es soll umwelt- und tierfreundlich sein – und täuschend echt wirken und schmecken.

Im Labor von Didier Toubia stehen zwei weiße Kühe, die weder Fell, noch Kopf oder Organe haben, aber einen wohlig warmen Bauch, in dem es angenehme 38 Grad hat. „Das sind unsere Inkubatoren, in denen wir die Zellen vermehren“, erklärt Toubia, ein Mann im Laborkittel, mit runder Brille und Kippa. Er zeigt auf die Kästen, die aussehen wie Kühlschränke. „Jeder Inkubator stellt im Grunde eine Kuh dar, in der die Zellen wachsen.“

Das hier ist das Labor des Start-ups „Aleph Farms“ in Ness Ziona, rund 20 Kilometer südöstlich von Tel Aviv. Klein ist es und hat nicht mehr als 20 Quadratmeter. Doch Didier Toubia, ein Israeli mit französischen Wurzeln, plant darin nichts Geringeres als eine Revolution: Er will echtes Rindfleisch künstlich züchten, zuerst im Labor, später in einer Art Biofarm ohne Tiere, dafür mit hunderten Kesseln, in denen die Zellen zu Fleisch werden. Nicht irgendein wabbeliges Hack aus Muskelgewebe und Fett soll herauskommen, sondern ein richtiges Steak, das auch aus Bindegewebe und Blutgefäßen besteht und so aussieht, als käme es von einem geschlachteten Rind – nur ohne Antibiotika und ohne Hormonbehandlung, dafür tier- und umweltfreundlich.

Die Zellen sollen dreidimensional wachsen

Didier Toubia ist Geschäftsführer des Start-ups „Aleph Farms“, ein Projekt des Instituts für Technologie (Technion) und „The Kitchen“, ein Foodtech-Inkubator, der zum israelischen Lebensmittelhersteller „Strauss“ gehört. Drei Forscherinnen arbeiten derzeit daran, das Wachstum der Zellen zu beschleunigen. Und mehr als 100 Kilometer nördlich von hier, am Techion in Haifa, ist ein dreiköpfiges Team damit beschäftigt, die Zellen dreidimensional wachsen zu lassen – bestehend aus Muskelfasern, Fett, Blutgefäßen und Bindegewebe. „Unseres Wissen sind wir die Ersten, die das mittlerweile geschafft haben: ein Stück Fleisch produzieren, das dieselbe DNA und denselben Nährwert hat wie das Fleisch eines geschlachteten Tieres“, erklärt Toubia.

Auch "Wiesenhof" ist mit von der Partie

„Aleph Farms“ ist nicht das einzige Start-up dieser Art in Israel: Mindestens zwei weitere wollen „clean meat“, wie das im Labor kultivierte Fleisch auch genannt wird, in den kommenden Jahren auf den Markt bringen: „Supermeat“ beispielsweise hat sich auf Hühnerfleisch spezialisiert – und sich bereits die finanzielle Unterstützung des deutschen Geflügelfleisch-Unternehmens PHW gesichert, zu dem auch „Wiesenhof“ gehört.

Israel ist damit einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Erforschung und Entwicklung von Laborfleisch, zusammen mit den USA und Holland, wo Mark Post von der Uni Maastricht vor einigen Jahren als Erster Fleisch im Labor entwickelte. Das könnte zum einen daran liegen, dass Israel generell die meisten Start-ups pro Einwohner weltweit hat und nicht umsonst „Start-up-Nation“ genannt wird: Es wird viel getüftelt und entwickelt, Israelis scheuen sich nicht vor dem Scheitern und trauen sich daher eher, ein Unternehmen zu gründen.

Fünf Prozent der Israelis leben vegan

Zum anderen ist das Land ganz vorn mit dabei, wenn es ums fleischlose Essen geht: Rund fünf Prozent leben vegan – das sind so viel wie nirgends sonst auf der Welt – acht bis zehn Prozent leben immerhin vegetarisch. Vor allem in Tel Aviv ist das nicht zu übersehen: Es gibt mittlerweile einige komplett vegane Restaurants und Cafés, andere bieten zumindest zusätzlich vegane Alternativen an, sie tragen oft schon an der Eingangstür einen grün- und pinkfarbenen Sticker mit der Aufschrift „Vegan Friendly“: Die gleichnamige israelische Organisation will es Veganern leichter machen, sich zurechtzufinden. Auch Produkte im Supermarkt haben mittlerweile einen dieser Aufkleber.

Gleichzeitig aber – und das macht den israelischen Markt für Laborfleisch-Start- ups spannend – ist das Land auch beim Fleischverzehr weltweit ganz vorne mit dabei: Beim Hühnchenverzehr sind Israelis Spitzenreiter, zählt man alle Fleischarten zusammen, liegen sie auf Platz vier.

Die Vernichtung von Regenwäldern erübrigt sich

Sollte clean meat zu einer ernsthaften Alternative werden, hätte das auch positive Auswirkungen auf die Umwelt: Bei der Herstellung von Laborfleisch, so versprechen die Entwickler, soll weniger Platz, Wasser und Energie verbraucht werden, auch der Ausstoß von Treibhausgasen soll geringer sein. „Für die Herstellung von einem Kilogramm Rinderfleisch werden 10000 Liter Wasser benötigt. Und für den Anbau von Tierfutter und die Unterbringung der Tiere werden im Sekundentakt Regenwälder vernichtet“, erklärt Joel Cohen, Sprecher von „The Modern Agriculture Foundation“.

Am Ende wird es keine Schlachtabfälle geben

Didier Toubia von „Aleph Farms“ ist jedenfalls überzeugt, dass seine Fleischproduktion in Biofarmen ohne Tiere effizienter sein wird: „Es wird drei bis vier Wochen dauern, ein Steak herzustellen, während es heute mit lebenden Tieren zwei Jahre dauert, um das Kalb zu füttern, es zu einem Rind heranwachsen zu lassen, bis es schlachtreif ist. Und am Ende wird nur ein Drittel des Tieres genutzt, der Rest sind Knochen und innere Organe, die nicht konsumiert werden. Bei uns wird es keinen Abfall geben.“

In zwei bis drei Jahren soll daraus ein Produkt werden, das zunächst in ausgewählten Restaurants, später auch in den Supermarktregalen zu finden sein wird. Ob die Verbraucher es annehmen? „Ja“, lautet Toubias optimistische Antwort. Schließlich belegten Umfragen, dass zwei Drittel der Befragten für Laborfleisch bereit sind.

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