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Alles ruhig? Airlines ärgern sich über randalierende Passagiere

© AFP

Flugpassagiere: Querulanten der Lüfte

Randalierer, die in Flugzeugen durchdrehen, werden zu einem immer größeren Problem für die Fluggesellschaften. Die reagieren nun: Für "Unruly Passengers" kann Renitenz sehr teuer werden. Und äußerst schmerzhaft.

Es ist ein Albtraum für Flugpassagiere: Randalierer, die plötzlich durchdrehen. Anfang des Jahres erregte ein Foto Aufsehen, das einen mit Plastikkordel und Klebeband gefesselten Flugzeugpassagier zeigt. Mitreisende hatten den Betrunkenen an Bord eines Icelandair-Fluges von Keflavik nach New York auf drastische Weise „beruhigt“, nachdem er andere Fluggäste beschimpft, geschlagen und bespuckt hatte. Weil sich solche Fälle häufen, hat der Luftverkehrs-Weltverband IATA jetzt eine „gelbe Karte“ entwickelt, die Flugbegleiter solchen Kunden als letzte Warnung überreichen können. Die „Unruly Passengers“ (aufsässigen Passagiere), wie sie im Fachjargon genannt werden, sind ein weltweit zunehmendes Problem. In der von der IATA seit 2007 geführten Statistik stieg die Zahl der gemeldeten Fälle von ein paar hundert auf mehr als 6000 im Jahr 2011. Damit kommt ein Zwischenfall auf 1200 Flüge, sagt Sprecher Tim Colehan. Randalierer an Bord schaden nicht nur dem Renommee der betroffenen Fluggesellschaft, sondern bilden auch eine ernste Gefahr für die Flugsicherheit.

Oft schaukeln sich Situationen hoch

Oft ist die Ausgangssituation harmlos und schaukelt sich dann hoch, wenn ein Passagier beispielsweise nicht einsehen will, dass er sein Handy ausschalten muss, sagt Colehan. Und immer wieder spielt Alkohol eine Rolle. Berüchtigt sind hier ganz besonders britische und russische Fußballfans. Vor wenigen Wochen musste eine Maschine von Easyjet auf dem Flug von Moskau nach Manchester in Kopenhagen zwischenlanden, wo sechs randalierende Fans des ZSKA Moskau der Polizei übergeben wurden.

An Bord eines Swiss-Fluges von Zürich nach Peking rastete vier Stunden nach dem Start ein Chinese aus, weil ein vor ihm sitzender Landsmann während des Essens die Sitzlehne nach hinten verstellt hatte. Es kam zu einer Prügelei der beiden Männer, dann wurde auch noch ein einschreitender Flugbegleiter attackiert. Der Täter wurde mithilfe eines kräftigen Passagiers mit Kabelbinder gefesselt und in die letzte Sitzreihe verfrachtet. Der Flugkapitän entschloss sich zur Rückkehr nach Zürich und übergab den Mann der Polizei.

Ganz teuer wird es kurz nach dem Start

Für den Randalierer kann das teuer werden. Neben der Strafe wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr muss er damit rechnen, dass auch die Airlines die ihnen entstanden Kosten einfordern. Die können von 10 000 bis zu 200 000 US-Dollar reichen, wenn beispielsweise ein kurz nach dem Start noch zu schwerer Langstreckenjet vor den Landung erst noch einen Teil des sündhaft teuren Kerosins ablassen muss. Eine 54-jährige Neuseeländerin wurde im vergangenen Jahr von einem australischen Gericht zu 3500 australischen Dollar Strafe, vier Monaten Haft auf Bewährung und 18 000 Dollar Schadenersatz für die Rückkehr des Fluges nach Melbourne verurteilt. Sie hatte an Bord betrunken randaliert und einem Passagier, der sie beruhigen wollte, mit einem Fausthieb eine stark blutende Gesichtswunde zugefügt.

Gefesselt und geknebelt. Passagier auf dem Flug von Keflavik nach New York. Der Fotograf der Szene ist unbekannt.
Gefesselt und geknebelt. Passagier auf dem Flug von Keflavik nach New York. Der Fotograf der Szene ist unbekannt.

© Quelle

Doch oftmals bleiben „Unruly Passengers“ auch unbestraft, Luftverkehrsgesellschaften auf ihren Kosten sitzen. So wie im vergangenen Juni eine Frau auf einem internationalen Flug zu einem Ziel in Asien, wie Tim Colehan berichtet. Sie hatte Flugbegleiter geschlagen, getreten und mit Getränken beworfen sowie andere Fluggäste beschimpft. Sie wurde für die restlichen Stunden gefesselt und am Zielort der Polizei übergeben. Die geleitete die aggressive Frau durch die Passkontrolle und ließ sie anschließend wieder frei. Bei der Gepäckausgabe stand sie schon wieder neben den staunenden Mitreisenden und Crew-Mitgliedern.

Die Gesetzgebung hinkt hinter der Entwicklung her

Grund ist eine Lücke in der für den Luftverkehr relevanten internationalen Gesetzgebung, erläutert Colehan. Denn Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Randalierern an Bord und deren Strafverfolgung in Drittstaaten ist die bereits aus dem Jahr 1963 stammende Konvention von Tokio. Sie sieht vor, dass jeder der 185 Unterzeichnerstaaten dem Land, in dem ein betroffenes Flugzeug zugelassen ist, Rechtshilfe gewährt. Damals gehörten die Flugzeuge auch noch durchweg den Airlines. Heute sind bereits vier von zehn der Maschinen geleast und häufig in einem anderen Land zugelassen als die Betreibergesellschaft. Macht beispielsweise ein in Irland zugelassenes Flugzeug einer deutschen Luftverkehrsgesellschaft eine unplanmäßige Landung in einem anderen Land, um einen Randalierer abzusetzen, betrachten viele Staaten das Rechtshilfeersuchen der Airline als unzulässig. Aus diesem Grund hat die IATA jetzt bei der Zivilluftfahrtorganisation der Vereinten Nationen eine Revision der Konvention beantragt, die den Staaten der betreibenden Luftverkehrsgesellschaft gleiche Rechte zugesteht. Im März 2014 soll darüber eine internationale Diplomatenkonferenz entscheiden.

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