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Laudatio vom Schwein. Miss Piggy erhielt in New York den ersten Preis ihres Muppets-Lebens.

©  Christina Horsten/dpa

Feminismus-Preis an Miss Piggy: Frauenrechte im Weltall

Das Sackler Center in Brooklyn hat Miss Piggy als Feministin geehrt. Ein Festakt der Ironie.

Eine Schönheit ist sie nicht, aber Miss Piggy hat sich immer für eine solche gehalten. Und wer es wagte, es ihr abzusprechen, bekam einen übergebraten. Meistens traf es irgendwelche Puppen, die weniger stark gepolstert waren als sie selbst, nicht selten Kermit, ihren Mann, den Frosch, der eigentlich nur ein Strumpf mit Knopfaugen ist, schon genug geschlagen damit, den anarchistischen Radau der Muppet-Show zusammenzuhalten, wo jeder von seinem eigenen Ruhm träumte, ohne auch nur einen Funken Talent zu besitzen. Miss Piggy verkörperte zwischen diesen Chaoten die bürgerliche Superweib-Blondine, die man nur einfach nicht mehr loswurde.

Heute wird ihre robuste Durchsetzungsfähigkeit allgemein ihrer „Schlagfertigkeit“ zugeschrieben. Für die hat Miss Piggy gestern den First Award des Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art erhalten. Und wenn es noch eines Beweises bedurfte, wie weit sich das Imperium der Ironie ausgedehnt hat, dann ist er jetzt mit der Ehrung einer Stoffpuppe erbracht worden. Seit 2007 zeichnet das Sackler Center Frauen aus, die, wie es heißt „first in their fields“ waren. Darunter die Nobelpreisträgerin Toni Morrison, die Broadway-Regisseurin Julie Taymor, die für „König der Löwen“ als erste Frau einen Tony-Award erhielt, die Opernsängerin Jessye Norman sowie Sandra Day O’Connor, erste Richterin am Supreme Court.

Nun ja, Miss Piggy war in der Tat das „erste Schwein im Weltall“. Ist das ein Frauenrecht?

Das ans Brooklyn Museum angegliederte Sackler Center begründete seine Ehrung im Vorfeld damit, dass es sich bei Miss Piggy um ein „Symbol“ handele. Denn sie verfüge über alle Qualitäten, „die eine Frau braucht, um in der Welt, wie sie ist, zu bestehen, und sie schenkt uns ein Lächeln dazu“. Den Moment der Ehrung genießt die Diva mit zurückgehaltener Erwartung. Preisstifterin Elizabeth Sackler hofiert Miss Piggy mit der  Feststellung, dass sie noch nie einen Preis erhalten habe. „Das ist Diskriminierung!“

Damit dürfte der seriöse Uptown-Feminismus, wie er von Elizabeth Sackler, einer kultivierten Dame der New Yorker Kunstsammler-Society, verkörpert wird, ins Stadium der Götzenanbetung übergegangen sein. Oder wie nennt man das, wenn der Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit verwischt wird in einem kollektiven Akt wohlwollenden Selbstbetrugs?

Miss Piggy ist eine Handpuppe. Sie verkörperte von jeher von allem zu viel. Sie ist drall, zu vorlaut, zu krawallig, überschminkt und zu romantisch – ein Geschöpf der Satire. Auch bei der Preisverleihung wurde der für Muppets-Auftritte unvermeidliche Aufwand betrieben, um den Puppenspieler hinter einem großen Pult verschwinden zu lassen. Ganz klappte das nicht. Als er mit sich überschlagender Kopfstimme proklamierte, dass er „an diesem Tag nur als Frau“ gesehen werde wolle, tauchte ein Teil seines Hauptes hinter dem Podest auf.

Die Verschleierung ist Teil des Witzes im Muppet-Universum: So zu tun, als wäre der Irrsinn echt. Nun wird dieser Verschleierungseffekt ungebrochen in den politischen Diskurs um weibliche Vorbilder übernommen. Dabei ist Miss Piggy eine hinreißendes Geschöpf, ohne Frage, die Menschen seit vierzig Jahren Mut macht. Aber wie kommt eine Institution des Feminismus dazu, eine Kunstfigur zu ehren?

Seit Jahrzehnten sagen die Vertreterinnen der Gender Studies, dass Geschlecht nur eine Konstruktion ist, dass Rollenbilder Zuschreibungen sind. Da liegt es nahe, das Konstrukt Puppe in den Kanon der Emanzipation aufzunehmen und seine Befreiung zu feiern. Nur: Befreiung von was? Sein zu wollen wie Miss Piggy, bedeutet, einen Kerl am Hintern zu haben, der ständig schreit, und dessen ziemlich behaarte Hand einem das Mundwerk aufreißt. Für Elizabeth Sackler ist Miss Piggy indes der Beweis, „dass Schönheit von innen kommt“.

Das ist nur im Imperium der Ironie möglich, in dem es nichts Schlimmeres gibt, als humorlos zu sein. Seinen Einfluss kann man kaum noch entfliehen. Dabei war Ironie einmal die Sprache der Ohnmächtigen, der Außenseiter. Ein Dandy wie Oscar Wilde verkleidete seine unschicklichen Sehnsüchte mit Ironie, damit man ihm nicht auf die Schliche kam. "Irony is wasted on the stupid", klagte er. Ironie sei an die Dummen nur verschwendet. Für so edel hielt er sie, und sich. Heute bedienen sich Diktatoren der Ironie, um ihren Machtanspruch im Säurebad des "Nicht-so-Gemeinten" als Dampfschwaden aufgehen zu lassen.

Tatsächlich wird Miss Piggy in beinahe jedem Medienbeitrag als das Wesen behandelt, das sich des Alltags so vieler Menschen bemächtigt hat, dass sie sich angewöhnt haben, es für real zu halten. Das sagt viel über die Verführungskraft des Symbolischen – und über die Schwäche des Feminismus.

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