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Von TISCH zu TISCH: Mogg & Melzer

Reuben Sandwich mit Krautsalat.

Zum Radebrechen muss man nicht weit reisen, das kann man auch in Berlin haben. Natürlich gehört Wein nicht zur klassischen Delikultur, das wissen wir auch, aber man wird ja mal fragen dürfen. Tatsächlich stehen auf dem Regal bei Mogg & Melzer diverse Flaschen, im weiß gekachelten Teil des Raumes hinter der Vitrine und noch vor den Senftuben. Ja, er glaube, dass es Wein gebe, sagte der junge Mann und schleppt auch tatsächlich eine Flasche herbei. Was die kostet? „Sorry, my language“, entschuldigte sich der Gastgeber für seine rudimentären Deutschkenntnisse. Wie der Preis ist? Ratlos guckte er auf das Etikett. „Ahemm, Weißbörgöndör.“ Für den Rest des Abends haben wir dann Englisch gesprochen, daran soll’s ja nicht scheitern. Nur sollte man von aufstrebenden Gastronomen in der höchst angesagten Jüdischen Mädchenschule erwarten, dass sie, wie jeder halbwegs ehrgeizige Urlauber, ein paar Vokabeln vorbereitet haben. Die noch bessere Alternative: Man tippt alles, was an Getränken im Angebot ist, untereinander in den Computer ein und druckt das ein paar Mal aus. Schon sind die Gäste bestens informiert. Wir entdeckten an den anderen Tischen auch diverse Biere, rosa Sekt und probierten selber später noch ein Glas von dem sizilianischen Rotwein (5 Euro). Die Karte ist recht klein, natürlich auch ausschließlich auf Englisch gehalten, und an unserem Abend fehlen die Posten „Salt Meat“ und „Short ribs“.

Der helle Raum ist eingerichtet im Stil der 30er Jahre, also passend zum Gebäude. Die teils lehnenlosen Sitzbänke sind mit dicken lila Polstern bedeckt, hinter der Vitrine werden die Speisen erstellt. Vielleicht ist es auch zu viel für zwei Gastgeber, den ganzen Raum zu bespielen und auch noch die Gerichte selbst zuzubereiten.

Die Matzo Ball Soup hatte eine großzügige Einlage aus dicken, lockeren Fleischklößen, eine bunte Gemüsejulienne konnte der extrem zurückhaltend gewürzten und leider auch etwas fettigen Brühe freilich nicht zu ausreichendem Temperament verhelfen (5,50 Euro). Der Salat aus schwarzen Tomatenscheiben war gekrönt von einem karamellisierten Tortenstückchen Chevrondell. Dazu gab es eine interessante Kollektion teils holziger Wildkräuter, denen irgendeine Art von Dressing gut getan hätte (7 Euro).

Zum Reuben Sandwich gab es knackigen, aber mächtigen Krautsalat, der ebenfalls erstaunlich zurückhaltend gewürzt war. Die Pastrami hatte ein paar Fettränder, schmeckte ansonsten aber ganz authentisch und also gut. Mir fehlte Sauerkraut, das war durch den Krautsalat ersetzt worden. Würziges Dressing, dicke Scheiben Brot mit Spuren von Kümmel, eine große Salzgurke machten einen stimmigen Eindruck (8,50 Euro).

Ein Wiedersehen mit den hartgesottenen wilden Kräutern gab’s bei den Balsamico-Linsen, die schwarz glänzend im Schatten einer knackigen indischen Brotpyramide lagen. Darauf gebackener Crottin de Chavignol von der Größe einer Babyfaust. Das war gewiss kein Wow-Erlebnis, aber in Ordnung (11 Euro). Aus dem Beilagenangebot hatten wir Kartoffelsalat gewählt, der vorbildlich aus Pellkartoffeln bestand, die aber – wie schon das Kraut – viel zu fett angemacht waren. Nicht umsonst gilt es als Kunst, das Authentische behutsam zu modernisieren, besonders wenn man das kalorienbewusste New York vor Augen hat.

Wir hatten ein bisschen gekleckert, was bei einem Holztisch ja kein Problem darstellen sollte, weshalb uns das leicht vorwurfsvolle Schnalzen des Gastgebers beim Wegwischen auch ein bisschen nervte. Der Hinweis, man solle sich noch Platz lassen für den New Yorker Käsekuchen war freilich ebenso amerikanisch wie berechtigt. Der schmeckte wirklich ganz genau richtig und wäre schon allein ein Grund, mal wieder vorbeizuschauen. Der sizilianische Wein schlug übrigens mit 27 Euro zu Buche, was wir nur durch Nachfragen herausbekamen, eine Rechnung mit den einzelnen Posten gab es nämlich nicht. Einen freundlichen Abschiedsgruß auch nicht. Es wäre schön, wenn sich die Kinderkrankheiten bald auswachsen könnten. Leckere Delikost ist nämlich Mangelware in der Stadt.

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