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Eggs Benedict: Eine amerikanische Erfindung.

© Luka Stiorm/Culturamauritius images

Trend beim Brunch: Berlins It-Egg heißt Benedict

Ein English Muffin mit Schinken, pochiertem Ei und einem Klecks Sauce Hollandaise – erst mit Eggs Benedict ist der Brunch vollkommen. Wie die perfekt gelingen? Hier gibt's Tipps.

Ich bin Ilay“, sagt Ilay, weißes T-Shirt, Jeansschürze, die Haare zum Dutt gebunden. Und dann wünscht er: „Guten Morgen!“ Das mag sich an einem Donnerstagnachmittag zwar verrutscht anhören, aber es ist natürlich total programmatisch. Denn mit „Guten Morgen“ wird jeder Gast im „Benedict“ begrüßt. Ganz egal, wann er kommt. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche geht das so. Denn im „Benedict“ serviert man rund um die Uhr Frühstück. Sonst nichts.

Klingt komisch, ist aber der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich schon seit ein paar Jahren immer weiter zuspitzt. Rund um das Frühstück – genauer: den Brunch – hat sich eine ganz neue Gattung Gastronomie etabliert. Nicht nur, aber besonders in Berlin.

Ei, Ei, Ei

Mit dem Flatrate-Frühstücken der 90er Jahre und den meterlangen Buffets hat das nichts zu tun. Im Gegenteil. Statt ewig warmgehaltener Rühreiberge, Tomate-Mozzarella und Aufschnittplatten mit Physalis-Deko wird jetzt alles frisch zubereitet: Eierspeisen in jeder erdenklichen Variation, ob als Pancakes, French Toasts, Huevos Rancheros, Shashuka oder natürlich als Eggs Benedict, gewissermaßen der Urahn aller Brunch-Gerichte und gerade das absolute It-Egg. Nicht nur in Berlin.

Im „Benedict“ in Wilmersdorf, wo der Zeitgeist sonst eher nicht zuhause ist, sitzt man in einem trendsicheren Ambiente aus Sichtbeton, weißen Kacheln, Industrieleuchten, Tropentapeten und Holzmöbeln, und kann sich um die ganze Welt frühstücken. Die Karte reicht vom vietnamesischen Omelette mit Shrimps, Sojasprossen und Sesamöl über koreanischen Reis mit Steak und Kimchi bis zur Stulle mit Pulled Pork, Sauerkraut, Senf und pochiertem Ei.

Wenn es ein Gericht gibt, das den Brunch auf den Punkt bringt, dann die pochierten Eier auf einem Muffin, mit Schinken oder auch Speck, und zur Krönung Sauce Hollandaise. Halb Frühstück, halb Mittagessen und sättigend genug, dass man sie als ganze Mahlzeit essen kann.

Commodore E.E. Benedict

Wie diese Eggs Benedict entstanden sind, darüber gibt es verschiedene Gründungsmythen. Einem zufolge soll es der geniale Aperçu eines Chefkochs gewesen sein. Charles Ranshofer, der lange im Delmonico’s kochte, einem Fine-Dining-Tempel in Lower Manhattan, schrieb das Rezept 1894 erstmals auf.

Einer anderen Variante zufolge geht das Gericht auf die Katerfantasie eines schwer übernächtigten Börsenmenschen zurück. Der Wall-Street-Broker Lemuel Benedict verlangte im Waldorf Astoria nach gebuttertem Toast, pochierten Eiern, krossem Speck und einem Schlag Sauce Hollandaise. Jahrzehnte später wiederum wandte sich ein Mann an die „New York Times“, der versicherte, über seinen Onkel hätte er das Originalrezept gefunden, das sich damals der stadtbekannte Banker Commodore C.E. Benedict ausgedacht hatte.

Der Brunch zum Durchhalten

Die Krönung: Sauce Hollandaise.
Die Krönung: Sauce Hollandaise.

© Culturamauritius images

Jedenfalls tauchen die verlorenen Eier Ende des 19. Jahrhunderts auf New Yorker Speisekarten auf. Zeitgleich kam auf der anderen Seite des Atlantiks das Wort Brunch auf, ein Kofferwort aus Breakfast und Lunch, das bald zur Lieblingsmahlzeit der Nachtschwärmer avancieren sollte.

Größere Popularität erreichte das späte Frühstück ab den 1930er Jahren in den USA – als die hungrigen Tänzer aus den Ballsälen in Restaurants wie das des Fifth Avenue Hotels schwärmten, sich mit Omelette und Hühnerleber in Madeira und Sauerkrautsaft stärkten, um vielleicht doch noch einen letzten Camel Walk aufs Parkett zu zaubern. Der Brunch als Durchhalteritual.

In der englischsprachigen Welt ist das deftige Zwittermahl eine feste Größe. Sogar die ungeduldigen New Yorker stehen am Wochenende brav an, um einen Tisch in den angesagten Cafés zu ergattern. In London wird der Brunch begleitet von Mimosa, Screwdriver und/oder Bloody Mary. So wie in Australien, das als besonders Brunch-kompetent gilt. Aber auch in Europa ist der Trend mittlerweile unübersehbar. Vielleicht ist das das Geheimnis seines Erfolges: Frühstück ist in der Früh – Brunch geht immer. Perfekt für Berlin also, wo man sich ja auch nur ungern sein Amüsierverhalten von der Tageszeit vorschreiben lässt.

Florentine heißt die Schwester mit Spinat

Für die Gastronomie hingegen sind die Eggs Benedict und ihre Schwestern, die Eggs Florentine (mit Spinat statt Schinken) oder die Eggs Royale (mit Lachs), kein dankbares Gericht. Da kommen die Köche ins Schwitzen. Denn einerseits müssen alle Zutaten frisch zubereitet werden, man kann kaum etwas vorbereiten. Andererseits bedarf es für ein formschön pochiertes Ei Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Kein Wunder, dass in Frankreich Köche, die sich um eine Anstellung in einem Restaurant bewerben, beim Probekochen oft ein Ei pochieren müssen.

Worauf es dabei ankommt, wissen wenige in Berlin so gut wie Tom Clarke. Bis zu 400 Eier pochiert der baumlange, großflächig tätowierte Engländer an einem Sonntag, wenn im Café „Silo“ in Friedrichshain die Terrasse offen ist, und die Übernächtigten in Heerscharen einfallen.

Champagner-Hollandaise

Das „Silo“ ist die Adresse, wenn es um einen originellen Brunch geht. Brot und Wurst wird eigens für das Café hergestellt, sogar seine eigene Kaffee-Rösterei hat das „Silo“: das „Fjord“, das man wiederum mit den Kollegen von „Father Carpenters Coffee“ betreibt. Jüngst hat man auch einen Ableger eröffnet, das „Commonground“ in Mitte am Rosenthaler Platz.

Das Spezial hier: Zwei pochierte Eier auf Toast mit Avocado, langsam gerösteten Tomaten, Salsa Verde und Bacon oder Pilzen. Eggs Benedict gibt es nur manchmal – und dann mit etwas Besonderem wie der Champagner-Hollandaise oder einem Estragonpüree. Mit dieser grünen Variante experimentieren sie gerade herum. Die Leute sollen ja was zum Instagrammen haben.

Tipps für die perfekten Eggs Benedict

Im "Benedict" in Wilmersdorf wird rund um die Uhr gefrühstückt.
Im "Benedict" in Wilmersdorf wird rund um die Uhr gefrühstückt.

© promo

Tom Clarke ist nicht der Typ, den etwas aus der Ruhe bringen könnte, aber wenn er davon spricht, dass Eier schon mal temperamentvoll sein können, und man so eine Sauce Hollandaise nie aus den Augen lassen dürfe, dann sollte man die Tipps des Profis unbedingt beherzigen. Hier seine acht Regeln für die perfekten Eggs Benedict. (Rezept unten.)

1. Ein Egg Benedict verzeiht keine Fehler. Platzt das Eigelb, bevor man es ins Wasser gegeben hat, muss man noch einmal von vorn anfangen. Genauso wenn das Eigelb zu hart wird, oder das Eiweiß ausfasert.

2. Nur die bestmöglichen Zutaten führen zu einem guten Ergebnis. Mit seinen wenigen Komponenten braucht man ein gutes English Muffin (oder aber ein Brioche), ein ganz frisches Ei (sonst zerfließt das Eiweiß oder das Eigelb platzt), bestmöglichen Schinken und die Hollandaise, die ist natürlich frisch und selbstgerührt.

3. Welche Temperatur die Eier haben sollten, darüber gehen die Meinungen auseinander. Manche sagen: direkt aus dem Kühlschrank. Andere meinen: Raumtemperatur. Ist es allerdings zu warm, bricht das Eigelb leichter.

Großer Topf - viel Wasser

4. Am besten pochiert man Eier in einem großen Topf mit viel Wasser, das leicht simmern sollte. Sobald das Ei untergeht, bekommt es die Form, die es haben soll. Dann ruht es kurz auf dem Boden und taucht wieder auf. Das Eiweiß ist jetzt oben, das Eigelb unten. Wird das Wasser zu heiß, gart das Eiweiß zu schnell und das Eigelb bleibt zu flüssig. Ist das Wasser zu kalt, teilen sich Eiweiß und Eigelb.

5. Finger weg vom Schneebesen und der Methode mit dem Wasserwirbel, die oft kolportiert wird. Besser: extra viel Essig nehmen. Der sorgt dafür, dass sich das Eiweiß um das Eigelb hüllt. Allerdings sollte der Essig mild sein, damit er nicht zu stark durchschmeckt.

6. Wem an einem besonders formschönen Ei gelegen ist, der sollte ein paar Eier in dem simmernden Wasser pochieren. „Ab dem fünften werden sie besser“, sagt Clarke. „Keine Ahnung warum. Erfahrung.“ Ebenso wird die Form schöner, wenn mehrere Eier gleichzeitig im Wasser sind. Bis zu zehn Stück schafft Clarke in seinem Topf.

Lieber zu früh rausnehmen

7. Besser als auf die Uhr zu schielen, ist es, sich das Ei genau anzuschauen. Mit der Schaumkelle aus dem Wasser nehmen und Farbe und Form checken. Die Konsistenz ist perfekt, wenn das Eiweiß nicht mehr wässrig, sondern fest ist und das flüssige Eigelb umhüllt. Vorsicht! Das Ei gart nach. Also besser einen Moment zu früh aus dem Wasser nehmen als zu spät.

8. Die Hollandaise sollte wie seidige Butter schmecken. Idealerweise hat sie die gleiche Konsistenz wie das Eigelb, mit dem sie sich vermischt, wenn man mit der Gabel in das Ei piekt.

Bleibt lediglich eine Frage: Kann man eigentlich überhaupt noch Eier sehen, wenn man 400 pro Sonntag pochiert? „Naja“, sagt Tom Clarke etwas kleinlaut. „Ganz ehrlich: Ich selbst mochte Eier noch nie.“

Berlins beste Brunch-Adressen

Ein paar Eier mehr können nicht schaden.
Ein paar Eier mehr können nicht schaden.

© Julian Stratenschulte/dpa

ABC – ALLANS BREAKFAST CLUB, Rykestr. 13, Prenzlauer Berg, facebook.com/allansbreakfastclub

BENEDICT, Uhlandstr. 49, Wilmersdorf, benedict-breakfast.de

COMMONGROUND, Rosenthaler Str. 1, Mitte, facebook.com/commongrnd

LE BON, Boppstr. 1, Kreuzberg, lebon-berlin.com

SILO, Gabriel-Max-Str. 4, Friedrichshain, facebook.com/silocoffee

SPINDLER, Paul-Lincke-Ufer 42-43, Kreuzberg, spindler-berlin.net

HOUSE OF SMALL WONDER, Johannisstr. 20, Mitte, houseofsmallwonder.de

Tom Clarke verrät sein Rezept

Tom Clarke
Tom Clarke

© privat

Wenn man diese Tipps beherzigt, kann eigentlich nichts schief gehen. Ein Ei braucht etwa zwei bis vier Minuten. Am besten schlägt man es erst in einem Gefäß (einer Schale oder Schöpfkelle) auf und lässt es dann vorsichtig ins Wasser gleiten, damit das Eigelb nicht beschädigt wird. Auf zwei Liter Wasser dürfen es schon 100 Milliliter Essig sein.

Für zwei, drei Portionen Sauce Hollandaise 100 Gramm Butter schmelzen, zwei Eier trennen und das Eigelb mit einem Esslöffel Zitrone (oder Essig, das ist für die Bindung) sowie einem halben Teelöffel Senf mit dem Schneebesen mixen. Die Mischung im Wasserbad aufschlagen, dabei ganz langsam die flüssige Butter zugeben. Die Schüssel immer wieder vom Topf runternehmen, damit die Masse nicht zu heiß wird. Sonst fängt das Ei an zu stocken, wie beim Rührei (in diesem Fall ein paar Tropfen kaltes Wasser oder einen Eiswürfel zugeben). Nach gut fünf Minuten sollte eine cremige Emulsion entstanden sein. Mit Salz und Pfeffer würzen, eventuell noch mit einem Schuss Essig oder aber Wein abschmecken.

Typischerweise werden Eggs Benedict auf einen English Muffin serviert. Ein Brioche oder ein helles Sauerteigbrot funktioniert aber genau so gut.

Felix Denk

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