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Käsekuchen: Mauerblümchen in der Kuchentheke

Charakter siegt: Unsere Probierrunde testete Käsekuchen und „Cheesecake“ aus Berliner Herstellung.

Stellen wir uns für einen Augenblick vor, der Käsekuchen wäre mit einer Stimme begabt. Vermutlich würde er sich beklagen. Von altem Schlag, wie er ist – bereits die Antike berichtet von ihm –, muss er auffälligeren Torten und Kuchen den Vortritt lassen. Natürlich passt dieser einfache Quarkkuchen kaum noch in eine Zeit, die geschmackliche Kontraste sowie das Dekor schätzt. Schwerer wiegt indessen, dass er in den meisten Fällen gar nicht mehr richtig ausgelotet wird, sondern zu einer Art Zitronenkuchen verkommen ist.

Dennis Uçak und Björn Swanson vom „Parc Fermé“ im Meilenwerk füllten die Rolle der Gastgeber unserer monatlichen Testrunde diesmal mit ziemlicher Verve aus. Das hat seinen Grund: Uçak hat in der Patisserie des „Facil“ wichtige Erfahrungen gesammelt und besah sich die 30 Kuchen aus dem Berliner Handel gerade hinsichtlich ihrer Konstruktion besonders kritisch. Swanson, der ebenfalls in ersten Häusern sein Rüstzeug erwarb, genügt seinen amerikanischen Wurzeln mit einer Vorliebe für Cheesecake.

Von der angelsächsischen Interpretation denkbar weit entfernt war Butter- Lindners voluminöses Kucheneck. Eigentlich handelt es sich dabei nicht um einen klassischen Käsekuchen, sondern um einen Streusel, der mit Käsecreme gefüllt wurde. Letztere machte den Lindner-Konditoren eigentlich Ehre, wenn sie nicht so unglaublich süß gewesen wäre. „Albrechts Pâtisserie“ gefiel mit einem runden Törtchen mit Baiserhaube. Seine Käsemasse ist harmonisch abgestimmt, auch wenn ein Tick mehr Säure sie noch lebendiger machen würde. Doch auch hier schüchterte eine extreme Zuckrigkeit förmlich ein.

„Lenôtres“ Käse-Maracuja-Torte aus dem KaDeWe gehört ebenfalls zu den Variationen, die das Thema aufgewertet wissen wollen. Dass Uçak sich an Multivitaminsaft erinnert fühlte, hat nichts mit Respektlosigkeit zu tun; es illustriert nur die Gefahr, dass vermeintliche Verbesserungen sich häufig als Abwege erweisen. Zur im gleichen Haus gekauften Schnitte von Leysieffer, deren Boden wie aufgeweichte Bauernbrotrinde schmeckte, bemerkte Swanson, womöglich stelle man sich den deutschen Käsekuchen in Paris eben so vor – oder eben in Osnabrück. Eher in Richtung „Mutti & Omi-Kuchen“, wie Uçak sich ausdrückte, ging das Produkt aus der „Wiener Conditorei“. Trockene, mehlige Spuren, eine gewisse Abgebundenheit sowie ein merkwürdiges Prickeln, das wenig Natürliches an sich hatte, näherten die Gedanken der sattsam bekannten Käsekuchenhilfe.

Backerzeugnisse werden heute über beträchtliche Strecken transportiert, auf Filialen verteilt, stehen oft genug ohne ausreichende Kühlung herum und benötigen daher keine geringe Stabilität. Mit ihr geizt der viel zu feste, gleichzeitig recht flache Käsekuchen von „The Barn“ am Koppenplatz keineswegs. Was aber mehr Kopfzerbrechen bereitete, war, dass sich dem eierstarken Teig weder Frischkäse vom Typ Philadelphia noch Quark eindeutig zuordnen ließen. Das „Alpenstück“ – Gewinnerin unseres Laugenbrezel- Tests – setzt demgegenüber geradezu auf die Natürlichkeit des Quarks, betont durch einen Boden aus Hefeteig. Das hat durchaus Tradition, auch wenn eine Tendenz zur Verbrotung des Kuchens nicht von der Hand zu weisen ist.

Die wiederum ist bei Genenz überhaupt nicht zu befürchten. Sein Kuchen wirkt wie mariniert in Zitrusnoten, unter denen der einfache Zitronensaft sich wenigstens gegen die Bonbonhaftigkeit des Ganzen zur Wehr setzt – genauso vergeblich wie beim mit seiner Künstlichkeit beeindruckenden NY-Cheesecake von „Einstein“. Wie man es besser macht, demonstriert das „Café Buchwald“. Zwar scheint auch ein bisschen zuviel Zitronenessenz in den schaumigen Käseleib geraten, aber dieses Manko wird sofort durch zwei Umstände gemildert: Absolute Milchfrische sowie Röstnoten, die von einer angeflämmten Kuppe herrühren.

Noch nachdrücklicher macht sich „Barbaras Kuchentafel“ insbesondere für die Säure der geronnenen Milch stark. Mit viel Sinn für Ausgewogenheit wird sie lediglich von einer Zitrus-Ahnung ins Fruchtige verlängert, und Barbara wäre in der Wertung gewiss viel weiter vorne gelandet, wenn der Boden nicht so unausgebacken geblieben wäre.

Nichtssagend gab sich dagegen die Käsegrießtorte von Biokonditor „Tillmann“, dessen Erzeugnisse regelmäßig zu den Favoriten der Runde gehören. Womöglich liegt das ja an einem zu großen Vertrauen auf die bewährte Kombination von Butter und echter Vanille, die in einer wie von Hüttenkäse bestimmten Masse den Ton angibt. Bei Omas Käsekuchen von „My Cheesecake“ am Ludwigkirchplatz verzichtet man zwar auf den Boden, holt dafür jedoch das Rösche mit einem kräftig ausgebackenen Deckel wieder ein und setzt es in einen wohltuenden Kontrast zu einer glatten Füllung, die mit Säure tüchtig „angespitzt“ ist.

Subtiler geht „Heaven’s Cake“, der das „Café Berio“ beim Nollendorfplatz beliefert, mit der Fruchtnote um. Im himmlischen NY-Cheesecake wird gleichsam ein Dreieck gebildet aus Butter, Vanille und Zitrone, die dem Kuchen eine aromatische Dichte verleiht, die ihrerseits von einem angenehm keksigen Boden gestützt wird. Allerdings kamen der Runde auch Pudding-Assoziationen in den Sinn, die beim Käsekuchen von „Fleury“ gänzlich fehl am Platze sind. Im diesem entzückenden Café neben dem Volkspark am Weinberg ist eigentlich die französische Fein- und Zuckerbäckerei zu Hause, weil Prinzipalin Betty Armbruster aus Straßburg stammt. Doch ihr fluffiger Kuchen vertritt eher die heimische Sache mit einem weit ausgebauten, zwischen brüchig und geschmeidig hin- und herschwebendem Weißkäse-Körper, der dezent von Frucht wie mit einem Rahmen versehen wird. Doch auch hier vermochte ein feuchter Boden nicht zu überzeugen.

Vor Fleury auf den zweiten Platz schob sich ein Kuchen, der ganz nach dem Gusto von Björn Swanson war. „The Bird“ fertigt tatsächlich eine sehr amerikanische Schnitte, deren Entstehung auch etwas mit den Ausmaßen und der Lebenseinstellung der Neuen Welt zu tun haben muss. Über einem wuchtigen Boden aus zerkrümeltem Vollkornkeks erhebt sich eine dicke Cremeschicht, deren Farbe und Fett mit dem von Schmand oder Clotted Cream vergleichbar ist; geschmacklich reicht sie von Butter-Karamell bis zur Zitrone und wieder zurück.

Da hat der Connaisseur es beim Sieger einfacher. Der lockere Sahne-Quark von „Café Richter“ wird von zarter Säure belebt. Milch- und Frucht ergänzen sich ganz unkompliziert, um den Widerpart zu bilden zu einem knusprigen Boden, der auch nach Stunden noch seine knackige Art nicht verliert. Selbst wenn Richters Käsekuchen reden könnte, würde er schweigen. Denn sein Charakter spricht für sich.

Albrechts Pâtisserie, Schöneberg, Winterfeldtstraße 45

Alpenstück, Mitte, Schröderstr. 1

Balzer, Mitte, Sophienstr. 30-31

Café Berio, Schöneberg, Maaßenstraße 7

Café Buchwald, Hansaviertel, Bartningallee 29

Café Épicerie Fleury, Berlin-Mitte, Weinbergsweg 20

Café Richter,Charlottenburg, Giesebrechtstr. 22

Einstein, Charlottenburg, Kurfürstendamm 50

Genenz, Wilmersdorf, Brandenburgische Str. 32

my cheesecake, Wilmersdorf, Ludwigkirchstraße 10

Sporys, Mitte, Rosenthaler Str. 82

The Barn, Mitte, Auguststraße 58

The Bird, Prenzlauer Berg, Am Falkplatz 5

Tillmann, Wilmersdorf, Ludwigkirchstr. 14

Wiener Conditorei, Grunewald, Hohenzollerndamm 92

Gastgeber: „Parc Fermé“ , Moabit, Wiebestr. 36, Tel. 2061 3050

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