zum Hauptinhalt
Etikettenschwindel. Leberkäse, Klassiker der bayerischen Küche, ist weder Käse noch Leber.

© imago/Daniel Schvarcz

Berliner Imbisse im Test: Auf eine Leberkässemmel in Neukölln

Ketchup? Niemals! Wer seinen Leberkäs im Valentin Stüberl verhunzen will, muss das Teufelszeug schon selbst mitbringen.

Es ist eine der schlimmsten kulinarischen Erfahrungen für jeden, der die Hälfte seines Lebens in Süddeutschland verbracht hat: der Biss in eine Leberkässemmel, gekauft an egal welcher Metzgertheke Berlins. Nur hier nicht, an diesem Imbiss unweit des Rathauses Neukölln, der eigentlich eine Kneipe ist. Hier kann die zugereiste Zunge ihren Frieden machen mit dieser Stadt.

„Welcher Senf darf’s denn sein?“ Die Frau hinter der Theke im Valentin Stüberl stellt die wichtigste Frage des Tages. Und wehe, man kommt dann mit: „Nein, Ketchup, bitte!“ Ketchup gibt es hier nicht, niemals, und schon gar nicht auf die Leberkassemmel (bayerisch). Wer seinen Leberkäs verhunzen (schwäbisch) will, muss das Teufelszeug schon selbst mitbringen.

Seit 2008 gibt es das Stüberl, vom Hype um den Kiez ist nichts zu spüren. Stattdessen schaut man von der Theke auf den Königssee – aus allen erdenklichen Perspektiven. Eigentlich dürfte es diesen Ort gar nicht geben.

Leberkas bedeutet auf Österreichisch auch "Unfug"

Streng genommen dürfte es auch den Lebberkäs (hessisch) nicht geben. Ist weder Käse noch Leber, ein einziger Etikettenschwindel. Die Wortherkunft ist umstritten, eine Version lautet: „Leber“ war einst „Laib“, der „Käse“ kommt von „Käs“, was „kompakte Masse“ bedeutet – ein Laib aus kompakter Masse eben. Ein original bayerischer Leberkas ist nur einer, wenn er keine Leber enthält. Woanders muss der Fleischkäse laut Lebensmittelgesetz tatsächlich Leber enthalten. Vielleicht ist das der Grund, warum jede Version von einem Leberkäse im Raum Berlin schmeckt, als kaue man tote Katze.

Obwohl Leberkas auf Österreichisch auch „Unfug“ bedeuten kann, nimmt man ihn dort sehr ernst. Das „Ministerium für ein lebenswertes Österreich“ schreibt: „Er eignet sich zum zweiten Frühstück ebenso wie zum Frühschoppen, aber auch am Nachmittag vor dem Abendessen und nachher noch mal …“. Und die Linzer, sagt der Neuköllner Stüberlwirt, haben ihn perfektioniert, deshalb importiert er ihn. Wie den Obatzda – ein Gemisch aus Butter, Camembert, Paprikapulver und noch mehr Butter – dazu gibt’s Brezn (4,60, Leberkassemmel 3 Euro). „Dürfen ist Pflicht“, ein Zitat von Karl Valentin, steht neben der Theke über dem Durchgang, und so bestellt man ein Tegernseer vom Fass.

Und ist eine bayerische Band in der Stadt, kann man sicher sein, man trifft sich im Laufe der Nacht an der Bierbank, auf eine kompakte Masse, ein Getränk oder drei.

Adresse Donaustraße 112, 12043 Berlin-Neukölln

Im Netz valentinstueberlin.de

Geöffnet täglich ab 18 Uhr

Zur Startseite