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Tony Rinaudo bei einer typischen Handbewegung: Büsche beschneiden. Rund 200 Millionen Bäume hat diese Methode groß gemacht.

© Silas Koch/dpa

Entwicklungshilfe: Mit Gottes Wille zum Wald

Der Agraringenieur und Missionar Tony Rinaudo erhält den alternativen Nobelpreis für seine Aufforstungsmethode.

Die Hochebene von Guban im Norden von Somalia ist einer der heißesten Flecken der Erde. Einziges Zeichen für Leben unter der sengenden Sonne sind die Löcher der gefürchteten Sandschlangen im Boden. Doch selbst hier hat Tony Rinaudo wieder einen kleinen Schössling entdeckt. Grün und frisch ragt er aus der harten Erde. Das alte Wurzelwerk darunter muss Kontakt zum Grundwasser haben.

Tony Rinaudo zieht sein Taschenmesser, kniet nieder, und tut, was er schon zehntausendfach getan hat: Vorsichtig entfernt er die unteren Zweiglein der Pflanze und dressiert sie zu einem kleinen Baum. Innerhalb von wenigen Jahren, so zeigt die Erfahrung, kann aus dem Pflänzchen ein Baum werden und aus vielen Pflänzchen ein Wald. Für die Entwicklung dieser Methode und für seinen zähen, freundlichen Kampf sie umzusetzen, bekommt Tony Rinaudo dieses Jahr den alternativen Nobelpreis.

FMNR (Farmer Managed Natural Regeneration – etwa „von Bauern gemachte natürliche Aufforstung“) heißt die Technik. Sie beruht auf den noch lebenden Wurzelresten gerodeter Bäume. Rinaudo hat FMNR als Missionar in Niger entwickelt. Damals in den 80ern versuchte er, Bäume zu pflanzen – und scheiterte immer wieder. „Es funktionierte nicht wegen des sandigen Bodens, dem Weidedruck von Kühen und Ziegen, wegen Trockenheit, Stürmen und Termiten“, berichtet Rinaudo und aus seiner Stimme spricht noch die Verzweiflung, die er damals empfand: „Ich war am Ende.“

Wütend über Profit als Motivation Nummer eins

Aufgewachsen ist Rinaudo im australischen North East Victoria, der Weingegend des Bundesstaates Victoria, in einer frommen Familie. Als Kind beobachtete er, wie Flugzeuge Pestizide versprühten, die in den Fluss gewaschen wurden und die Fische vergifteten. Unberührtes Buschland wurde planiert, um Tabak zu pflanzen. „Ich war wütend, dass Profit die Motivation Nummer eins war und dass Kinder vor Hunger starben, während wir Tabak pflanzten“, berichtet Rinaudo von den Anfängen seines Engagements. Er ist sicher: „Gott hat mich benutzt, um das zu ändern.“

„Serving in Mission“ hieß die Organisation, die den studierten Agraringenieur und seine Frau Liz nach Niger schickte. Ein Jahr lang hatten sich die beiden in einer Bibelschule auf den Aufenthalt vorbereitet. Dann kam dieser Aha-Moment, als Rinaudo mit einer Reifenpanne am Rande des Buschs liegenblieb und auf einmal wusste: Dieses Gestrüpp, das sind wieder aufgeschossene Bäume. Wenn man sie beschneidet und eine Weile beschützt, kann ein richtiger Wald daraus werden. Mit ihrem Laub düngen die Bäume die Böden und werfen Schatten, das Wurzelwerk hält die Feuchtigkeit im Boden. Die Ernteerträge konnten dann oft verdoppelt bis verdreifacht werden.

Ganz klein musste Rinaudo anfangen, bis er diese Erfolge vorweisen konnte. Zehn Freiwillige in zehn Dörfern gewann er für die ersten Versuche: „Sie galten als Witzfiguren“, sagt Rinaudo. Doch das änderte sich schnell. Als die Menschen sahen, welche Vorteile ihnen die Bäume brachten, veränderte sich ihr Verhalten: „Die Bäume gehörten nun ihnen und sie beschützten sie vor Holzkohlemachern und Dieben. Es war phänomenal: Menschen, die nicht lesen oder schreiben konnten, sprachen mit ihren Nachbarn und sie lernten voneinander.“

Mit dem Wald kehrten die Quellen zurück

Vorzeigeregion für FMNR ist das äthiopische Humbo. In der Gegend um den Mount Damota wurde, unterstützt von der Kinderhilfsorganisation World Vision, ein ganzer Höhenzug begrünt. Seit mehr als zehn Jahren arbeiten die Bauern hier mit FMNR. Jetzt wächst wieder Gras für die Tiere, und es gibt genügend Brennholz, das die Frauen zum Kochen brauchen. Sie haben es jetzt auch nicht mehr weit, um Wasser für ihre Familien zu holen, denn mit dem Wald kehrten auch die Quellen zurück. Viele zehntausend Hektar wurden weltweit, vor allem in afrikanischen Ländern, mit FMNR aufgeforstet.

„Ich bin sehr glücklich darüber und es ist sehr, sehr befriedigend, wenn man nach einem so langen Kampf angehört wird“, sagt Rinaudo rückblickend. Noch aber hat er nicht genug: „Wir wollen die ganze Welt.“ Das heißt nicht, dass nicht auch noch Bäume gepflanzt werden sollen. Als guten Kandidaten hat Rinaudo den „Düngerbaum“ Faidherbia albida ausgemacht. Die Blätter geben tiefen Schatten, die Samen sind ein gutes Tierfutter.

Doch vor allem geht es Rinaudo um die Menschen: „Früher dachte ich nur an mein Budget und wie ich die richtigen Baumarten finde. Wenn ich das hinkriege, könnten wir gewinnen, dachte ich. Jetzt denke ich nur an die Psychologie und wie ich die Köpfe und Herzen der Menschen gewinne.“ Mit dem alternativen Nobelpreis in der Tasche dürfte das leichter werden.

Dieser Beitrag erscheint auch im Tagesspiegel Background Energie & Klima, dem täglichen Entscheider-Briefing für die Energiebranche.

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