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Die Künstlerin Alea Pinar du Pre hat Kemal Atatürk verfremdet. Wir zeigen einen Ausschnitt ihres Bildes.

© privat

Einmal hingeschaut: Modern Times auf Türkisch

Unser Autor Ahmet Refii Dener erinnert an die große Aufbauleistung der Türkei unter Mustafa Kemal Atatürk. Doch das war einmal. Eine Kolumne.

Wenn man in der Türkei über Fortschrittlichkeit, Willenskraft und Zielstrebigkeit spricht, dauert es nicht lange, bis der Türke mit dem Beispiel ,Deutschland‘ um die Ecke kommt. „Schau dir Deutschland an, nach dem Zweiten Weltkrieg war das Land am Boden und wo stehen sie jetzt?“

Da tun sich die Türken aber unrecht. Was sie vergessen, ist, dass Deutschland schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine Wirtschaftsmacht war. Die Militarisierung vor dem Krieg brachte auch mit sich, dass die Schwerindustrie stark wuchs: zwischen 1928 und 1944 um 120 bis 140 Prozent. Die Kapazitäten nach dem Krieg übertrafen sogar die des letzten Friedensjahres 1938.

Während die Menschen viel Leid zu ertragen hatten, war Deutschland – durch die Wirtschaftsbrille betrachtet – intakt. Das soll auf keinen Fall die Leistung der Trümmerfrauen schmälern, sie haben Großes vollbracht.

90 Prozent der Türken waren Analphabeten

Kommen wir jetzt dazu, warum die Türken unter der Leitung von Atatürk Erstaunlicheres vollbracht haben, etwas, was einmalig ist und bleibt. Es gab: eine bettelarme Bevölkerung, 4000 Kilometer Schiene, von denen nicht einer der Türkei gehörte, 90 Prozent Analphabeten, keine Einheit unter der Bevölkerung, viele gehören Stämmen an oder sind Nomaden, kein Mehl für Brot, Rinderpest und folglich kein Rinderbestand, nur 337 Ärzte, 434 Gesundheitsbeamte und 136 Hebammen, wenige Apotheken, drei Millionen Menschen (von 13,6 Millionen) haben Trachom, außerdem Malaria, Typhus, Tuberkulose und Syphilis, das halbe Volk ist krank, die Kindersterblichkeit liegt bei 60–80Prozent, Telefon, Motoren und Maschinen gibt es nicht, Strom nur vereinzelt in Istanbul und Izmir, 400.000 Flüchtlinge aus Griechenland, kaum Ökonomen, kaum Schulen, drei Fabriken…

Atatürk forderte, eine Musternation zu sein

Mustafa Kemal Atatürk: „Wir dürfen nicht aufgeben und uns mit vorläufigen Lösungen zufriedengeben. Um das Volk zu retten, einen Aufbruch auszulösen, weiter zu kommen, ein souveränes Volk zu werden, um im jetzigen Jahrhundert anzukommen, müssen wir mit der Zeit gehen! Diese Ziele müssen wir erreichen. Wir werden für die anderen armen und gefangenen Nationen ein Musterbeispiel abgeben. Das Schicksal hat diese große Verantwortung unserer Generation auferlegt!“

Und heute? Die Türkei ist, wenn auch nicht (mehr) in den Köpfen, so aber bei dem, was geschaffen wurde, in kurzer Zeit auf Augenhöhe mit der Moderne gelangt. Noch ein Sprichwort von Atatürk: „Wenn die Existenz der Nation nicht in Gefahr ist, ist der Krieg reiner Mord!“

Ahmet Refii Dener arbeitet als Türkei-Berater. 2017 ist ARDner, wie sich der Blogger (go2tr.de) nennt, nach Berlin gezogen

Ahmet Refii Dener

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