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Ungewöhnliche Spiel auf dem Petersplatz. Passanten liefern sich eine Schneeballschlacht.

© Alessandra Tarantino/dpa

Der Frost hat Europa fest im kühlen Griff: Kalt, kälter, Hartmut

Hoch Hartmut wird Europa noch einige Tage zittern lassen. Von leergekauften Regalen in Irland und dem Ausnahmezustand in Rom.

Englands "Monster aus dem Osten" verleitet Iren zu Hamsterkäufen

Die Briten hatten die Kaltfront „the Beast from the East“ getauft. „Das Monster aus dem Osten“: Das war den Iren auf ihrer noch weiter westlich gelegenen Insel genug der Warnung: Die nationale Katastrophenschutzbehörde rief die Bevölkerung auf, Vorkehrungen zu treffen. Zuletzt hatte es im Jahre 2010 in der Region um die Hauptstadt Dublin geschneit. „Damals waren Straßen tagelang gesperrt. Es hat ja auch niemand Winterreifen, geschweige denn Schneeketten“, erklärte Adrian Mulryan, Start-up-Unternehmer aus Dun Laoghaire, einem Vorort von Dublin, dem Tagesspiegel. Der Wetterdienst erwarte, dass es diesmal noch schlimmer werden könnte als 1982. Immerhin habe die Regierung nun 300 Schneepflüge angeschafft.

Die Regale in einigen irischen Supermärkten sind leer gekauft.
Die Regale in einigen irischen Supermärkten sind leer gekauft.

© Adrian Mulryan

„Schneeschaufel und der Allrad-Landrover stehen bereit“, schrieb Mulryan seinen Freunden auf Facebook. Denn zu Fuß werde er den einen Kilometer zur Schule wohl kaum schaffen mit seinen vierjährigen Zwillingsjungs. Doch: „Ist das nicht ein wenig übertrieben für die sechs Zentimeter Neuschnee?“, fragte er, um dann wenig später ein Foto vom Brotregal des nahen Supermarktes nachzuliefern. Leer gefegt. Ein Spaßvogel bot auf einer Internetseite eine Packung weißes Toastbrot für 2500 Euro an, andere verschickten Fotos von sonst saftig grünen Hügeln in Zuckerguss-Optik, versehen mit dem irischen Wort #Sneachta (sprich: „Schnackta“). So wurde aus dem „Monster Hartmut“ der Briten im äußersten Westen Europas schlicht: „Schnee“.

Geschlossene Schulen in Neapel und Ausnahmezustand in Rom

Wegen fünf bis zehn Zentimetern Schnee geschlossen: Das galt gestern in Neapel nicht nur für die Schulen, sondern mehr oder weniger für die ganze Stadt. Auf den Straßen regierte wegen zahlreicher Auffahrunfälle das Chaos, die Busse blieben größtenteils in ihren Depots, am Flughafen wurden Dutzende von Flügen gestrichen. Der italienische Wetterdienst meldete, dass in Neapel seit 1956 nicht mehr so viel Schnee gefallen sei. Aber von einer wirklich kompakten Schneedecke konnte nicht gesprochen werden.

Südlich der Po-Ebene ist man auf die Kälte einfach nicht vorbereitet: In Rom waren am Montag weniger als die Hälfte der rund 1400 öffentlichen Busse mit Winterreifen ausgerüstet; außerdem fehlt es chronisch an Räumfahrzeugen. Oder die Stadtverwaltung weiß nicht mehr, wo sich die Pflüge befinden: Das war vor sechs Jahren passiert, als es zum letzten Mal geschneit hatte in Rom. Aber auch die Bahn, die sich im Besitz des Zentralstaats befindet, ist schlecht vorbereitet. Am Bahnhof Termini in Rom, wichtigster Knotenpunkt italienischer Eisenbahnen, gibt es 300 Weichen – aber nur die Hälfte davon ist mit einer Heizung ausgestattet.

Die Kälte bedroht Obdachlose existenziell. In Mailand ist in der Nacht zu Dienstag bereits einer von ihnen erfroren. In Rom, wo rund 8000 Menschen auf der Straße leben, herrscht nun wegen der Kälte höchste Alarmstufe, denn insgesamt gibt es in der Stadt bloß rund 4000 Notschlafplätze.

Auf der Zugspitze wurden in der Nacht zu Dienstag minus 30,4 Grad gemessen.
Auf der Zugspitze wurden in der Nacht zu Dienstag minus 30,4 Grad gemessen.

© Bayeri sche Zugspitzbahn/dpa

Minus 30,5 Grad auf der Zugspitze

Zweistellige Minustemperaturen haben auch in Deutschland zu Kälterekorden geführt. Auf der Zugspitze sank die Temperatur nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in der Nacht zu Dienstag auf bitterkalte minus 30,5 Grad. Damit wurde der niedrigste jemals Ende Februar erreichte Wert seit Beginn der Messungen auf der Zugspitze im Jahr 1901 gemessen. Der absolute Kälterekord auf Deutschlands höchstem Gipfel wurde nach Angaben des DWD im Februar 1940 mit minus 35,6 Grad erreicht.

Im Südwesten hat das Kältewetter Pannenhelfern einen Einsatzrekord beschert. Wie der ADAC mitteilte, rückte die Straßenwacht allein in Württemberg am Montag 2610 Mal zu Hilfseinsätzen aus – der bisher höchste Wert in diesem Jahr. „Hauptursache für die Pannen sind schwache oder defekte Batterien sowie eingefrorene Kühlsysteme“, sagte Michael Prelop, Bereichsleiter für Württemberg bei der ADAC Straßenwacht.

Der eisige Wind aus dem Osten türmt den Schnee an der Ostseeküste weiter auf. In der Nacht zum Dienstag schneite es vor allem auf den Inseln Rügen und Usedom stark. „Die Ostsee ist im Verhältnis zu der Luft, die über sie strömt, recht warm. Das muss irgendwie ausgeglichen werden und dadurch bilden sich Schauer, die in Form von Schneefall runterkommen“, sagte ein DWD-Sprecher über das Phänomen. In der Nacht zum Mittwoch sollte es laut Vorhersage noch kälter werden.

Drossel und Blaumeise an einer Futterstelle.
Drossel und Blaumeise an einer Futterstelle.

© Boris Roessler/dpa

Zaunkönige rücken zusammen und bilden Schlafgemeinschaften

Heimische Wildtiere überstehen die eisigen Temperaturen auch ohne Hilfe. Am besten unterstütze man die Tiere, indem man sie nicht unnötig störe, hieß es dazu vom Naturschutzbund (Nabu).

So sollte jetzt etwa auf den Gartenputz verzichtet werden, da Laub- und Reisighaufen beliebte Wohnungen für Winterschläfer wie Igel seien, sagte der Nabu- Referent für Umweltinformationen, Julian Heiermann. Waldspaziergängern empfahl er, auf den Wegen zu bleiben, um kein Fluchtverhalten und damit unnötigen Energieverbrauch bei Rehen und Rothirschen zu provozieren.

Viele Tiere hätten Tricks, um den Temperaturen zu trotzen. Vogelarten wie etwa Zaunkönig oder Schwanzmeise kuschelten bei Kälte, indem sie zu Schlafgemeinschaften zusammenrückten, erläuterte Vogelexperte Lars Lachmann. Zugvögel, die bereits seit Februar zurückkehrten, wie etwa der Star, warteten mit der Brutzeit, bis es wärmer werde. Schwänen und Enten mache es dank eines raffinierten Wärmetauschersystems in Beinen und Füßen nichts aus, barfuß auf dem Eis zu laufen.

Frostiger Winter, weniger Mücken im Sommer? Das sei Aberglaube – und falsch, sagte Biologin Doreen Walther vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. Den meisten Stechmücken mache später Frost nichts aus. „Insekten haben so eine Art Frostschutzmittel, um über die Wintermonate zu kommen.“ Deshalb seien ihnen die eisigen Temperaturen völlig egal. (mit dpa)

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