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Schluss mit Samba? Den Schulen fehlt Geld.

© PICTURE ALLIANCE / DPA

Brasilien: Droht dem Karneval in Rio das Aus?

Erst halbiert der Bürgermeister den Sambaschulen die Zuschüsse, dann streicht die Regierung Gelder. Zwei Monate vor dem Karneval macht sich in Rio Verzweiflung breit.

Die Samba-Stadt bietet einen traurigen Anblick. Auf dem Areal in der Hafengegend von Rio de Janeiro sind die Werkstätten und Büros der großen Sambaschulen untergebracht. Die Schulen repräsentieren den kulturellen Reichtum der Stadt, ihre Umzüge locken jedes Jahr Tausende Touristen in die Stadt. Doch nun türmt sich hier der Müll: rostige Fahrgestelle, Verkleidungen aus Styropor, die einmal opulente Umzugswagen schmückten, Fetzen alter Verkleidungen. Eigentlich müsste Rios Stadtreinigung den Unrat wegräumen. Aber sie weigert sich unter Hinweis auf die Sparvorgaben des Rathauses. Sie rät den Sambaschulen, stattdessen einen privaten Müllentsorger zu beauftragen. Aber dafür haben die Sambaschulen wiederum gar kein Geld.

Der Müll in der Samba-Stadt, er ist ein Sinnbild für das Chaos, das beim nächsten Karneval in Rio droht. Zwei Monate vor dem Großereignis hat die brasilianische Regierung den 13 großen Sambaschulen die Finanzierung gestrichen. Dabei hatte sie das Geld – es geht um umgerechnet zwei Millionen Euro – schon zugesagt. Die Liga der Sambaschulen (Liesa) habe Auflagen nicht eingehalten, heißt es in der Begründung. Um welche Auflagen es sich handle, teilte die Regierung nicht mit. Bei der Liesa ist man derweil fassungslos und weist die Anschuldigung zurück. Das Herz des Karnevals sei getroffen worden, sagte Chiquinho da Mangueira, Präsident der gleichnamigen Sambaschule. „Langsam, aber sicher zerstören sie das größte Volksfest der Welt.“

Dem Bürgermeister missfällt der Karneval

Die Finanzhilfe aus Brasília war nötig geworden, weil Rios Bürgermeister Marcelo Crivella den Schulen im Juni die Zuschüsse halbiert hatte. Er regiert die Stadt am Zuckerhut seit Januar und ist Pastor der Universalkirche vom Reich Gottes, die den Karneval als unchristlichen Exzess verdammt. Was er vom Karneval hält, hatte Crivella bereits Anfang des Jahres klargemacht, als er dem Umzug fernblieb – ein bis dahin undenkbarer Vorgang für einen Bürgermeister Rios. Seine Ablehnung hat auch mit den afrobrasilianischen Wurzeln des Sambas zu tun, denn seine Kirche dämonisiert das afrobrasilianische Erbe des Landes.

Dann wurden die Gelder gekürzt. Die Kürzung war der Beginn einer Reihe von Anordnungen – etwa strenge Auflagen für die Straßenfeste –, die offenbar ein Ziel verfolgen: Rio soll freudlos werden. Crivella gilt vielen als Jesus-Mullah in der Stadt der Ausschweifung. Gewählt haben ihn vor allem arme Menschen aus den Vorstädten.

Andere Sponsoren leiden unter der Wirtschaftskrise

Nach den Kürzungen Crivellas versprach neben der Bundesregierung auch der Online-Taxidienst Uber einzuspringen und jeder Sambaschule umgerechnet 130 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Aber bisher ist das Geld noch nicht überwiesen worden. Lediglich drei der 13 Schulen haben dieses Jahr einen Sponsor gefunden. Dabei war es in den vergangenen Jahren üblich geworden, dass Unternehmen die Umzüge mitfinanzieren. Manchmal nahm das groteske Züge an, etwa als 2015 der Diktator Teodoro Obiang aus Äquatorialguinea einen Umzug zu Ehren seines winzigen, aber ölreichen Landes kaufte. Das diesjährige Fernbleiben der Sponsoren wird auf die tiefe Wirtschaftskrise Brasiliens zurückgeführt.

Umso härter trifft die Schulen deswegen nun die Absage der Regierung aus Brasília. „Die Zeit wird immer knapper, anständige Umzüge auf die Straße zu bringen“, sagt ein Techniker im Sambodrom. Er berichtet auch von dem Schock, als im Oktober Kontrolleure des Arbeitsministeriums die Werkstätten in der Samba-Stadt wegen „unsicherer Arbeitsbedingungen“ schlossen. Die Werkstätten blieben einen Monat lang geschlossen. Eine Ewigkeit, denn die Sambaschulen haben feste Zeitpläne, um sich auf den Umzug vorzubereiten. Sie gleichen Unternehmen, die das ganze Jahr Handwerker und Näherinnen beschäftigen.

Schulen wollen improvisieren

Konfrontiert mit finanzieller Dürre und zeitlicher Knappheit sind die Sambaschulen nun gezwungen, zu improvisieren. Ganz wie zu ihren Anfängen vor knapp 90 Jahren, als der Karneval noch nicht kommerzialisiert war. Bei der Schule Unidos da Tijuca, die für aufwendige technische Tricks bekannt ist, wird eine Tänzergruppe nun in Kostümen aus Zeitungspapier defilieren. Die Schule Mangueira will ihre Werkstätten nachts schließen, um Elektrizität zu sparen – in Rio ein enormer Kostenfaktor. Es wird erwartet, dass einige Schulen erst am Vortag des Umzugs im Februar mit den Vorbereitungen fertig sein werden. Das könnte sich auf die Qualität der Darbietungen niederschlagen. Ein Teil der brasilianischen Öffentlichkeit unterstützt die Sparmaßnahmen. Doch Rathaus und Bundesregierung könnten sich verrechnet haben. Jedes Jahr werden in Rio während des Karnevals umgerechnet fast eine Milliarde Euro umgesetzt, wie die Tourismusagentur Riotur errechnet hat. Die Einsparungen könnten also teuer werden.

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