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Erinnern an die Opfer: Mehr als 40 Kinder fanden bei der Tragödie in der sibirischen Industriestadt den Tod.

© Ilya Naymushin/Reuters

Brandkatastrophe in Sibirien: Kemerowo nimmt Abschied von den Toten

64 Opfer, darunter mehr als 40 Kinder: Drei Tage nach der Brandkatastrophe im sibirischen Kemerowo werden die ersten Toten bestattet. Putin kündigt jetzt eine Untersuchung an.

Die Flaggen in Russland wehen am Mittwoch auf Halbmast, in vielen Städten legen Menschen Blumen an zentralen Plätzen nieder. In der Hauptstadt Moskau wird in der Staatsduma eine Schweigeminute eingelegt, während zur gleichen Zeit Tausende Menschen im Zentrum zusammenkommen, die Plakate mit den Worten „Kemerowo, wir sind für dich da“ und „Kinder, verzeiht uns“ in den Händen halten. In Kemerowo trauern die Angehörigen an den Särgen der Opfer der Brandkatastrophe, die ersten Toten sind beerdigt.

Ganz Russland gedachte am Mittwoch der Opfer im sibirischen Kemerowo. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte einen Tag der nationalen Trauer für die 64 Toten, darunter mehr als 40 Kinder, angeordnet. Der verheerende Brand war am Sonntag in der Kinderabteilung eines Einkaufszentrums der rund 3000 Kilometer von Moskau entfernten Industriestadt ausgebrochen.

Putin war am Dienstag, zwei Tage nach dem Brand, nach Kemerowo gereist. Er hatte Blumen an dem ausgebrannten Einkaufszentrum „Simnaja Wischnja“ niedergelegt, ein Krankenhaus und das Leichenschauhaus besucht. Auch eine Versammlung mit den Verantwortlichen aus den Regionalbehörden hielt er ab, an der der Minister für den paramilitärisch organisierten Katastrophenschutz teilnahm.

Vorgefertigte Rede vom Blatt abgelesen

In der vom Fernsehen übertragenen Veranstaltung würdigte er zunächst niemanden der Anwesenden eines Blickes und las dann eine vorgefertigte Erklärung vom Blatt ab. Es sei zu „verbrecherischen Nachlässigkeiten“ gekommen, sagte Putin. Nach Ansicht des Korrespondenten der Zeitung „Kommersant“ scheine er jedoch nach einiger Zeit gemerkt zu haben, dass dieser formelle Auftritt in Anbetracht der Situation als unangemessen aufgefasst werden könnte. Und er rief zu einer Schweigeminute auf.

Während dieser Veranstaltung gab der Gouverneur der Region, Aman Tulejew, ein Bild völliger Inkompetenz und Verwirrung ab. Er hatte sich nach Bekanntwerden der Nachricht nicht an den Ort der Katastrophe begeben, und mit den Angehörigen der Opfer traf er sich bis zum Mittwoch nicht.

Tulejew entschuldigte sich am Dienstag vielmehr in einem bizarren Auftritt bei Putin persönlich und beschimpfte danach die zornige Menge, die sich in Kemerowo spontan zu einer hochemotionalen Kundgebung vor der Stadtverwaltung versammelt hatte. Das seien die „üblichen 200 oppositionellen Krawallmacher“ gewesen, behauptete Tulejew.

Funktionäre verunglimpfen Bürger

Tatsächlich ist auf Fotos zu sehen, dass sich auf dem weitläufigen Platz Tausende versammelt hatten. In ähnlich abschätziger Art und Weise hatten sich zuvor bereits andere regionale Funktionäre über die versammelten Bürger geäußert. Die Zeitung „Wedomosti“ kommentierte dies am Mittwoch sarkastisch: „Die Macht teilt mit der Gesellschaft die Freude, jedoch nicht die Bitterkeit.“

Gouverneur Tulejew ist seit 1997 Chef der Region und inzwischen 73 Jahre alt. Nicht er jedoch verlor am Mittwoch sein Amt. Stattdessen wurden sein Stellvertreter Alexej Selenin, Chef der regionalen Verwaltung, und eine weitere leitende Mitarbeiterin entlassen. Die Ermittler nahmen insgesamt fünf Verdächtige fest, die für die Brandkatastrophe verantwortlich sein sollen, unter ihnen den Direktor des Kaufhauses.

Auch Putin hatte sich am Dienstag der demonstrierenden Menge in Kemerowo nicht gestellt. Er hörte sich jedoch die Klagen einer „Initiativgruppe“ von Bürgern der Stadt an. Die äußerten ihr Misstrauen in die Behörden, forderten eine vollständige Opferliste und die rasche Aufklärung der Brandursachen.

Alarm war ausgeschaltet

Putin versprach, alle Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. „Alle, die antworten müssen, werden uns Antworten geben“, sagte der Kremlchef. Am Mittwoch beauftragte Putin Regierungschef Dmitri Medwedjew, eine Sicherheitsüberprüfung aller großen Freizeitzentren des Landes in die Wege zu leiten.

Auf Halbmast. Russland gedeckt der Opfer mit einem Tag der nationalen Trauer.
Auf Halbmast. Russland gedeckt der Opfer mit einem Tag der nationalen Trauer.

© Ilya Naymushin/Reuters

Das Feuer in Kemerowo war am frühen Sonntagabend in der Kinderabteilung im vierten Stock ausgebrochen. Es erfasste innerhalb kurzer Zeit eine Fläche von rund 1600 Quadratmetern. Überlebende berichteten in den russischen Medien von furchtbaren Szenen. Eingeschlossene glaubten zeitweise auch an einen Terrorangriff.

Die Ermittler bestätigten, dass ein Wachmann den Alarm ausschaltete, nachdem er ein Signal über das Feuer im Gebäude erhalten hatte. Warum er das tat, war zunächst nicht bekannt. Zudem sollen die Eingangstüren des Kinos verschlossen gewesen sein. Mitarbeiter des Einkaufszentrums hätten kaum Maßnahmen zur Rettung ergriffen, die Notausgänge waren blockiert. Als die Türen aufgingen, seien die Korridore bereits voller Rauch gewesen.

Die Brandursache ist bislang nicht eindeutig geklärt. Als wahrscheinlich gilt, dass ein defektes Kabel das Feuer ausgelöst hat. Es gibt auch Angaben von Augenzeugen, dass Jugendliche mit einem Feuerzeug gespielt und Schaumstoffwürfel angezündet haben sollen. Einer der festgenommenen Manager sagte Medienberichten zufolge, dass es sich um Brandstiftung handele. Die Jugendlichen seien bereits zuvor aufgefallen. (mit dpa)

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