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Mit Taschenlampen und Harken bewaffnete Räuber machen in Neuseeland Avocado-Plantagen unsicher.

© dpa

Avocado-Klau in Neuseeland: Diebe setzen auf das grüne Gold

In Neuseeland machen sich Diebe massiv über Avocado-Plantagen her. Sie glauben an ein gutes Geschäft. Kein Wunder: Das Obst gilt als Superfrucht – und wird auch in Deutschland immer beliebter.

Jeder, der einmal einen Kindergarten von innen gesehen hat, dürfte das Lied kennen von der brüllenden Affenbande, die sich schmerzlich um ihre Nahrung betrogen fühlt. „Wer hat die Kokosnuss geklaut?“, heißt es im Refrain des Kinderhits. Tja, dürfte manch ein Obstbauer in Neuseeland angesichts dieser Liedzeile schnaufen, die Kokosnüsse sind nicht das Problem, die klaut niemand. Die Landwirte klagen über Avocado-Diebe. Und in diesem Fall handelt es sich nicht um eine weitere Strophe über eine erzürnte Affenbande. Den Bauern ist es bitterer Ernst. Seit einiger Zeit sind im Norden des sonst so idyllischen Inselstaates Diebe unterwegs, die sich an den bis zu acht Meter hohen Avocadobäumen zu schaffen machen. Vorwiegend nachts gehen sie auf Raubzug, ausgerüstet mit Bettlaken, Harke und Taschenlampe. So pflücken sie die Früchte von den Bäumen. Zurück bleiben kahle Äste – und großer finanzieller Schaden für die Bauern.

Von schon mehreren Dutzend Vorfällen spricht die Polizei zum Beispiel in der Hafenstadt Tauranga. Die kriminelle Energie der Diebe spricht dafür, dass sie in ihrer Avocado-Beute eine lukrative Einnahmequelle sehen. Denn die tropische Frucht erlebt seit einigen Jahren einen Boom. Die Nachfrage übersteigt deutlich das Angebot. So ist der Preis nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa für eine einzige Avocado in Neuseeland auf umgerechnet bis zu 3,75 Euro gestiegen.

Lange Zeit fristete die Avocado in der Frischeabteilung des Supermarktes ein Schattendasein. Während die Banane, der Apfel und die Orange als beliebteste Obstsorten der Deutschen stets appetitlich in bestem Licht präsentiert wurden, musste sich die Avocado wegen ihres hohen Fettgehalts in der hinteren Ecke zwischen Limetten und Physalis einreihen. Doch das ist inzwischen Vergangenheit.

Denn was die Quinoa-Samen im Müslisegment, das ist die Avocadofrucht im Obstregal. Was sich auch in den Verkaufszahlen niederschlägt. „Die Avocado konnte in den vergangenen drei Jahren deutlich zulegen“, sagt Christoph Behr von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft. So hat sich der Avocadokonsum in Deutschland zwischen 2012 und 2015 nahezu verdoppelt. Das ist auch deshalb bemerkenswert, da die Butterfrucht auch hier ein vergleichsweise teures Obst ist.

In Neuseeland gibt es etwa 1600 Bauern, die sich auf den Anbau der grünen Früchte aus der Familie der Lorbeergewächse spezialisiert haben. Tausende Hektar Land bewirtschaften sie und können dennoch die steigende Nachfrage nur bedingt befriedigen. Der neuseeländische Export wächst jährlich um 20 Prozent. Längst wird die Frucht als „grünes Gold“ bezeichnet. Die Bauern freut's, wären da nicht die vielen Diebe. Bisher konnten nur wenige gefasst werden.

Obstdiebstahl ist nicht gerade ein verbreitetes Phänomen

Kurios ist der Fall auch deshalb, da Obstdiebstahl nicht gerade ein verbreitetes Phänomen ist, wie Experte Behr sagt: „Von Spargelklau hört man ja manchmal.“ Allerdings seien beim Obst die Gewinnmargen so gering, dass sich diese kriminelle Energie im Allgemeinen kaum lohne. Die neuseeländischen Langfinger dürften das anders sehen. Sie versuchen, ihre Beute auf Wochenmärkten oder dem Schwarzmarkt zu einem stolzen Preis zu verkaufen. Zweifel, dass der Plan aufgeht, sind dennoch angebracht. Denn erntereif sind die Avocados eigentlich erst im August. „Wer die Früchte jetzt verkauft, dürfte nur unzufriedene Kunden haben, sie schmecken nämlich noch gar nicht“, sagt Jen Scoular vom dortigen Avocadobauern-Verband.

Natürlich hat die Avocado längst einschlägige Seiten im Internet erobert, wo sie als Superfood angepriesen wird. Von einem „echten Figurenwunder“ ist da die Rede, anderswo von „Frucht der Schönheit“ – trotz der vielen Kalorien. Mit ihrem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren gilt die Butterfrucht nämlich als Kalorienbombe. Dem gegenüber steht aber ein hoher Gehalt an Nährstoffen und Vitaminen. Gegessen werden kann sie pur mit Löffel, gemixt als Smoothie oder als Zutat beim Kochen. In der mexikanischen Küche ist Guacamole, ein Tortilla-Dip aus gestampften Avocados, eine weithin bekannte Spezialität.

Trotz allem sollte der Avocado-Boom nicht überbewertet werden. Zwar hat die Sorte im Obstsegment aufgeholt. Aber Fruchtexperte Behr ist darüber eher verwundert: „Dafür, dass die Avocado eher an ein Gemüse erinnert und auch so gegessen wird“, sagt er, sei die Beliebtheit erstaunlich. Doch zum Lieblingsobst zählt die Frucht noch längst nicht. „Sie liegt irgendwo hinter Platz 20.“ Bisher also keine Konkurrenz für Clementinen, Kirschen und Trauben. Dass wegen der neuseeländischen Diebe die Regale leer bleiben, ist unwahrscheinlich. „Die meisten deutschen Avocados stammen aus Ländern wie Peru, Spanien oder Israel“, sagt Behr.

Die neuseeländischen Bauern rüsten derweil auf. Mit elektrischen Zäunen und Videokameras wollen sie ihre Früchte schützen. Und selbst Supermärkte fürchten Einbrüche. Auf einem Plakat in einem Schaufenster ist zu lesen: „Über Nacht werden hier weder Bargeld noch Avocados aufbewahrt.“ (mit dpa)

Daniel Godeck

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