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Vermesser vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr scannen die abgesackte Ostseeautobahn bei Tribsees (MV).

© dpa/Bernd Wüstneck

A20 in Mecklenburg-Vorpommern: Die Ostseeautobahn versinkt im Torf

In Mecklenburg-Vorpommern ist die A20 auf beinahe 100 Metern abgesackt. Es ist nicht die erste Panne. Liegt es am Untergrund oder Fehlern beim Bau?

Am Wochenende spontan von Berlin an die Ostsee – das könnte in den nächsten Jahren etwas länger dauern als gewohnt. Denn das größte und berühmteste Loch in der deutschen Autobahngeschichte wächst weiter: Auf einer Länge von nunmehr 95 Metern ist die Fahrbahn der Autobahn 20 bei Tribsees im Landkreis Vorpommern-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern eingebrochen. Das berichtete das Verkehrsministerium in Schwerin auf Anfrage. Ende September war dort die Fahrbahn Meter tief abgesackt, wenige Wochen später musste bereits die gesamte Autobahn beidseitig gesperrt werden. Seitdem sacken immer wieder weitere Teile der Fahrbahn ab.

Das Loch bei Tribsees schreibt die Geschichte der „Pannenautobahn“ 20 weiter: Schon 2005 machte ein Abschnitt in Westmecklenburg Schlagzeilen. Auf 14 Kilometern plagte ein ungeeigneter Fahrbahnbelag, der gemeinhin als „Brüllbeton“ bezeichnet wurde, rund 3000 Anwohner. Bei der anschließenden Sanierung beschädigte ein falsch eingesetzter Kleber vorbeifahrende Autos. Im darauffolgenden Sommer 2006 warf der Asphalt bei heißen Temperaturen Blasen.

Für das jetzt noch wachsende Loch in der Autobahn ist der Auslöser noch unklar. Ein Torf-Vorkommen unter der Autobahn, das dem Fundament der Straße keinen Halt mehr bietet, gilt als wahrscheinlichste Ursache. Spekuliert wird auch über die Verwendung zu schwacher Stützen, nicht überprüfte Techniken oder schlichte Fehlkalkulationen.

A20 – Lebensader der Ostseeküste

Dabei gilt die Ostseeautobahn 20 als Lebensader des Nordostens. Auf der Achse Hamburg-Stettin verläuft sie entlang der Küste über Lübeck, Rostock und Greifswald bis in die Uckermark. Ihr Neubau war das zehnte Teilprojekt der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“. In diesem aktuell rund 41 Milliarden Euro umfassenden Investitionsprogramm sind groß angelegte Verkehrsbauprojekte zusammengefasst, die die Verbindung zwischen neuen und alten Bundesländern verbessern sollen. Langfristig ist sogar eine Verlängerung der A20 als Küstenautobahn durch den Wesertunnel bis nach Ostfriesland angedacht, wo sie bei Oldenburg in die bestehende A28 münden könnte.

Umleitungen belasten Urlaubsregionen und Anwohner

Bereits jetzt rollt auf der A20 ein Großteil des Verkehrs in die Urlaubsgebiete an der Ostsee. Um das Loch bei Tribsees zu umfahren, wird der Verkehr nun in einer Art Kreisverkehr über mehrere Ortschaften umgeleitet: für jede Fahrtrichtung gibt es eine eigene Umleitung. Die umliegenden Gemeinden beklagen eine erheblich stärkere Verkehrsbelastung. Eiligst wurde eine Behelfsausfahrt gebaut, um die Anzahl der betroffenen Orte zu reduzieren. Bedarfsampeln sollen eine sichere Fußgängerquerung und stationäre Radarkontrollen die Einhaltung der Tempolimits gewährleisten.

Das Schweriner Verkehrsministerium rät zu weitreichenden – und zeitintensiven – Umfahrungen bis hin zur westlich gelegenen A19. Dies richtet sich vor allem an den Lkw- und Schwerlast-Verkehr, der die ortsnahen Umleitungen nicht nutzen kann. Die Sorgen der Tourismusverantwortlichen im Osten Mecklenburg-Vorpommerns mindert das nicht: Sie fürchten, dass in der Region um die Ostsee-Inseln Rügen und Usedom die dort dringend benötigten Urlaubsgäste ausbleiben könnten.

Reparatur könnte vier Jahre dauern

Die Bilder aus Tribsees erinnern an ein massives Sinkloch im japanischen Fukuoka. Im Jahr 2016 hatte sich dort während Bauarbeiten am U-Bahn-Netz ein rund 30 mal 30 Meter großes Erdloch mitten in der Stadt aufgetan. In nur sieben Tagen behob man damals in Japan alle Schäden. Ein entsprechendes Zeitraffer-Video der Reparaturarbeiten wurde ein Internet-Hit.

In Tribsees wird man sich wohl in Geduld üben müssen. Aktuell steht gerade mal der Zeitplan für die europäische Ausschreibung von Planungsleistungen für die Reparatur. Laut einer Ministeriumssprecherin können sich Planungsfirmen bis zum 22. Februar bewerben. Es folgen sechs Wochen, in denen die Bewerbungen ausgewertet werden. Anschließend würden drei Büros ausgewählt, die innerhalb von 30 Tagen ein detailliertes Angebot abgeben sollen. Bis hin zum Zuschlag werde es dann sechs Wochen dauern. Wenn keiner der unterlegenen Bieter klage, könne der Zuschlag voraussichtlich im Juni erteilt werden. Dann kann geplant werden. Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) geht von einer Wiederherstellung der Autobahn bis zum Jahr 2021 aus. (mit dpa)

Severin Sperzel

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