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Ekliges Unterfangen. Bei einer verstopften Wasserpumpe müssen die Mitarbeiter Hand anlegen. Von allein lösen sich die festen Klumpen, die wie eine Barriere wirken, nicht auf. An Alternativen wird geforscht.

© Stefan Gerlach

Wasserbetriebe und verstopfte Pumpen: Verklumpt und blockiert

Feuchttücher, achtlos in der Toilette entsorgt, verstopfen Wasserpumpen. Mitarbeiter des TU-Fachgebiets Fluidsystemdynamik suchen Auswege

Wieder einmal meldet die Messtechnik den Forschern der TU Berlin, dass die Pumpe der Berliner Wasserbetriebe in Lichtenberg verstopft ist. Mitarbeiter des TU-Fachgebiets Fluidsystemdynamik klauben schließlich einen weißlichen, stinkenden Klumpen aus der rund einen halben Meter großen Pumpe. Schon der erste Blick verrät den Wissenschaftlern die Ursache der Verstopfung: Wie erwartet haben sich wieder einmal etliche Feuchttücher und andere Materialien zu einer wirren Masse verknotet und so die Pumpe blockiert. Hauptübeltäter sind Feuchttücher, die immer wieder achtlos die Toilette hinuntergespült werden. Sie verstopfen nicht nur in Berlin, sondern in vielen Teilen der Welt die Abwasserpumpen und verursachen so gewaltige Kosten, die letzten Endes die Allgemeinheit bezahlen muss.

In Lichtenberg machen sich die TU-Forscherinnen und -Forscher daran – durch Brillen, Mundschutz und Handschuhe geschützt – den Klumpen in der Pumpe zu analysieren. Gründliches Wässern schwemmt diverse lösliche und weiche Bestandteile aus dem Knäuel, ein Desinfektionsmittel bekämpft womöglich enthaltene Krankheitserreger. Die entwirrten und sortierten Bestandteile des so grob gereinigten Klumpens schicken die Wissenschaftler dann an ein Textillager in Sachsen, das seine Bestandteile genauer unter die Lupe nimmt.

Vliesstoffe zersetzen sich nicht

Der Laborbericht verzeichnet dann normalerweise die typischen Textilfaser-Eigenschaften von Feuchttüchern, die auf keinen Fall in der Toilette entsorgt werden dürfen. Normales Toilettenpapier bereitet dagegen kaum Probleme, es löst sich relativ rasch auf. Bei Vlies- oder gar Kunststoffen sieht die Situation anders aus; das Material zersetzt sich nicht. Das Problem wird immer größer. „In Berlin landen täglich mehrere Tonnen der Feuchttücher in der Kanalisation“, so der Leiter des TU-Fachgebiets Fluidsystemdynamik, Professor Paul Uwe Thamsen.

Verstopfte Pumpen sind natürlich kein Phänomen, das erstmals im 21. Jahrhundert beobachtet wurde. Allerdings hat sich die Produktion der Feuchttücher in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Damit häufen sich auch Probleme mit Ablagerungen in Pumpen und Abwasserkanälen. Die Beseitigung der Schäden kostet riesige Summen. Da die Klumpen in den Pumpen offensichtlich zum weit überwiegenden Teil aus Feuchttüchern bestehen, plädieren viele Abwasserbetreiber mittlerweile für ein Verbot solcher Produkte.

Kosmetiktücher sollten immer im Hausmüll landen

Allerdings gibt es durchaus unterschiedliche Feuchttücher. So werden feuchtes Toilettenpapier und einige Tücher zur Pflege des Intimbereiches und zur Desinfektion von Toiletten mit dem Aufdruck „spülbar“ verkauft. Mit sieben unterschiedlichen Tests der Industrieverbände können die Hersteller prüfen, ob ihr Produkt schadlos in der Toilette entsorgt werden darf. Allerdings sind diese Tests nicht verpflichtend. Und ob eine ähnliche Zersetzung des Stoffes wie im Prüflabor auch in der Kanalisation stattfindet, ist bisher kaum untersucht.

Zudem gibt es noch jede Menge Feuchttücher für Babys und zum Reinigen im Haushalt oder sogenannte Kosmetiktücher, die mit dem Label „nicht spülen“ in den Handel kommen. Sie sollten immer im Hausmüll landen. Offensichtlich aber spülen viele, die ihr Baby im Bad wickeln und es mit einem Feuchttuch abwischen, das so benutzte Produkt doch durch die Toilette in die Kanalisation. Das ist besonders verwerflich, weil diese Tücher sehr häufig einen hohen Anteil Kunstfasern enthalten.

Tests zeigen, wie Pumpen mit Textilien fertig werden

Aus welchen Bestandteilen aber bestehen nun die klumpigen „Zöpfe“, die im realen Abwassersystem die Pumpen verstopfen? „Um das herauszubekommen, versuchen wir die Klumpen in ihre Bestandteile zu zerlegen und zu sortieren“, erklärt TU-Forscherin Raja-Louisa Mitchell. Entsprechende Proben enthalten dann oft Babyhygienetücher und Tampons. Daneben untersuchen die Forscher an einem speziellen Prüfstand, was spülbare und nicht-spülbare Feuchttücher in einer Pumpe anrichten. Eine Umfrage bei den Betreibern im ersten Vierteljahr 2018 erkundete, welche Probleme ihnen Feuchttücher bereiten und wie groß die dadurch angerichteten Schäden sind. Vor allem Feuchttücher für Babys, so stellte sich heraus, landen statt im Hausmüll doch in der Toilette.

Auch wenn die TU-Forscherinnen und -Forscher viele ihrer Daten noch auswerten müssen, haben sie bereits technische Maßnahmen untersucht, die einen Teil der Probleme lösen helfen. „So haben wir einen Test entwickelt, der zeigt, wie gut oder schlecht eine Pumpe mit Textilien fertig wird“, erklärt Paul Uwe Thamsen. Eine zweite Methode hilft, verstopfte Pumpen automatisch zu reinigen. Dazu dreht die Pumpe kurze Zeit rückwärts und löst so die Verstopfung. Anschließend kann die stinkende Brühe samt gelockerten Feuchttüchern weiter befördert werden. Diese Verfahren wenden etliche Abwasserbetreiber in Mitteleuropa und anderen Weltregionen bereits an. Jetzt warten sie gespannt auf die zukünftigen Ergebnisse der TU-Forscher.

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