zum Hauptinhalt
Oase der Ruhe: Galeria Kaufhof am Alexanderplatz.

© dpa

Ortsbesuch bei Kaufhof: Kundschaft? Die wuselt vor der Tür über den Alex

Bei Karstadt räumt ein Verkäufer Staubsauger von hier nach da, bei Kaufhof herrscht fast himmlische Ruhe. Ein Stimmungsbild aus den Warenhäusern Berlins.

Berlin - Die Krise ist sichtbar, auch wenn es auf der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg zugeht wie immer. Wie immer hetzen die Menschen in dieser ersten Fußgängerzone Berlins umher, von Geschäft zu Geschäft, wie immer hält irgendein Wanderprediger eine Rede gegen die Sünde, wie immer hat der jugendliche Berufsbettler an der Ecke zur Pestalozzistraße seinen Arbeitsplatz eingenommen. Und gegenüber dem Bettler steht auch Karstadt noch, das älteste Berliner Warenhaus, 1906 als Kaufhaus Graff und Heyn eröffnet. Aber nun fusioniert Karstadt mit Kaufhof, dem jahrzehntelangen erbitterten Konkurrenten.

Drinnen im Kaufhaus geht gar nichts an diesem normalen Wochentag um die Mittagszeit. Karstadt wirkt wie eine Geisterstadt, eher verlassen als gut besucht. Dabei ist das Sanierungskonzept von Vorstandschef Stephan Fanderl aufgegangen: Für das Geschäftsjahr 2016/2017 wies das Unternehmen mit seinen 79 Warenhäusern erstmals seit zwölf Jahren unter dem Strich wieder einen Gewinn aus. Allerdings zulasten der Belegschaft, die im Vergleich zu den Kollegen des Kaufhof 12,6 Prozent weniger Gehalt in ihrer Lohntüte findet. Das birgt nach der Fusion gewaltiges Konfliktpotenzial.

Der Gang durch alle Abteilungen ist ein einsamer Gang

Die Belegschaft aber steht etwas ratlos und gelangweilt herum, Kunden sind ja auch kaum zu versorgen. Der Verkäufer in der Elektroabteilung räumt Staubsauger von hier nach da, sie standen hier so gut wie da. Kurz leuchten die Augen auf, als er angesprochen wird, ermüden aber wieder, als er erfährt, dass da kein Kunde vor ihm steht, sondern ein Reporter auf der Suche nach der Stimmungslage. Das erwartbare Ergebnis: „Ach nein, ich möchte dazu gar nichts sagen.“

Die Verkäuferin in der Matratzenabteilung ist schon gesprächiger: „Wir haben keine Weisung bekommen, es wurde uns nichts diktiert, aber sagen möchte ich nichts dazu. Gehen Sie doch in die Personalabteilung, ich bringe Sie hin.“ Dort sitzt Torsten Dunkelmann. Der verweist auf die Presseabteilung des Konzerns mit Sitz in Essen, „so haben wir uns committed“, springt hinter seinem Schreibtisch auf und weist zur Tür. Aus der Konzernspitze heißt es, dass man moderner werden wolle, deswegen wahrscheinlich die Ausdrucksweise.

So geht das also nicht. Man ahnt die triste Stimmung, man fühlt sie, aber mehr auch nicht. Noch ein Gang durch alle Abteilungen, es ist ein ziemlich einsamer Gang, und vor dem Stand mit den Herrenhemden kommt unmittelbar ein Verkäufer gelaufen und bietet seine Unterstützung an, das kommt einem in der Erinnerung an frühere Zeiten doch sehr ungewöhnlich vor.

Gegenüber von Karstadt befinden sich die Wilmersdorfer Arkaden, eine Mall mit etlichen Billigketten, der Post und dem Abholschalter für Pakete. Davor ist die Schlange lang und eine kleine Umfrage unter den Wartenden ergibt, dass mehr als die Hälfte hier ihre Pakete aus dem Online-Handel abholen will. Es ist wohl keine allzu wüste Spekulation, dass hier eine Erklärung für die Krise der Kaufhäuser zu finden ist.

Rückzug in die Defensive – was in diesem Fall heißt, die Galeria Kaufhof am Alexanderplatz inkognito zu besuchen. Dass der Alex einer der wuseligsten, belebtesten, krakeligsten Plätze Berlins ist, weiß man ja. Dass es auf ihm eine Oase der Ruhe gibt, fast einen Raum der Stille, eher nicht. Wenn man von der S-Bahn kommend den Weg gefunden hat durch all die Trommler und Marktschreier, durch das Gesumme des Stimmengewirrs, durch die Menschenmenge, und wenn man dann die Türe öffnet zum Kaufhof und drinnen ist, herrscht plötzlich Ruhe, nahezu himmlische Ruhe.

"Die Fusion? Ist doch nur Mediengeschrei."

Kundschaft? Die wuselt draußen über den Alex. Ein paar anorektische Schaufensterpuppen stehen herum, vergoldet, tragen Bikinis zur Schau, haben aber wie alle Puppen im gesamten Laden keine Gesichter, keine Konturen. Man mag das als Überinterpretation einstufen, aber irgendwie passt es ins trostlose Gesamtbild. Gerade der Kaufhof kämpft ums Überleben. Seit der Übernahme durch den nordamerikanischen Handelskonzern Hudson's Bay Company (HBC) Ende 2015 verzeichnet die Kette Umsatzrückgänge und schreibt rote Zahlen. Im „Dinea“, dem Restaurant im obersten Stockwerk, haben sie am Ende des Büfetts – Bedienungen gibt es hier nicht mehr – fünf Kassen aufgebaut. Davon sind vier nicht besetzt und die Wartezeit an der fünften Kasse ist mit knapp zwei Minuten sehr überschaubar. 20 Cent Rückgeld für den Kaffee: „Ach, lassen Sie mal, Ihnen geht es ja wahrscheinlich gerade nicht so toll.“

Der Kassierer, ein mürrischer Mann kurz vor dem Renteneintritt, schaut auf: „Ach, meinen Sie wegen der Fusion? Ist doch alles nur Mediengeschrei.“ Na ja, was man so liest, liest sich doch nicht so lustig für die Angestellten. „Ich habe keine Angst“, sagt der Mann, zumindest trotzig. Aber ist der auch realistisch mit seiner Einschätzung?

Das gleiche Bild beim Kaufhof in Hohenschönhausen, bei Karstadt am Hermannplatz. Unten im Untergeschoss sitzen ein paar Frühtrinker vor ihrem Bier. Aber die reichen nicht aus, um den Zapfer auszulasten, der daddelt lieber am Spielautomaten. Die bevorstehende Fusion beschäftigt ihn nicht weiter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false