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Joachim Löw musste am Mittwoch die größte Niederlage seiner Bundestrainer-Karriere hinnehmen.

© AFP

Vorrunden-Aus bei der WM 2018: Die Ära von Joachim Löw steht vor dem Ende

Kaum jemand hat den deutschen Fußball so verändert wie Joachim Löw. Seine Visionen brachten 2014 den WM-Titel. Doch von diesem Mann war in Russland nichts zu spüren.

Ganz am Ende, als seine Mannschaft kein Tor mehr zu Wege gebracht hatte gegen Südkorea, senkte Joachim Löw seinen Kopf. Und es wirkte auf viele so, als hätte einer den Daumen gesenkt. Es ist vorbei.

Noch einmal ist der Bundestrainer in die Kabine zu seiner Mannschaft gegangen, in der es still war. „Wir fallen jetzt erst einmal alle in ein Riesenloch“, sagte Oliver Bierhoff, der als einer der ersten Worte fand. Der Team-Manager sagte aber auch, dass er davon ausgehe, Joachim Löw werde nach dem WM-Sommer, der für die Deutschen so früh und krachend endete, die „Dinge wieder richtig“ angehen.

Genau das ist eine der zentralen Fragen, die schwer hingen über diesem Abend von Kasan, der als ein historischer Tiefpunkt in die Geschichte des deutschen Fußballs eingehen wird. Kann Löw noch einmal zurückkehren und die Kraft und die Lust aufbringen, weiter zu machen? Wird er dafür die Akzeptanz finden, oder wird er nach einer überlegten Nacht von selbst die Konsequenzen aus diesem grandiosen Scheitern ziehen? Denn gescheitert ist auch er.

„Ich brauche ein paar Stunden“, sagte Löw. Er sei geschockt. Dann ging der Bundestrainer in die Nacht.

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Aber war er das eigentlich noch, der Trainer dieser Mannschaft? Er war irgendwie ein anderer geworden, der da Russland an der Seitenlinie gestanden und geschrien, geflucht und wie wild gestikuliert hat. Er wirkte ratlos, hilflos und, ja, auch ein bisschen machtlos. Das war schon im ersten Gruppenspiel gegen Mexiko so, danach gegen die Schweden und jetzt an diesem verhängnisvollen Mittwoch, als es für den Fußballweltmeister gegen Südkorea nicht mal für ein Tor reichte.

Noch nie seit 80 Jahren ist eine deutsche Fußballnationalmannschaft so früh bei einer WM ausgeschieden.

Löw wirkt vom Team entkoppelt

Dass dieses Schicksal auch drei der vier vergangenen Weltmeister vor den Deutschen ereilte, wird die deutsche Fußballseele nicht trösten können. Das Aus nach der Vorrunde wird als das in die Geschichte des deutschen Fußballs eingehen, was es war – eine riesenhafte Enttäuschung, für viele auch eine nationale Schmach.

Joachim Löw war in Russland angetreten, um etwas zu erreichen, woran alle bisherigen deutschen Weltmeistertrainer – Herberger, Schön und Beckenbauer, der es jedoch gar nicht erst versuchte – gescheitert sind: Die erfolgreiche Titelverteidigung.

Vor vier Jahren in Brasilien dirigierte ein Mann die deutsche Mannschaft am Spielfeldrand zur Weltmeisterschaft, der als Macher daherkam. Joachim Löw hat seit seiner Amtsübernahme nach der WM 2006 ein Team geformt, das Fußball nicht mehr nur kämpfen, sondern auch zelebrieren konnte. 2014 war der Höhepunkt der Karriere. Doch seither hat sich Löw immer mehr als Entwickler und Visionär gesehen – und dabei offensichtlich die tägliche Trainerarbeit aus den Augen verloren. Er wirkte von seiner Mannschaft entkoppelt. Und müde. In einem Interview, das er dem „Kurier“ in Österreich während der WM-Vorbereitung gegeben hat, sprach Löw erstmals davon, wie ausgebrannt er nach der Pokalnacht von Rio war – und dass er seine Spieler nicht mehr erreicht habe.

Zwölf Jahre hat der 58-jährige Schwarzwälder der wichtigsten deutschen Mannschaft vorgestanden. Bei allen Turnieren hat Löw mit ihr mindestens das Halbfinale erreicht. Bis jetzt. An diesem lauwarmen Spätnachmittag ist in der Tatarenstadt Kasan etwas zu Ende gegangen, vielleicht sogar kaputt.

Ganz unabhängig davon, dass der DFB-Präsident selbst für diesen Fall, den Gau, angekündigt hat, an Löw als Bundestrainer festhalten zu wollen. Obwohl Reinhard Grindel Löws Vertrag vor der WM erst bis 2022 verlängert hat. Allein – es ist schwer vorstellbar.

Joachim Löw ist es nicht gelungen, wieder eine Mannschaft zu formen, die ein Ganzes war. Die Deutschen zeigten unter ihm in Russland ungewohnte Schwächen, sie wirkten überfordert und träge. In gewisser Weise hat genau dies auch auf ihren Trainer zugetroffen. Joachim Löw ist ein anderer geworden.

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