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Speisen im Bar-Ambiente. Das Restaurant "Rossi" im gleichnamigen Hotel in Berlin-Mitte.

© Hotel Rossi/promo

Von Tisch zu Tisch: Rossi

In diesem Restaurant arbeiten Menschen mit Behinderung. Der Service ist nicht perfekt, aber herzlich und das Essen gut.

Das Restaurant Rossi ist offensichtlich noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten angekommen. Ambition ist da, keine Frage. Außerdem kann man kaum irgendwo mit besserem Gewissen essen als in diesem inklusiven Restaurant, das nicht nur regionale und saisonale Produkte unter anderem aus einer SOS-Dorfgemeinschaft serviert, sondern Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen beschäftigt. Das Ambiente ist hübsch, geprägt von eng aneinandergefügten Holzstäben, raumhohen Fenstern zur geräumigen Terrasse und einer verglasten Showküche.

Hier ist der Service nicht perfekt. Der Löffel kam nach der Suppe, der Wein vor dem Aperitif, das Wasser wurde, anders als bestellt, zunächst sprudelnd herbeigebracht, und der Fisch war auch nicht gerade der ursprünglich bestellte. Aber die aufrichtige Reue, die charmante Herzlichkeit, mit der jeder einzelne Fehler, den wir anmahnten, sofort korrigiert wurde, legte sich wie ein kühlendes Pflaster auf manche Wunde, die bei mir früher schon mal schnöselige Kellner geschlagen hatten. Was ist schon normal? Dass ein geschulter Profi mit Arroganz einen Gast für sein eigenes Versagen abstraft, wie ich es anderswo gelegentlich erlebt habe? Dann schon lieber ein bisschen vergesslich oder auch schusselig, aber eben nett.

Charme hat auch die Speisekarte in Gestalt einer Zeitung: das „Rossi Food Journal“. Man erfährt darin auch einiges über das Ausbildungsprogramm des angeschlossenen Hotels.

Die Portionen sind ausreichend für Männer nach der Gartenarbeit

Vorweg gab es zum Baguette gutes Gänseschmalz, Kräuterbutter und einen Mango-Chili-Dip. Als Amuse Gueule wurde ein Porzellanlöffel mit kalter Gänsebrust und Gänseschmalzgelee aufgetragen. Der Schwarzwurzelsalat mit grünen Bohnen, Minze und süßlich eingelegtem Chicoree hätte auch drei Leute satt machen können. Schneeweiß und köstlich war das Gemüse, auf dem tiefrote Bete-Chips thronten, alles war geschmacklich gut aufeinander abgestimmt (8 Euro). Die Rinderkraftbrühe war ebenso großzügig portioniert, verlangte zwar nach etwas mehr Salz, enthielt aber viel frisches Gemüse und (teils etwas zähe) Fleischwürfel. Kräftig, aber gekonnt gewürzt war das appetitliche, zarte Zanderfilet. Dazu gab es krosses Kartoffelstroh, betenrot gefärbte Blumenkohlröschen und weißen Blumenkohlschaum (16 Euro). Sehr zart war auch die geschmorte Hirschkalbskeule mit einer kräftigen Sauce, reichlich Preiselbeeren, vielen zartgrünen, bissfesten Rosenköhlchen und einem köstlichen, weichen, leicht angebräunten Topinambur-Gratin. Auch diese Portion war von der Größe her entworfen für Männer nach der Gartenarbeit.

Am Abend werden die Tische schon für Frühstücksgäste eingedeckt

Der Sekt „Schloss Rheinberg“ hat so liebliche Anklänge, wie man sie von manchen Familienfeiern mit einem großen Anteil älterer Menschen kennt (2,70 Euro). Der „50 Grad“-Riesling schmeckte hingegen richtig erfrischend zu dem kräftigen Mahl. Das wirkte letztendlich nicht mal sonderlich schwer, weil Sättigungsbeilagen wie Süßkartoffel-Pommes Frites extra dazu bestellt werden können, oder auch eben nicht, eine kluge Option. Einfallsreich ist die Kinderkarte. Neben den verbreiteten Nudeln mit Tomatensauce und Fischstäbchen gibt es zum Beispiel Sandwich oder „Arme Ritter“.

Was könnte man besser machen? Um Viertel nach Acht ist der Tag hier offenbar schon zu Ende, obwohl das Restaurant offiziell bis 22 Uhr geöffnet ist. Kurz nachdem die Hauptgänge raus waren, erlosch in der Küche das Licht. An Desserts wie Apfel-Charlotte mit Honig und Rosmarin oder Tonkabohnen-Crème-Brulée mit Walnusseis, die uns durchaus noch gereizt hätten, war nicht mehr zu denken. Viele Tische waren schon fürs Frühstück gedeckt, kaum noch Gäste.

Das kann man doch ändern, indem man Flyer in den umliegenden Hotels verteilt. Oder im Internet klar sagt, wann die letzte Bestellung entgegengenommen wird. Ich habe schon perfekter gegessen, aber dieser Abend hat mich wieder eindrücklich daran erinnert, dass es nicht nur auf Perfektion ankommt.

Rossi, Lehrter Straße 66, Mitte, Tel. 330993800, geöffnet täglich von 11.30 bis 22 Uhr. Weitere Beiträge zu gutem Essen und Trinken finden Sie auf unserer Genuss-Themenseite.

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