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Die "Jungfernmühle" in Buckow bietet gute schwäbische Küche am Rande der Gropiusstadt.

© promo/Wiesenstein Speisenmeisterei

Von Tisch zu Tisch: Jungfernmühle

Ein pittoresker Ort in Buckow, an dem es sich hervorragend schwäbisch und – Steigerung! – urschwäbisch tafeln lässt.

Die Jungfernmühle ist ein perfektes Überraschungsziel für die Tour „Berlins unbekannte Seiten“. Man fährt nach Neukölln, wo der typische Mitte-Bewohner wahlweise Gangster- oder aber Hipsterlokale erwartet. Und dann taucht in einem gutbürgerlichen Wohnviertel plötzlich, wie eine Fata Morgana, eine alte Mühle auf, umgeben von Backsteinhäuschen, die einen malerischen Innenhof formen.

Das Restaurant, von der Wiesenstein-Gruppe übernommen und komplett entrümpelt, wurde erst im März wiedereröffnet. Dass es sich um Berlins älteste Mühle handelt, merkt man dem hübsch renovierten Gebäude nicht an. Helle Tische und Bänke, maigrüne Zellstoffservietten mit Bestecktaschen wirken freundlich, ebenso wie der Kellner, der mit Grandezza und eindeutigem Akzent den Appetit zunächst auf Antipasti trimmt. Hier hat man die Auswahl zwischen schwäbischen oder urschwäbischen Gerichten. Die Pasta heißt hier Spätzle. Und der Kellner ist ein Import aus Moabit. Es gibt eine freundliche Bar, und früher oder später wird man drauf gestoßen, dass sich die­se Räume perfekt für Feste eignen, ungefähr zwischen 40 und 90 Personen finden Platz.

Ravensburger Anmutungen am Rande der Gropiusstadt

Dem doch etwas zögernd moussierenden Prosecco (3,50 Euro) folgten gute offene Weine, die sich hier als Aperitif besser eignen dürften. Man könnte zum Beispiel mit einem halbtrockenen Rosé aus der Remstalkellerei beginnen (0,2 l zu 4,30 Euro), dann zum Hauptgang einen weißen Schwäbischen Landwein desselben Erzeugers trinken (0,25 l zu 4,10 Euro) und stilecht mit einem trockenen Trollinger von Rainer Schnaitmann (0,2 l zu 4,90 Euro) zum Käse oder zum Dessert übergehen. Die sind alle sorgfältig ausgesucht. Ravensburger Anmutungen am Rande der Gropiusstadt. Das gibt’s eben auch nur in Berlin. Der kräftigen Rinderbrühe mit Kräuterflädle merkt man das besondere Charisma schon beim ersten Löffel an. Der Mmmhh-Effekt ist vermutlich Peter Frühsammer zu danken. Der Altmeister der Berliner Sterne-Landschaft hat hier Starthilfe gegeben. Jedenfalls war die Ansage des Kellners, seine „Mamma“ habe das köstliche Süppchen gekocht, sofort von einem anderen Mitarbeiter mit dem Hinweis dementiert, dann müsste die „Mamma“ schon Andrzej heißen.

Erstklassig: die Linsen mit Saitenwürstle und Spätzle

Nicht so ganz schwäbisch wirken die Weinbergschnecken, aber vielleicht sind sie vom Baden-Württemberg nahe gelegenen Frankreich inspiriert. Die sechs Schnecken waren hübsch angerichtet auf Kartoffelpüree-Blüten, die sich rings um einen Gemüsekern mit knusprigen Röstzwiebeln reihten. Je mehr sich der Teller leerte, desto sichtbarer wurde die Kräuterbutter. Knoblauch war schon auch dabei, aber eben nicht zu viel (12,50 Euro). Es gibt die Vorspeise übrigens auch in einer Variante mit Huhn auf Püree, die uns leider aufgrund eines Missverständnisses entgangen ist.

Aus der Abteilung „urschwäbisch“ probierten wir die Linsen mit Saitenwürstle und Spätzle. Die waren tatsächlich besser, als ich sie sonst wo in Berlin gefunden habe: kleine dunkle Linsen, mit Gemüse und Gewürzen aufgewertet, als weltläufige Begleitung zu hausgemacht schmeckenden Spätzle. Dazu passten zwei zarte, rosige, qualitativ hochwertige Würstchen mit dem gutem Metzger-Geschmack, der für den Laien leicht zu erkennen ist am Fehlen aufdringlicher Würzmischungen (11,50 Euro). Sehr gut war auch die Maishühnchenbrust auf einem Bett blattgrüner Bärlauchspätzle, die nicht nur zur Jahreszeit passen, sondern auch exzellent schmeckten. Die feinen, weißen Würfel Rahmkohlrabi rundeten das frühlingshafte Gericht hervorragend ab (18,50 Euro).

Zum Dessert gab es fluffige Quarkmousse mit dem gewissen Extra an Würzung, die vorbildliche Leichtigkeit mit einem soliden geschmacklichen Fundament abfederte. Perfekt machte sich dazu der pittoresk über den Teller drapierte Rhabarber (8,50 Euro), der in enger Konkurrenz steht zum hausgemachten Schokoladenpudding. Ein schöner, irgendwie verwunschener Ort ist das, den man in heiterer Stimmung verlässt.

Jungfernmühle, Wiesenstein Speisemeisterei, Goldammerstr. 34, Neukölln, Tel. 79785750, Di-Fr 16-23, Sa/So 12-23 Uhr.

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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