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In der Brasserie Lumières in Schöneberg kann man auch auf Französisch bestellen, man muss aber nicht.

© promo/Johanna Wittig

Von Tisch zu Tisch - die Restaurantkritik: Französischen Akzent gibt es gratis dazu

Die Brasserie Lumìeres ist ein Lokal mit sehr aufmerksamem Service und ambitionierter, manchmal sehr deftiger Küche.

Das Licht ist gelblich wie von Gaslaternen. Es wirkt zwar nicht übertrieben gemütlich, aber dafür weckt es Assoziationen, sagen wir: zwischen Pariser Markthalle und Erichs Lampenladen. Die schmiedeeisernen Leuchten, die dem Raumschlauch mit den hohen Decken etwas von Bohème verleihen, sind aus einem dekonstruierten Kronleuchter entstanden, der einst im Zeughaus strahlte. Dazu edle Holztische und Stühle mit Lochmuster-Sitzkissen. An den Wänden Poster, Zeichnungen und Menükarten. Bei den Kellnern dominiert ein charmanter französischer Akzent.

Der Crémant Rosé hat eine schöne Farbe und perlt fröhlich in fruchtigen Geschmacksnoten. Zum knuspernd frischen Graubrot gibt es einen streichzarten Klecks Zitronen-Thymian-Butter. Und die Zwiebelsuppe wird aus einer kleinen Porzellankanne mit Raffinement am Tisch aufgegossen. Etwas Zwiebelgelee gehört dazu, ein Stängelchen Lauch und zwei Minibriochesandwiches mit Gruyère (8,90 Euro).

Wie viele Veganer-Karrieren haben mit Schnecken begonnen?

Die Schnecken waren für mich eine kleine Enttäuschung, weil etwas zäh in der Konsistenz. Sie wurden auf Blattsalat zusammen mit zwei, in dunkler Kräutercamouflage gewälzten Knochen mit Knochenmarkhäubchen serviert – sicher nicht jedermanns Geschmack. Eigentlich schmecken Schnecken ja vor allem dann, wenn sie als Entschuldigung dienen, frisches Baguette in Knoblauch-Kräutersauce zu tunken. Glücklicherweise blieb nicht allzu viel Zeit bis zum Hauptgang, in der man darüber hätte nachdenken können, wie viele Veganer-Karrieren wohl mit dem Verzicht auf Schnecken begonnen haben.

Der Service gefiel mir auch deshalb so gut, weil er jede Frage ernst nahm und sich in der Küche erkundigte, wenn er selber die Antwort nicht wusste. Vom Tagesangebot auf der Schiefertafel wählten wir Lammrücken in Anchoviskruste mit Couscous, Paprika und Kohlrabi. Das Fleisch war zart und tiefrosa gebraten, und die Kruste dazu schmeckte köstlich. Gemüse und Couscous waren nicht ganz so akzentuiert gewürzt, erfüllten die Funktion der Beilage aber mit Verve (22,50 Euro).

Viel Fleisch und wenig Sauerkraut

Sauerkraut mit Kartoffelpüree sind immer ein Lieblingswinteressen. Choucroute wird hier dargeboten in der Variante gerösteter Kohl mit gebratenen Pilzen und geräucherter Crème Fraiche. Fleisch kann man extra dazu bestellen. Leider stimmte das Verhältnis von Fleisch zu Beilagen überhaupt nicht. Den tiefen Teller dominierten zwei dicke Scheiben vom gegrillten Schweinebauch und drei Scheiben Blutwurst, darunter verbargen sich ein guter Löffel geröstetes Kraut, das recht gut schmeckte und allenfalls erahnbare Spuren von Kartoffelschnee unter sich begrub. So erschlug das Fleisch das Kraut, das doch eigentlich die Hauptrolle hätte spielen sollen. Da stimmten die Proportionen nicht. Der Creme Fraiche hat das Räuchern übrigens nicht geschadet (21,90 Euro).

Schoko-Ingwerkuchen, Brombeer-Sorbet mit Crunch

Petits Fours zum Dessert wirken immer genial, weil man meistens noch eine süße Kleinigkeit naschen möchte. Hier kam in zwei hübschen Glasschalen eine Auswahl der vorhandenen Desserts. Der Schoko-Ingwerkuchen schmeckte saftig und gut, das Brombeer-Sorbet in Begleitung von Crunch verriet viel von der Frucht, aus der es gemacht war, etwas Apfelchutney, Spuren von Cheesecake und eine halbe pochierte Rotweinbirne bewiesen Vielfalt und Kreativität (5 Euro). Sehr gut gefiel mir die Weinkarte, die Frankreich feiert. Der 2017er provencalischen Rosé Lumière (Estandon) war trotz seiner zarten Lachsfarbe ein herrlich kräftiger und fruchtiger Begleiter zum Essen (28 Euro).

Fazit: Auf dem Weg in höchste Höhen wird Kunst manchmal nur Kunstgewerbe. Etwas weniger Ehrgeiz würde vermutlich noch gleichmäßigeres Licht auf die Teller bringen.

Brasserie Lumières, Potsdamer Str. 102, Schöneberg, Tel. 52 10 13 65, Mo und Mi – Fr 17 – 24, Sa und So 10 – 24 Uhr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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