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Fisch, frisch aus der Eistheke. Das "Seaside" in Mitte.

© Kai Röger

Von Tisch zu Tisch - die Restaurantkritik: Fisch, so saftig wie die Preise

Mit dem "Seaside" in Mitte kehrt Opas Fischrestaurant trendig zurück und schließt eine Lücke – aber der Spaß kostet viel Geld.

Ein schönes Wort: Fischrestaurant. Aber was ist das eigentlich? In grauer Vorzeit waren das die einzigen Gastronomiebetriebe, die Fisch ins Binnenland brachten, bevor er total vergammelt war. Dann ging es bergab mit ihnen in Richtung Tiefkühlung und Friteuse, bis schließlich das ganze Modell ausstarb. „Sie wollen guten Fisch essen?“ sagten wir, „dann gehen Sie in ein gutes Restaurant und bestellen Fisch.“

Diese Regel funktioniert aber leider kaum noch, weil die meisten guten Restaurants nur noch ein Menü anbieten, in dem Fisch und Meeresfrüchte, wenn es hoch kommt, in zwei Gängen eine kleine Rolle spielen – ein ordentliches Stück Fisch, nach Wunsch gebraten und ohne viel Getue serviert, gibt es dort längst nicht mehr.

Genau das aber hat nun eine Marktlücke eröffnet. Eine kleine, zugegeben, denn guter, frischer Fisch ist höllisch teuer geworden, das ist ja einer der Gründe für seine Miniaturisierung im Sterne-Sektor. Der Trend- Champion The Duc Ngo lässt ihn im „Funky Fisch“ zelebrieren, und auch das trubelige „Seaside“ mitten in Mitte bietet ihn in erstaunlicher Vielfalt: Dorade, Wolfsbarsch, Seezunge, Steinbutt, Seeteufel ...

Man wählt direkt aus der Theke: Dorade, Wolfsbarsch, Seezunge, Steinbutt ...

Der Witz hier: Man bestellt selbst an der Kochtheke, lässt sich die Stücke zuschneiden und abwiegen, wobei dann auch gleich der Schock über die spätere Rechnung durchlitten wird: Filet von der rosa Dorade zum Beispiel kostet 180 Euro pro Kilo, die gleiche Summe ist fällig für eine kleine, unfiletierte, aber immerhin abgezogene Seezunge. Gemessen am Einkaufspreis ist das nachvollziehbar, wenn auch nicht gerade barmherzig. Beilagen und Soßen können hinzubestellt werden, müssen aber nicht.

Das Wichtigste: Die Küche geht sorgfältig um mit der kostbaren, wirklich frischen Ware. Sie wird durchweg auf einer simplen Grillplatte gebraten, und das sehr genau. Wir bestellten Seezunge, Steinbuttkotelett und Doradenfilet zum Teilen, und jedes der kochtechnisch sehr unterschiedlich zu behandelnden Stücke war mindestens so saftig wie der Preis von insgesamt, nun ja, rund 82 Euro. Herausragend fanden wir den Gurkensalat mit Ingwer und Koriander, aber auch die Rosmarinkartoffeln und das Ofengemüse (je um 4 Euro) schmeckten prima.

Auch die Vorspeisen bestehen aus Fisch & Co.

Auch die angebotenen Vorspeisen bestehen, Salate mal ausgenommen, aus Fisch & Co. Vier kurz und kross gebratene Jakobsmuscheln, auch nur leicht mit zwei dezenten Pürees und etwas Grünkohl begleitet, kosteten 19,50 Euro, Lachs-Sashimi war für 15,50 zu haben, es gibt auch Ceviche und einen Burger von der Königskrabbe. Zum Abschluss Creme brulée mit Tonkabohnenaroma, Birnenpüree und Feigensorbet sowie ein halbflüssiger Schokoauflauf im Glas mit tollem Himbeersorbet für je 7,50 – das passte und schmeckte keineswegs nach Convenience, wie wir befürchtet hatten. Dazu von der recht kleinen, aber sehr interessant bestückten Weinkarte: Steinpoint Chardonnay von Malat/Kremstal für 36 Euro. Geht doch!

Ein Abendessen zu zweit kommt hier locker auf 200 Euro

Wäre noch hinzuzufügen, dass dieses, hohe, verglaste und schlicht maritim eingerichtete Restaurant eine attraktive und gefragte Lunch-Adresse ist. Dann gibt es zwei wechselnde, gut gemachte Tagesgerichte (9,50/12,50), Fish & Chips und Suppe. Die Austern, recht große Fines de Claire, werden im halben Dutzend für 16 Euro günstig abgegeben, und zwar mittags wie abends. Insgesamt ist das also weit entfernt von Opas Fischrestaurant wie der Hering vom Hummer. Auch preislich, wie gesagt, denn ein Abendessen zu zweit kommt hier locker auf 200 Euro. Ein Besuch schärft also zumindest das Bewusstsein dafür, dass guter Fisch heute zweifellos ein Luxusprodukt ist, vergleichbar mit edelsten Steaks. Vielfältiger ist Fisch allemal.

Seaside, Mohrenstr. 30, Mitte, Tel. 20 91 73 54, täglich ab 12, Sa/So ab 14 Uhr geöffnet

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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