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Die "Bar" wurde aus dem Namen getilgt, im "Cordo" liegt der Fokus jetzt auf ausgefeilter moderner Regionalküche.

© Ralf Brunner

Von Tisch zu Tisch - die Restaurantkritik: Ehrgeiz für die Sterneliga

Volle Kehrtwende am Herd: Aus der bunt globalen „Cordobar“ wurde ein stark regional fokussiertes Gourmet-Restaurant mit Ambitionen.

Manchmal ist es in der Gastronomie wie im richtigen Leben: Der Erfolg steht sich selbst im Weg. So war es auch bei der „Cordobar“, die vor Jahren das Prinzip Weinbar in Berlin überhaupt erst populär machte, allerdings bis tief in die Nacht von einem äußerst aufgekratzten und mobilen Publikum so belagert wurde, dass die Nachbarn auf die Barrikaden gingen. Als dann kürzlich Willy Schlögl, das Zentralgestirn des Hauses, verabschiedet wurde (er setzt seine Arbeit in der „Freundschaft“ fort), da entschlossen sich Gerhard Retter und Christof Ellinghaus, die Macher, zu einem Befreiungsschlag, nahmen der Cordobar die Bar und gründeten ein Restaurant. Ein richtiges, das sich zudem vom Teller-zum-Teilen-Prinzip dezidiert verabschiedet: Küchenchef Yannik Stockhausen komponiert seine Gerichte mit Sorgfalt für den einzelnen Esser.

Küchenchef Yannik Stockhausen setzt auf extrem ausgefeilte Regionalküche

Der Ehrgeiz ist also klar, hier will einer in die Sterneliga, das ist angesichts von Stationen wie dem Hamburger „Haerlin“ und, zuletzt, dem Wolfsburger „Aqua“ keine Überraschung. Aber auch kochstilistisch ist die Kehrtwendung markant: Auf den unberechenbaren, schrägen Globalstil des Cordobar-Küchenchefs Lukas Mraz folgt nun eine extrem ausgefeilte moderne Regionalküche, die stark an Marco Müller im „Rutz“ erinnert.

Die kleinen Häppchen vornweg führen deshalb sogar ein wenig in die Irre. Es gibt eine Art Sashimi, in Milch marinierte Stücke von Gelbschwanzmakrele mit Zitronen-Gel in Sylter Rosenessenz, schön konstrastreich und frisch; außerdem Mini-Räucheraal in Knäckebrot und „Hamburger Speck“, eine deftige Kleinigkeit aus Speck, Bohnen und Kartoffelschaum. Dann wird die Küche merklich spröder mit einer Komposition aus Sellerie in verschiedenen Verarbeitungsformen inklusive Asche mit einem pochierten Eigelb und einer sanften Kräutervelouté. Ganz ähnlich Ton in Ton abgestimmt ist auch das mit einer leichten Rauchmandel-Creme überzogene Forellenfilet mit Brokkoli in einem Brokkoli-Sud mit Senfkörnern und Forellenkaviar, dem ein extrem puristischer Gang aus sauer eingelegten Zwiebeln mit einer Emulsion von körnigem Mimolette-Käse und Dillöl folgte – eine gute Idee, mit der die „Cordo“-Küche schon ein wenig ins „Nobelhart“-Fach driftet. Beim Zander mit Grünkohlpesto und Hühner-Dashi nebst mit Asche betreutem Spitzkohlblatt und Buchenpilzen fächert sie sich wieder komplexer auf, das ist eine kleine, vielfältige Etüde im zeitgeistigen Umami-Stil; dem herausragend gegarten Zander kommt dabei eine Nebenrolle zu.

Über handwerkliche Fragen ist das Cordo in jeder Hinsicht erhaben

Ganz klar ersichtlich ist die Hauptsache dagegen beim gebackenen Kalbshirn mit fermentiertem Rettich, Algen-Soja–Staub und einer quietschgrünen Kräutersauce, technisch kunstvoll arrangiert: Das schön cremige Hirn wird nicht überlagert, sondern nur angenehm gestützt. Der obligatorische Fleischgang zitiert dann ferne Vorbilder nur sehr dezent: „Short Rib Kebab“ mit Fladenbrot, Ayran und einem fruchtig-dunklen Jus kommt sehr abgezirkelt, das Brot liegt in knusprigen Krümeln auf dem Fleisch, der Ayran akkurat bestäubt daneben. Erfrischendes, säurebetontes Vordessert: Kopfsalat mit Gurken-Granité und Passionsfrucht; sehr schmeichelnd dann das filigran angerichtete feine Bienenwachseis mit Karamell und Macadamia-Nuss (Menü vier Gänge 55, acht 95 Euro). Die Weinkarte ist noch in Arbeit, aber dürfte im Vergleich zur Cordobar kaum abfallen, hervorragend sortiert, konventionell ebenso wie „Natur“.

Bilanz: Über handwerkliche Fragen ist das in jeder Hinsicht erhaben, aber die sehr kopfbetonte Trend-Fokussierung auf Kohl, Rettich und Zwiebeln und hiesigen Fisch hat (für meinen Geschmack) verhindert, dass der Funke richtig übersprang. Es könnte sein, dass ich mich hier noch wohler fühle, wenn der Sommer und seine Produkte da sind.

Cordo, Große Hamburger Str. 32, Mitte, Tel. 27 58 12 15, Di - Sa ab 18.30 geöffnet

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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