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Das Ambiente topmodern, die Küche bietet Klassiker in Topqualität: das italienische Restaurant "Boujee" in Wilmersdorf.

© Boujee / promo

Von TISCH zu TISCH - Die Restaurantkritik: Boujee

Bescheidenheit mag eine Zier sein – aber nicht, wenn man ein neues italienisches Restaurant in Berlin etablieren will

Die russische Community in Berlin ist kulinarisch ziemlich aktiv. Warum, kann ich nur raten: Das sind Leute, die Geld haben und den bedeckten, demonstrativ bescheidenen Stil der eingeborenen Gastronomie und ihrer Gäste nicht so schätzen. Nun hat einer von ihnen, der bekannte Modehändler Sergej Braude, gleich selbst ein Restaurant gegründet, seltsamerweise, ohne groß aufs Blech zu hauen. Es war halt irgendwann auf – und fertig. Allerdings durfte man doch erfahren, dass das Küchen-Know-how aus Moskau kommt, und zwar von dem dort offenbar erfolgreichen Italiener Christian Lorenzini, der sich das Handwerk weitgehend fern der Heimat beigebracht hat.

Bisschen viel Trüffel

Die Speisekarte ist deshalb auch klar als italienische zu erkennen. Sie bietet zum Beispiel die „Pinsa“, eine Pizza-Variante aus Sauerteig, die in der Pfanne gebraten wird, enthält allerdings auch beunruhigend oft das Bling-bling-Wort „Trüffel“, hinter dem man wohl den Einsatz von Trüffelöl vermuten darf, zumal als Beilage auch ausdrücklich Kartoffelpüree mit Trüffelöl angeboten wird. Immerhin: Wir konnten drum herum essen. Eine andere überkommene Marotte gehobener Italo–Küche sind die Fäden aus angedicktem Balsamico, die wir hier als Begleitung eines soliden, handgeschnittenen Thunfisch-Tatars erlebten; obenauf lag eine dünne Schicht Jakobsmuschel-Carpaccio. Das war gut gewürzt mit Kapern und einem Hauch Orange, leider aber auch mit einem völlig trockenen Salat garniert (18 Euro).

Dafür super Klassiker

Dabei beherrscht die Küche hier offenbar ganz einfache Klassiker besonders gut: Die gebratenen Artischockenviertel, nur mit etwas Minze und Knoblauch angerichtet, schmeckten bodenständig köstlich (14), und auch die Spaghetti Vongole, in der Karte seltsamerweise als „Remake“ angekündigt, passten genau, die Nudeln umschlossen von einem würzigen Sud mit Petersilie, die Muscheln üppig dosiert und von bester Qualität (17). Unter den Hauptgängen jedes rechtschaffenen italienischen Restaurants hat der Fisch in Salzkruste einen Stammplatz. Hier wird er in schwarz karbonisiertem Salz gebacken und vom Küchenchef persönlich am Tisch vor dem Vorlegen noch flambiert, warum auch immer. Auf den Teller kam Wolfsbarsch, Dorade hätte es auch gegeben, und der schmeckte so subtil pur, dass der Sinn der Salz-Methode wieder einmal bewiesen war. Dazu wieder trockener Salat (24). Komplett durchgebraten, ohne dass jemand gefragt hätte, kam die Entenbrust an den Tisch, gut im Geschmack und von mehreren unterschiedlich behandelten Gemüsen begleitet. Sogar kleine Zucchini waren dabei und der unitalienische Pak Choi, dazu eine püreeartige Orangensauce (24).

Und die besten Pommes

Ein Hammer sind die Pommes frites, die wir nur so nebenbei bestellten – die schlagen nicht nur die besseren Berliner Imbisse, sondern auch viele Annäherungen von Top-Köchen. Effekte werden groß geschrieben auch bei den Desserts, für die sie hinten in der offenen Küche eigens große Zuckerwatte-Deckel spinnen, die dann am Tisch vom Service mit dem Gasbrenner wieder weggeschmolzen werden, nun ja. Aber drunter steckt Gutes, wie sich am köstlichen „Zitronensoufflé“ zeigte, einem lockeren, innen flüssigen Gebäck mit Mandeln und viel Zitronenschale. Dazu gibt es viele, nicht zu teure italienische Weine auch abseits der bekannten Standards.

Der Service? Da geht noch mehr. Der Juniorchef schaut sporadisch vorbei, während der Senior vor der Tür stumm den Hund bewacht und das Handy checkt; eine sehr nette Kellnerin macht die Arbeit, beschäftigte sich aber ungelogen zehn Minuten ausschließlich damit, eine raumgreifende Geburtstagsrunde extrem aufgebrezelter Damen zu fotografieren. Wir haben uns dann selbst nachgeschenkt. „Boujee“ übrigens ist Rapper-Slang für „Bourgeois“. Na also.

- Boujee, Pariser Str. 18 a, Wilmersdorf, Tel. 86 45 94 17, geöffnet täglich außer Sonntag ab 18 Uhr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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