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Schlicht, schön und ausgesprochen gut: das neue "Bob & Thoms" in Schöneberg.

© Bob und Thoms / promo

Von Tisch zu Tisch - die Restaurantkritik: Bob & Thoms

Das winzige neue Restaurant am Viktoria-Luise-Platz in Schöneberg erinnert ein wenig ans „Alt Luxemburg“ – aber wie!

Vermutlich nervt es ehrgeizige Köche, wenn sie bei ihrer Arbeit ständig an einer lange verblichenen Institution gemessen werden und daran, dass es ihnen gelingt, den Phantomschmerz einer heimatlosen Gästeriege zu stillen. Alles klar? Es geht hier ums „Alt Luxemburg“, die letzte Berliner Bastion einer gediegenen Bürgerküche in ebensolchem Rahmen. Denn Oliver Körber, der dort satte 28 Jahre im Service war, und Felix Thoms, der eine Weile neben Meister Karl Wannemacher gekocht hat, arbeiten nun wieder zusammen in diesem neuen, schön schlichten Schöneberger Restaurant. Und zusammen bedeutet in diesem Fall: Da ist sonst niemand, kein weiterer Kellner, nicht mal ein Spüler, es gibt allabendlich plus/minus zwölf Plätze.

Kleine Anspielungen

Halten wir gleich fest: Dies ist ein total anderes Restaurant als das alte, und es wird nicht lange dauern, bis es ohne diesen Hintergrund wahrgenommen wird. Allerdings wäre es dann schon schade um den Teil der kleinen Speisekarte, der mit „Klassiker“ überschrieben ist und natürlich auf Wannemacher anspielt. Da ist sie, die berühmte Hummercremesuppe, die davon lebt, dass der Anbratvorgang der Schalen bis knapp an die Grenze geführt wird, hinter der Bitternis droht. Das gelingt bestens, das Exemplar ist etwas schaumiger als das Original, und es enthält ein paar Gemüsestreifen und ein Stück Hummer (16 Euro). Ein weiterer Klassiker, den ich aus dem „Alt Luxemburg“ so nicht kenne, ist die Entenleberterrine mit Portweingelee, Brioche und Sauce Cumberland. Ich liebe dieses Zeug, und ich habe es noch nie besser bekommen. Punkt. 24 Euro – das erspart eine Reise ins Elsass. Noch ein Klassiker: Beelitzer Kaninchen, als kräutergefüllte Rolle zubereitet, mit Spitzpaprika und Fondantkartoffeln. Hier stahl der satte Kartoffelgeschmack sogar dem Kaninchen die Schau, das (zwangsläufig) nachträglich aufgebraten worden war.

Alles vertraut

So, nun zum künftigen Kern der Küche, dem Menü „Kontemporär“. Nicht „Avantgarde“, es bleibt alles vertraut – aber eine so feine Säureabstimmung wie beim rohen Saibling auf Yuzu-Creme mit Senfkörnern und Dillsauce muss man erst mal hinbekommen (20). Mehr Ton in Ton ist das perfekt gebratene Kabeljaufilet inszeniert, es gibt dazu verschiedene Zubereitungen aus drei verschiedenen Linsensorten, sehr schön differenziert von pastös bis knusprig (28). Aus dem vegetarischen Menü probierten wir die „Queens Lace“-Mohrrübe mit pochiertem Ei, Haselnüssen und Nussbutter, ebenfalls sehr gelungen, zumal die Möhre eben optimal auf Geschmack gegart war und nicht halbroh (20). Vier Gänge: 45/75 Euro.

Sternewürdig aus dem Stand

Ja, werden Sie nun sagen, alles schön und gut, aber mit den Desserts kommt der junge Mann nie an Meister Wannemacher ran. Dachte ich auch. Dann kam ein „Pfirsich Melba“ mit wunderbaren Himbeeraromen und Vanilleeis, es kam eine kleine Variation vom Brodowiner Joghurt mit Yuzu, Brennnessel-Eis und Haferflocken, und es kam ein leichtes Törtchen von der Porcelana-Chocolade mit einem umwerfenden Erdbeersorbet, das auf unerfindlich intensive Weise nach Walderdbeeren schmeckte (je 12 Euro). Insgesamt eine absolut sternewürdige Darbietung aus dem Stand – wir werden von Felix Thoms noch sehr viel mehr hören.

Oliver Körber dirigiert das Geschäft, das im Sommer überwiegend auf der hübschen Terrasse stattfindet, mit heiterer Souveränität, gelernt ist gelernt. Die Weinkarte ist noch recht klein, aber es dürfte jeder seins finden; der ausgezeichnete Chardonnay Sonnenberg von Johannes Jülg (Pfalz) kostet 60 Euro, es geht aber auch niedriger. Also, egal, ob mit oder ohne Phantomschmerz: Da muss man hin. Aber bitte nicht alle auf einmal, denn vom 10. bis 26. August ist geschlossen. (Fotos vom Menü auf Facebook, Tagesspiegel Genuss)

- Bob & Thoms, Welserstr. 10 – 12, Schöneberg, Di – Sa ab 18 Uhr, Tel. 20 92 94 92, Betriebsferien 10. bis 26. August

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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