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Im "Chicha" in Neukölln bietet Küchenchef Simón Castro Mendoza moderne peruanische Küche mit hohem Anspruch.

© promo/Chicha

Von Tisch zu Tisch: Chicha

Wer die harten Hocker und die wuselige Enge hinnimmt, wird mit kreativer peruanischer Küche auf hohem Niveau belohnt

Die Küchen Südamerikas sind weltweit im Kommen. Heißt es. Rein quantitativ ist das eine zutreffende Beobachtung. Allerdings scheint es doch, dass dieser Trend langsam im Folkloristischen ausläuft, so, wie es seinerzeit der mexikanischen Küche passiert ist, die heute bei uns in Gestalt von Kino-Snacks ihr restliches Leben aushaucht. Um eine ferne Küchenrichtung blühen zu lassen, reicht es auf Dauer nicht aus, dass sie von ordentlichen Köchen ordentlich zubereitet wird. Sie muss vielmehr ihre Elemente mit jenen anderer Küchenrichtungen verbinden, und sie muss in sich weiterentwickelt werden, um nicht von der nächsten Modewelle überholt zu werden. In Sachen Südamerika ist bei uns gegenwärtig nur Peru präsent. Das Symbol dieser Küche, die Ceviche, ist zur Zeit populär geworden und hat sich einen festen Platz auch in der internationalen Gourmet-Stilistik erkämpft – schon mal ein gutes Zeichen. Die eigentlichen peruanischen Restaurants allerdings kommen kaum voran und mit den traditionellen Bergen von Süßkartoffelpüree und viel füllenden Körnern wie Amaranth und Quinoa.

An betriebsamen Abenden wird es schnell eng

Wer in Berlin etwas Besseres sucht, der landet relativ schnell im Neuköllner „Chicha“, wo Küchenchef Simón Castro Mendoza ehrgeizig daran feilt, die Küche seiner Heimat mit der Stilistik der modernen Gourmetküche zu verbandeln. Moment, nicht gleich hingehen: Das ist trotzdem eher eine Kneipe, die Enge an betriebsamen Abenden beträchtlich, und ohne die unbequem harten Hocker mit ihrem geringen Platzbedarf, die mich an den Physiksaal meiner Gymnasialzeit erinnern, würde das ganze Konzept nicht funktionieren. Auch hier könnten wir also den modischen Begriff „Speisekneipe“ benutzen, der auf ein junges Publikum zielt, das einen Raum mit Kristallgläsern und gebügelten Leinenservietten nie betreten würde.

Ceviches und Traditos überzeugen mit kräftigen und frischen Aromen

Die Schwelle ist also gering, der Anspruch hoch. Die kalten Gerichte, verschiedene Ceviches, Tiraditos (so eine Art peruanisches Sashimi) und Tatars spielen mit ungewöhnlichen Elementen, die nicht zufällig zusammenkommen. Ein kleines Tiradito aus Adlerfisch-Kehlen, also kleinen, festen Fischstückchen vom Kopf, zeigt, wie sorgfältig hier gearbeitet wird: Fisch und säuerlich-scharfe Chili-Limettengrundierung werden durch eine Olivencreme und eine Passionsfrucht-Mayonnaise abgepuffert, kräftig würzige Koriander-Keimblätter steuern konzentriertes Aroma bei, ein paar Röstzwiebelwürfel etwas Biss. Sehr schön. Die Adlerfisch-Ceviche mit (wenig) Süßkartoffelwürfeln, der gelben Chili namens Aji Amarillo, Zwiebeln sowie geröstetem Mais führt dieses Thema dann drastisch fort, das ist wirklich erfrischend säuerlich-scharf an der Grenze. (12,50 Euro). Viel sanfter führt sich das Lachsforellen-Tatar ein, es hat kaum Säure, dafür die Milde von Avocadoschaum und getrockneten Tomaten (11,50 Euro).

Maniok als frittierte Stäbchen - unbedingt probieren!

Aus der warmen Abteilung probierten wir zunächst erneut Adlerfisch, diesmal in Form von Flossen, die mit dem Fleischansatz in dünnem Tempurateig ausgebacken werden – eine köstliche Knabberei, die nicht auf der Karte stand, aber mündlich angeboten wurde. Gemüse à la mode: Kräftig angeröstete Palmherzen perfekter Konsistenz mit kräftig säuerlichem Tomatenschaum und geröstetem Maniokmehl (9,50 Euro). Maniok gibt es hier auch als frittierte Stäbchen mit einer leicht aufgeschäumten Soße aus Kartoffeln, Chili und Käse – unbedingt probieren (6 Euro). Schließlich „Cerdo Escabechado“, marinierter Schweinebauch auf Bananenpüree mit geräucherten Bananenchips, Zwiebel-Minzsalat und einer Salsa Criolla, in der Johannisbrotfrucht eingebaut sein soll, ein rustikales Gericht enormer Aromenfülle. Noch einen drauf? „Pazeo Cusqueno“ ist ein Eisparfait aus malzigem chilenischem Bier auf knusprigem Chinoa und Amaranth, witzig ergänzt mit einem transparenten Gel aus „Inca Cola“, einem drüben extrem populären Erfrischungsgetränk (7,50).

Getrunken werden Cocktails, viel Pisco und Pisco sour, aber auch einige gute deutsche Weine sind zum Freundschaftspreis zu haben. Da stimmt also alles – wenn man die Enge mag und die Küchenrichtung auch.

Chicha, Friedelstr.34, Neukölln, Tel. 62 73 10 10, nur Abendessen, Mo/Di geschlossen

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