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Talent zur Inszenierung. Götz Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza posieren auf ihrem Rittergut.

© Gene Glover / Agentur Focus

Verleger: Götz Kubitschek – der Stratege der Neuen Rechten

Der Verleger Götz Kubitschek gilt als wichtigster Stichwortgeber und Taktiker der Neuen Rechten, er hat großen Einfluss auf den nationalen Flügel der AfD. Was für ein Deutschland will dieser Mann?

Es ist das Ende eines drückend heißen Tages, in den Mauern des alten Hauses staut sich die Wärme. Götz Kubitschek sitzt mit seiner Frau und fünf seiner Kinder in der Küche. Auf dem Tisch stehen Salat, Ziegenkäse und selbst gebackenes Brot. Das Gespräch der Familie plätschert dahin, da zieht vor dem geöffneten Fenster ein Sturm auf. Es wird dunkler, draußen biegen sich die Bäume. Irgendwo im Haus schlägt eine Tür zu. Der Verleger schaut mit wohligem Lächeln hinaus. „Das ist doch herrlich.“

Sturm. Das Bestehende hinwegfegen, Verhältnisse umwälzen. Darum geht es.

Das ehemalige Rittergut, das Götz Kubitschek in der winzigen Ortschaft Schnellroda in Sachsen-Anhalt bewohnt, ist in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Zentrum der Neuen Rechten in Deutschland geworden – und Kubitschek zu ihrem wohl einflussreichsten Stichwortgeber und Strategen. Von hier aus arbeitet er daran, die Grenzen des Sagbaren nach rechts zu verschieben.

„Die Spinne im Netz“

Auf dem Rittergut des 48-Jährigen treffen sich regelmäßig AfD-Politiker wie Björn Höcke, der Wortführer des rechtsnationalen „Flügels“ in der Partei. In Schnellroda lassen sich Aktivisten der völkischen, vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ schulen. Und hier sitzt auch Kubitscheks Verlag „Antaios“, spezialisiert auf neurechte Publikationen, dessentwegen es bei der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr zu Tumulten kam. Kubitschek selbst tritt auch als Redner bei Pegida auf. Demnächst will er sich mit dem ultrarechten US-Ideologen Steve Bannon zusammensetzen. Kubitschek sei, so drückt es einer aus dem AfD-Umfeld aus, „die Spinne im Netz“.

Woher rührt der Einfluss dieses Mannes, der ein anderes Deutschland will? Und was kann er erreichen?

Nach einem E-Mail-Wechsel, der sich über mehrere Wochen zieht, stimmt Kubitschek einem Gespräch zu – er schlägt schließlich Schnellroda als Treffpunkt vor. Hier kann er sich so zeigen, wie er gesehen werden möchte: als Rechtsintellektueller, der gern in seiner Bibliothek empfängt. Als Verleger, der auf dem Schreibtisch vom abendlichen Nachdenken noch eine angebrochene Flasche Rotwein stehen hat. Als Familienvater, der seine Frau siezt und mit seinen streng erzogenen Kindern vor dem Essen ein Tischgebet spricht.

Von Anfang an in der AfD verdrahtet

Kubitschek steuert als Erstes eine Quelle in einem Nachbarort von Schnellroda an, sie liegt versteckt hinter einem verlassenen Wirtshaus. Der Verleger – kurz geschorenes Haar, helles Leinenhemd – zieht die Schuhe aus, krempelt sorgfältig die Hosenbeine hoch und steigt ins Wasser. In großen Schritten watet er hindurch. Die Luft ist heiß, aber das Quellwasser ist so kalt, dass es beinahe schmerzt. „Eine Überlaufquelle“, sagt Kubitschek. Das Wasser sammelt sich unter der Erde – erst wenn das unterirdische Becken vollgelaufen ist, quillt es hervor.

Im Grunde verhält es sich mit den Rechtspopulisten in Deutschland genauso: Lange hat sich unbemerkt angestaut, was jetzt zutage tritt. „In der AfD engagierten sich von Anfang an sehr viele Leute, die ich in den 25 Jahren zuvor kennengelernt hatte“, sagt Kubitschek. „Sie lagen im Dämmerschlaf in ihren Zivilberufen und sind dann auf einen Schlag aufgewacht.“ Kubitschek spricht ruhig, bedächtig, es klingt der Dialekt seiner oberschwäbischen Heimat Ravensburg durch.

Der Verleger hat sich seinen Einfluss innerhalb der Neuen Rechten über Jahrzehnte erarbeitet. Im Jahr 2000 gründete er mit dem Rechtsintellektuellen Karlheinz Weißmann die Denkfabrik „Institut für Staatspolitik“, die vor allem zur Schulung des Nachwuchses dient. Etwa zur selben Zeit entstanden sein Verlag „Antaios“ und seine Zeitschrift „Sezession“.

„Kubitschek hat mit der Zeit Ressourcen und Kompetenzen in Schnellroda konzentriert und von dort aus ein weitverzweigtes Netzwerk aufgebaut“, sagt Helmut Kellershohn vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, der Kubitschek seit vielen Jahren beobachtet. Doch von diesem Netzwerk nahm die breite Öffentlichkeit lange keine Notiz.

Wie Kubitschek den „Flügel“ in der AfD beeinflusst

Mit dem Aufkommen der AfD wächst Kubitscheks Bedeutung. Der Verleger erkennt, dass sich mit der AfD die Möglichkeit bietet, die Agenda der Neuen Rechten in die Politik hineinzutragen. Den Wunsch nach einem starken Staat, nach Homogenität des Volkes, die Kritik am Islam, an Parteien und Eliten. Schon kurz nach der Gründung der AfD, im März 2013, notiert er, das Thema Euro sei das „feine Thema, das Türöffner-Thema, und unsere Themen kommen hinterdreingepoltert, wenn wir nur rasch und konsequent genug den Fuß in die Tür stellen“.

Und als 2015 die Frustration bei den AfD-Nationalisten um seinen Freund Höcke wächst, weil Parteigründer Bernd Lucke ihnen keinen Raum in der AfD einräumt, ergreift Kubitschek die Chance. Er entwirft ein Manifest, die „Erfurter Resolution“, als dessen Autor er aber nicht in Erscheinung tritt. Höcke bringt es in die Partei ein, Hunderte unterzeichnen es, der „Flügel“ ist geboren. Von ganz rechts trägt er damals dazu bei, Lucke zu stürzen. Bis heute ist er ein wichtiger Machtfaktor in der AfD. Der „Flügel“ will verhindern, dass die Partei zu schnell im Establishment ankommt. Kubitschek nennt ihn den „impulsiven Teil“ der Partei.

Daheim in Schnellroda steuert der Verleger nach einem kurzen Spaziergang jetzt sein Anwesen an, am Tor prangt das Symbol seines Verlages: eine sich windende Schlange. Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza haben das ehemalige Rittergut vor Jahren erworben und renoviert. Wobei der Begriff ein wenig zu bombastisch klingt für das große, gelblich gestrichene Haus, umgeben von einem Garten. Hier pflanzt die Familie viel von dem an, was sie selbst isst.

Einflussreicher Taktiker

Dieses Lebensmodell als Selbstversorger spiegelt Kubitscheks Verachtung für die Konsumgesellschaft, es trägt gleichzeitig zu seiner Selbstvermarktung bei. Dass in kaum einem größeren Beitrag über Kubitschek die Beschreibung des Ritterguts fehlt, nimmt er spöttisch zur Kenntnis. Aber er weiß, dass es ihm nutzt.

„Kubitschek hat es geschafft, sich als Vordenker der Neuen Rechten wirkungsvoll in Szene zu setzen. Er ist aber vor allem ein einflussreicher Taktiker“, sagt der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich. Eine Erklärung dafür liegt in Kubitscheks Vergangenheit. Er studierte auf Lehramt, nahm als Offizier der Reserve an einem Bundeswehreinsatz in Bosnien teil. Dass ihn die Zeit beim Militär geprägt hat, merkt man. An der oft militärischen Sprache in Reden, an seinem Hang zu Autorität und Ordnung, auch an seiner Neigung zum Strategischen.

In seinem wohl wichtigsten Werk geht es vor allem um Strategie. Es ist ein kleines Büchlein namens „Provokation“, erschienen im Jahr 2007. Der Soziologe Thomas Wagner bezeichnet es als eine der „einflussreichsten Publikationen der radikalen Rechten der jüngeren Zeit“. Darin propagiert Kubitschek das Unerwartete, den gezielten Regelverstoß. Er wendet die Methode damals auch selbst an, gründet die „Konservativ Subversive Aktion“, stört 2008 zusammen mit anderen etwa eine Lesung von Günter Grass. Im Grunde ist es die rechte Adaption linker Proteststrategien. Seine Überlegung sei gewesen, „wie sich eine in wesentlichen Feldern machtlose Gruppe Gehör verschaffen kann“, sagt Kubitschek im Gespräch.

Provokation als Methode

Vor diesem Hintergrund muss man auch seine Beziehung zu den „Identitären“ verstehen, die sich als hippe, rechte Aktivisten präsentieren. Kubitschek hat sich stets gewünscht, dass seine Provokationsmethode Nachahmer finden würde. 2012 lernt er den Österreicher Martin Sellner kennen, den Anführer der deutschsprachigen Identitären. Kubitschek wird für Sellner eine Art Mentor. Die Identitären klettern in den Jahren darauf aufs Brandenburger Tor, blockieren die CDU-Zentrale in Berlin, mauern eine Moschee in Parchim zu. Kubitschek sagt, es habe ihn stolz gemacht, dass sein Bändchen „Provokation“ bei Protestaktionen in die Kamera gehalten wurde.

Auch für die AfD, glaubt Kubitschek, sei „Provokation lange der Schlüssel zum Erfolg gewesen“. Es verwundert insofern nicht, dass neben Höcke eine Reihe von AfD-Politikern regelmäßig in Schnellroda zu Gast ist – etwa der einflussreiche brandenburgische AfD-Chef Andreas Kalbitz. Auch mit Parteichef Alexander Gauland tauscht sich Kubitschek aus.

„Sie fassen mich nicht an! Sie reden auch nicht mit mir!“

Und er erweitert sein Netzwerk. 2015 initiiert er unter anderem mit Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des neurechten „Compact“-Magazins, den fremdenfeindlichen Verein „Ein Prozent“. Dieser unterstützt rechte Initiativen – auch finanziell. Zuletzt steckte „Ein Prozent“ hinter einer Kampagne, bei der es darum ging, rechte Kandidaten in die Betriebsräte zu drücken.

Kubitschek ist an diesem Nachmittag in Schnellroda ein sehr höflicher Gesprächspartner, der alle Fragen ausführlich beantwortet. Doch es gibt auch eine andere Seite. Während der Tumulte auf der Buchmesse etwa schrie er den Messechef an, als der ihm die Hand auf die Schulter legte: „Sie fassen mich nicht an! Sie reden auch nicht mit mir!“ Auch die Autoren, deren Bücher Kubitschek verlegt, passen zum Teil nicht zum Image des kultivierten Rechtsintellektuellen. Da ist etwa Thor von Waldstein, der einst im Bundesvorstand der NPD saß und den Holocaust als „US-amerikanisches Kulturprodukt“ bezeichnete. Oder Akif Pirincci, Autor des Buchs „Umvolkung“, der Flüchtlinge als „Moslem-Müllhalde“ beschimpfte und wegen Volksverhetzung verurteilt wurde.

Wie steht Kubitschek dazu? Pirincci sei kein Vordenker der AfD, sondern ein Schriftsteller „mit einem hochprovokanten Sound“, sagt Kubitschek. „Deswegen finde ich es tolerabel, was er sagt, obwohl ich es selbst nie so sagen würde.“

Kubitschek sieht Ungarn als Vorbild für Deutschland

Es ist schon fast Abend. Kubitschek sitzt an einem hölzernen Tisch in seiner Bibliothek. Zeit für die wichtigste Frage: Was für eine Art von Staat schwebt Ihnen eigentlich vor, Herr Kubitschek? „Ungarn kann ein Vorbild für Deutschland sein“, sagt er. Das sei ein „liberaler Staat mit illiberalen Korsettstangen“. Der ungarische Staat sorge dafür, dass „Ungarn das Land der Ungarn“ bleibe. Es ist klar, worauf er anspielt: Einen 175 Kilometer langen elektrifizierten Grenzzaun hat Victor Orbán an der Grenze zu Serbien errichten lassen, das Recht auf Asyl ist quasi abgeschafft. Kubitschek zitiert den US-amerikanischen Publizisten Christopher Caldwell, der einmal gesprochen habe „von einer notwendigen ,harten Indifferenz‘ und einem Regierungshandeln, das für gutmenschliche Gemüter ,abstoßend‘, aber nichtsdestotrotz notwendig sei“. Das sei ein Minimum dessen, was ein Staat leisten müsse.

Für sein Ziel braucht Kubitschek die AfD. Wenn sie sich nur in die von ihm gewünschte Richtung entwickelt, kann sie aus Deutschland vielleicht eine Art zweites Ungarn machen. Dazu sollen die Rechtspopulisten zunächst in der Sozialpolitik nach links rücken, empfiehlt er. „Die soziale Frage ist neben der Flüchtlingspolitik und der EU eine der Säulen, auf denen die AfD stehen kann.“ Er sieht es mit Wohlwollen, dass sich sein Freund Höcke mit der Forderung durchgesetzt hat, die AfD müsse einen Sozialpolitikparteitag abhalten.

Götz Kubitschek ist nicht Mitglied der AfD, sein Aufnahmeantrag wurde 2015 abgelehnt. Damals waren dem Parteigründer Lucke Leute wie Kubitschek zu rechts. Heute hat der Verleger auch ohne Parteibuch Einfluss. Was Kubitschek denkt, macht Höcke zu seinem Programm. Im Juni schreibt Kubitschek in „Sezession“, die soziale Frage sei das „Kronjuwel“ der Linken, es könnte ihr durch „eine glaubwürdige und entschlossene AfD“ abgejagt werden. Kurz darauf hält Höcke eine Rede vor Parteifreunden vom rechtsnationalen „Flügel“. Er ruft: „Wenn wir als AfD glaubwürdig und entschlossen bleiben, dann können wir der Linken dieses Kronjuwel jetzt abjagen!“ Im Publikum: Götz Kubitschek aus Schnellroda in Sachsen-Anhalt, der Verleger, der den Sturm liebt.

Dieser Text ist am 28.8. zuerst im Tagesspiegel-Politikjournal „Agenda“ erschienen.

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