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Damit ging alles los: Autoversicherer verständigen den Abschleppwagen und alarmieren die Werkstatt. Das Angebot an Servicediensten, die man versichern kann, ist seitdem ständig gewachsen.

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Neue Geschäftsfelder: Wenn die Versicherung die Feuerwehr ruft

Sie organisieren den Klempner, helfen bei Cybermobbing und suchen Schlüsseldienste: Der Assistance-Bereich wird für Versicherungen immer wichtiger.

Bevor der Urlaub beginnt, bewegt viele das, was sie zurücklassen. Ist die Herdplatte aus? Alle unnötigen Stromstecker gezogen? Türen und Fenster sicher verschlossen? Die Sorge um die eigenen vier Wände gehört für manch Reisenden wohl ebenso zur Urlaubstradition wie die Vorfreude auf die Ferne.

Doch was, wenn es trotz aller Umsicht in der heimischen Wohnung brennt, ein Wasserrohr bricht oder Einbrecher sich an ihr Werk machen, wenn man gerade fernab am Strand liegt? Solche Sorgen will die Ergo-Versicherung in Kooperation mit der Telekom ihren Kunden mit dem Schutzbrief „Safe Home“ nehmen. Die Idee: Immer mehr Kunden nutzen vernetzte Geräte zur Überwachung und Kontrolle ihrer Wohnung. Doch wer gerade im Pool schwimmt oder im Funkloch wandert, hat von der teuren Technik nichts. Und hier kommt die Ergo ins Spiel. Sie verspricht ihren Kunden eine Überwachung rund um die Uhr, ruft im Notfall Feuerwehr oder Security und übernimmt pro Schadensfall bis zu 3000 Euro Kosten – auch bei Fehlalarm.

"Versicherungskäse des Jahres"

Für Kritiker ist es der „Versicherungskäse des Jahres“, für andere die „Versicherungsinnovation des Jahres“. In jedem Fall sorgte der „Safe-Home“-Schutzbrief im vergangenen Jahr für Aufsehen in der Branche. Denn erstmals kooperierte ein Versicherungsriese mit dem größten europäischen Telekommunikationsunternehmen.

Peter Grieble beobachtet den Trend, dass Versicherungen über Partner Dienstleistungen anbieten, seit Jahren. „Von der Idee ist das Thema Assistance alt, aber in den vergangenen Jahren wurde das Angebot immer breiter“, sagt der Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Was in den 50er Jahren im Zuge der zunehmenden Mobilisierung mit KFZ-Schutzbriefen für gestrandete Autofahrer im Ausland begann, macht längst einen großen Geschäftszweig der Versicherungsgesellschaften aus. „Die Versicherungen suchen sich neue Standbeine und passen sich gleichzeitig veränderten Lebensrealitäten an“, sagt Grieble. Vor allem Internet und Technik würden neue Möglichkeiten eröffnen.

Auch Schädlingsbekämpfer werden vermittelt

Die Ergo bestätigt das. „Der Assistance-Bereich gewinnt zunehmend an Bedeutung. Kunden erwarten von ihrem Versicherer nicht nur eine schnelle und unkomplizierte Schadenregulierung, sondern auch Präventionsmaßnahmen und Serviceleistungen rund um die Versicherungsprodukte“, betont Peter Schnitzler, Bereichsleiter bei der Ergo im Spartenmanagement Haftpflicht. So helfe die Versicherung auch bei der Vermittlung von Schlüsseldiensten, wenn man sich ausgesperrt habe oder bei der Suche nach einem Schädlingsbekämpfer, um etwaige Wespen- und Bienennester zu entfernen.

Ein weiterer neuer Markt für Versicherungen ist das Thema Cybersicherheit. Die Fallzahlen gehen konstant in die Höhe. Allein in Berlin hat die „Kriminalität mittels Tatmittel Internet“ 2018 um 15 Prozent zugenommen. Wie systematisch Hacker vorgehen, zeigt auch eine Statistik, die kürzlich von der Telekom veröffentlicht wurde. Demnach gab es im April 46 Millionen Angriffe auf digitale Lockfallen, sogenannte Honey-pots, des Konzerns – und zwar täglich! Rund 3000 solcher Fallen hatte die Telekom ausgelegt, um absichtlich Angreifer anzulocken. Die Daten der Attacken werden von Cyberexperten anschließend ausgewertet, um den Schutz der eigenen Systeme zu verbessern. Noch ein Jahr zuvor hatte das Unternehmen bei vergleichbaren Fallen vier Millionen tägliche Angriffe gezählt. Experten sind überzeugt: Die Gefahren im Netz nehmen zu.

Es kommt auf die richtige Priorisierung an

Darauf reagieren Unternehmen. Sie bieten Hilfe beim Verlust von Kunden- und Kontendaten, im Bereich Cybermobbing gibt es auf Wunsch Rechtsschutz. Opfern von Verunglimpfungen im Netz hilft eine von der Versicherung beauftragte Agentur bei der Löschung und Aufklärung der Tat, weiß Verbraucherschützer Grieble.

Doch braucht man das? „Keine Versicherung ist total unnütz“, sagt Grieble. Ihm geht es um eine vernünftige Priorisierung. Menschen, die zu ihm in die Beratung kommen, haben allerlei Spezialversicherungen, aber kein Geld mehr für essentielle Absicherungen wie etwa eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Doch auch scheinbar unnötige Leistungen könnten im Einzelfall Sinn machen, sagt Grieble und nennt etwa die Tierkrankenversicherung. Diese sei oft überteuert und decke nur wenig ab. „Objektiv ist das relativ sinnfrei, aber es gibt oft auch eine emotionale Schiene.“ So bewertet er auch Angebote wie Smart-Home- oder private Cyberversicherungen.

Verletzt oder entlaufen? Die Allianz testet Hilfen für Tierhalter.
Verletzt oder entlaufen? Die Allianz testet Hilfen für Tierhalter.

© picture alliance / dpa-tmn

Auch andere Versicherer reagieren auf die neuen Möglichkeiten. Die Allianz testet in Asien ein Paket, um Haustiere mit Smart-Produkten zu überwachen. Geht es dem Tier schlecht, wird sofort der Tierarzt benachrichtigt, verlässt es unbeaufsichtigt das Haus, wird ein Alarm an den Halter und einen Einfangservice versendet. Auch mit Smart-Home-Geräten arbeitet die Allianz. „Montieren die Kunden zum Beispiel freiwillig einen Sensor an ihre Wasserrohre bekommen sie 15 Prozent Rabatt“, sagt ein Sprecher. Der Schaden werde so schneller festgestellt, könne rasch eingedämmt werden, wodurch die Schadenkosten gering gehalten werden. Für Kunden und Unternehmen sei das eine Win-Win-Situation.

Kritik kommt vom Bund der Versicherten

Bianca Boss vom Bund der Versicherten sieht das anders: „Das ist eine Win-Win-Situation für die Versicherungsgesellschaft.“ Man bezahle für etwas, wovon nur die Versicherung profitiere. Auch die Technikfirmen wie die Telekom hätten Vorteile, da sie ihre teuren Smart-Produkte an noch mehr Menschen verkaufen könnten. Ihr Tipp: „Versicherungen sollten nur essentielle Risiken absichern.“ Dazu zähle eine Haftpflicht- und Krankenversicherung, zudem je nach Lebenslage eine Berufsunfähigkeits-, eine Wohngebäude-, eine Lebens- und eine Hausratsversicherung.

Die Realität sieht aber oft anders aus. „Die Deutschen sichern sich gerne für alles ab“, weiß Boss.

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