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Der US-Rapper Snoop Dogg ist Markenbotschafter bei Klarna.

© Promo

Klarna baut Standort aus: Schwedischer Bezahldienst verdoppelt Belegschaft in Berlin

Rund 500 Mitarbeiter will das Start-up Klarna in einem ehemaligen Parkhaus in Berlin-Mitte unterbringen. Der Zahlungsdienstleister wächst rasant.

Von Laurin Meyer

Beim schwedischen Bezahldienst Klarna, so scheint es, treffen zwei Welten aufeinander: der vermeintlich langweilige Rechnungskauf und ganz schön schrille Werbung. In TV-Spots wirbt der US-Rapper Snoop Dogg neben frisierten Hunden für Ratenkäufe, Plakatleinwände der Firma halten jugendliche Lebensweisheiten parat. Und vor dem Pop-up-Store in London stehen manchmal pinkfarbene Rikschas mit Fellüberzug.

Gut möglich, dass die schrillen Werbebotschaften bald auch in Berlin noch häufiger zu sehen sind. Im kommenden Jahr will Klarna in der Hauptstadt ein neues Büro eröffnen, wie das Unternehmen am Donnerstag bekannt gab. In einem ehemaligen Parkhaus im Stadtteil Mitte sollen dann 500 Mitarbeiter beschäftigt sein. „Der neue Tech-Hub wird es uns ermöglichen, unsere Position in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in neuen Märkten weiter auszubauen“, sagt Klarna-Chef Sebastian Siemiatkowski.

Von Berlin aus sollen die neuen Mitarbeiter vor allem das Marketing und die Produktentwicklung steuern. Aktuell beschäftigt Klarna bereits rund 250 Mitarbeiter in Berlin, daneben sitzen jeweils 100 der weltweit 2500 Mitarbeiter in München und Linden bei  Gießen. Doch von der Hauptstadt verspricht sich das schwedische Start-up offenbar am meisten Potenzial. „Berlin zieht als eines der spannendsten Technologie- und Gründerzentren die besten Talente aus aller Welt an“, sagt Siemiatkowski.

Klarna übernimmt für Verbraucher die Rechnungsabwicklung, etwa bei Onlinehändlern. Wer bei einem der insgesamt 190.000 Partner des Start-ups einkauft, kann über dessen Dienst den Kaufpreis per Klick überweisen. Das Unternehmen lässt Kunden den digitalen Warenkorb aber auch in Raten abbezahlen, Klarna streckt die Kosten dann beim Händler vor. Das geht seit einigen Monaten sogar im stationären Handel. Das Start-up hat im Frühjahr eine eigene Kreditkarte herausgebracht. Zahlt ein Kunde mit der Karte, kann er anschließend in der Klarna-App festlegen, wann und wie er den Kaufpreis begleichen möchte. Der Betrag wird dann vom hinterlegten Girokonto abgebucht.

Mit diesem Angebot ist Klarna einer der Senkrechtstarter in der europäischen Fintech-Szene. Seit der letzten Finanzierungsrunde gilt der Bezahldienstleister als wertvollstes Finanz-Start-up in Europa, das noch nicht börsennotiert ist. Die Schweden kommen auf eine Unternehmensbewertung von rund 5,5 Milliarden Dollar, liegen damit Schätzungen zufolge vor der deutschen Smartphone-Bank N26.

Klarna wächst rasant

Vor allem im laufenden Jahr lief es prächtig. So gewann Klarna nach eigenen Angaben weltweit 16 Millionen neue Kunden dazu, die App wurde zuletzt pro Tag 25.000 Mal heruntergeladen. Außerdem konnte Klarna sein Partnernetz um 60.000 Händler erweitern – dazu zählen Marken wie Microsoft, Kaufhof und H&M. Mit der schwedischen Modekette ging Klarna zuletzt eine größere Kooperation ein. In Österreich können Premiumkunden ihre Einkäufe direkt über die H&M-App bezahlen, müssen dafür keine separaten Apps mehr herunterladen.

Dabei ist das Geschäftsmodell der Schweden keineswegs neu. Auch über den US-Bezahldienst Paypal können Kunden anfallende Beträge per Klick begleichen, wahlweise nach zwei Wochen oder in Raten. Im vergangenen Jahr erzielte Paypal noch 30 mal mehr Umsatz als Klarna. Beobachter trauen den Schweden dennoch zu, dem bisherigen Marktführer mehr Konkurrenz zu machen. In der Vergangenheit hat Klarna mehrere Wettbewerber übernommen. Bereits 2014 kaufte das Start-up die Sofort GmbH, die Sofortüberweisungen für Onlinekunden abgewickelt hat. Vor zwei Jahren folgte der Rechnungskauf-Anbieter Billpay.

Kaschmir-Klopapier und Klarna-Bettwäsche zur Rechnung

Und auch die aggressiven Werbekampagnen dürften dem Bezahldienst beim Aufstieg geholfen haben. Im Januar gewann das Start-up den US-Rapper Snoop Dogg als Markenbotschafter, im März brachte es kurzzeitig eine eigene Produktkollektion heraus. Im Angebot: seidene Bettwäsche, goldene Erdnussbutter und Kaschmir-Toilettenpapier im Klarna-Stil. Allzu ernst meinte es die Jungfirma damit nicht. „Wir sind davon überzeugt, dass wir den Leuten damit ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, sagte Klarna-Marketingchef David Sandström zum Start des Experiments.

Gelohnt hat es sich offenbar dennoch. Im Mai kannten laut Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov mehr als die Hälfte der Befragten das schwedische Fintech-Unternehmen, drei Jahre zuvor waren es lediglich ein Viertel. Zum Vergleich: Paypal war im Mai vier von fünf der befragten Verbraucher ein Begriff.

Kunden haben unterschiedliche Kauflimits

„Die Konkurrenz unter den Payment-Anbietern ist groß“, sagt Josefine Lietzau, Finanzexpertin beim Ratgeberportal Finanztip. „Jedes Unternehmen möchte alles anbieten.“ Auch Klarna sieht sich noch nicht am Ende. Das Start-up will vom bloßen Bezahldienst zum Anbieter eines ganzen Shoppingsystems werden, so lautet zumindest der eigene Anspruch. „Wir setzen uns mit verschiedenen Produktideen auseinander“, erklärt David Zahn, Leiter der Klarna-Kommunikation in Deutschland. So will das Unternehmen auch im kommenden Jahr einige Neuerungen auf den Markt bringen. Welche das sein werden, will Zahn nicht verraten. Das Start-up besitzt aber eine Vollbanklizenz, könnte also weitere Finanzprodukte wie eigene Konten anbieten.

Seinen Nutzern teilt Klarna nach einer Bonitätsprüfung übrigens unterschiedliche Kauflimits zu. Je zahlungskräftiger ein Kunde ist, desto teurer darf er einkaufen. Damit will das Start-up verhindern, dass sich Konsumenten finanziell übernehmen. „Wir haben kein Interesse daran, dass unsere Kunden schlechte Erfahrungen machen“, erklärt Sprecher Zahn. Die Nutzer können in der App einen Testkauf tätigen, um herauszufinden, ob Klarna ihnen die Ratenzahlung anbietet.

Ratenkauf lohnt sich beim privaten Konsum meist nicht

Sofort kaufen und irgendwann bezahlen – für manche Kunden könnte das Klarna-Prinzip dennoch zu einer großen Verlockung werden. „Der Ratenkauf ist nur etwas für Verbraucher, die auch verantwortungsvoll damit umgehen können“, sagt Finanzexpertin Lietzau. Denn Nutzer könnten sich verschulden, hinzu kämen teils hohe Zinsen. Wer bei Klarna flexible Raten nutzt, zahlt meist elf Prozent drauf, beim Konkurrenten Paypal liegt der Sollzinssatz bei rund neun Prozent.

Für Lietzau macht der Ratenkauf beim privaten Konsum deshalb kaum Sinn. „Warum sollten Kunden beispielsweise ihre Kosmetik mit elf Prozent Zinsen anzahlen?“ Und für größere Anschaffungen, erklärt die Finanzexpertin, lohne sich ein Ratenkredit meist eher als ein Ratenkauf.

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