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Massenbetrieb: Viele Flüge sind nicht pünktlich.

© dpa

Flugverspätungen: Keine doppelte Entschädigung bei Pannen

Bei Flugverspätungen und -ausfällen gibt es zusätzlich zur Entschädigung nach EU-Recht keinen Schadensersatz, sagt der BGH. Verbraucherschützer sind enttäuscht.

So stellt man sich seinen Urlaub nicht vor. Statt von Frankfurt nach Windhoek in Namibia zu fliegen, blieben die Passagiere erst einmal am Boden. Der Flug mit Air Namibia verspätete sich um 24 Stunden.

Das hatte Konsequenzen: Nicht nur die Urlaubsfreude war verloren, auch die gebuchte und bezahlte Safari-Lodge konnten der Großvater und seine zwei Enkel, die eine Safari geplant hatten, nicht erreichen. Stattdessen mussten sie zunächst in Windhoek bleiben – und auch für diese Unterkunft zahlen.

Die dreiköpfige Reisegruppe sah das nicht ein. Sie wollte neben der 600 Euro hohen Entschädigung, die ihnen die Fluggesellschaft nach der EU-Fluggastrechteverordnung überwiesen hatte, zusätzlichen Schadensersatz für ihre Hotelkosten. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) sah das anders.

Sehnsucht nach Afrika: Die Wüste, die Berge und die seltenen Tiere sind reizvoll.
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Am Dienstag entschied der für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat, dass es keine doppelte Entschädigung bei Flugverspätungen gibt: Pauschale Ausgleichszahlungen nach der EU-Verordnung und Schadensersatz nach nationalem Recht werden miteinander verrechnet (Az: X ZR 128/18 und X ZR 165/18). Eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof hielt der BGH für unnötig, das EU-Recht sei eindeutig.

EU-Verordnung: Entschädigungen von 250 bis 600 Euro

Wenn sich Flüge um mehr als drei Stunden verspäten, können Reisende nach der EU-Verordnung eine Entschädigung verlangen. Je nach Entfernung liegt diese bei 250, 400 oder 600 Euro. Neben dem EU-Recht gibt es aber auch noch Schadensersatzansprüche, die auf deutschem Recht beruhen.

Die Frage, die der BGH zu klären hatte, war, ob man beide Ansprüche nebeneinander in voller Höhe geltend machen kann. Die Richter meinen nein und verwiesen auf die EU-Verordnung. Darin heißt es, dass „die gewährte Ausgleichsleistung auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet werden kann.“

Das gilt auch für den zweiten Fall, den der BGH auf dem Tisch hatte. Passagiere hatten in einem DER-Reisebüro eine Pauschalreise nach Las Vegas gebucht. Die Flüge führten von Frankfurt nach Las Vegas und zurück, darüber hinaus umfasste die Reise Hotelaufenthalte. Doch die Airline nahm die Reisenden nicht mit, sie flogen daher erst am nächsten Tag über Kanada nach Las Vegas – und kamen dort 30 Stunden später als geplant an. Die Kunden verlangten vom Reisebüro neben der Ausgleichszahlung von 600 Euro pro Person unter anderem Ersatz der für die beiden ersten Tage angefallenen Mietwagen- und Hotelkosten.

Doch alle Kläger müssen sich nun mit der Entschädigung von 600 Euro zufrieden geben, die sie aufgrund der Verspätung beziehungsweise des Flugausfalls erhielten. Denn, so der BGH, Schadensersatzforderungen und Ausgleichszahlungen werden gegeneinander verrechnet. Die beanspruchten Zusatzkosten für Hotelübernachtungen und Mietwagen lägen jedoch unterhalb der bereits erhaltenen 600 Euro pro Person.

Verbraucherschützer reagierten enttäuscht: „Das Urteil stärkt nicht die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher bei Flugverspätungen und -annulierungen", sagte Nicole Mertgen-Sauer, Verbraucherrechtsexpertin der Verbraucherzentrale Bremen. "Dass eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung auf geltend gemachte Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht angerechnet wird, ist bedauerlich.“

Wer Kunden hilft

Ärger rund ums Fliegen gibt es häufig. Von den gut 32.000 Schlichtungsfällen, die die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) 2018 bekommen hat, bezogen sich über 28.000 auf Airlines. Die SÖP arbeitet für die Kunden kostenlos. Man kann sich aber auch an Internetportale wie Flightright, Fairplane oder EUclaim wenden, um Entschädigungen geltend zu machen. Allerdings fallen hier Provisionen von 25 bis 30 Prozent an.

"Um das bestmögliche Ergebnis für den Verbraucher zu erhalten, empfehlen wir den Mangel beim Reiseveranstalter im allerersten Schritt anzuzeigen, um die spätere Durchsetzung eines weiteren Anspruches zu ermöglichen", sagt Oskar de Felice, Rechtsexperte von Flightright. Bei der konkreten Durchsetzung sollten Kunden zuerst die Ansprüche nach EU-Fluggastrecht geltend machen und in einem zweiten Schritt prüfen, ob der persönliche Schaden höher ist als die bereits erhaltene Entschädigung.

"Der Vorteil des EU-Fluggastrechtes ist die standardisierte und einfache Durchsetzung, insbesondere da diese ohne den Nachweis eines konkreten Schaden auskommt", gibt de Felice zu bedenken. Im Gegensatz dazu müsse der Verbraucher bei einem reiserechtlichen Anspruch beweisen, wie hoch sein Schaden konkret ist - etwa mit Hilfe von Hotelrechnungen oder Mietwagenbelegen. Der Veranstalter habe aber deutlich mehr Gründe, wie er sich der Zahlung einer Entschädigung entziehen kann. "Deswegen empfehlen wir immer, zunächst den Anspruch nach EU-Fluggastrecht durchzusetzen und dann zu überprüfen, ob darüber hinaus Ansprüche bestehen."

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