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Auf den Plattformen können sich Anleger untereinander austauschen.

© Franziska Koark/dpa

Etoro, Wikifolio und Co.: Das ist die Idee hinter Social Trading

Anleger kopieren die Strategien anderer Investoren. Die Plattformen versprechen Transparenz, Verbraucherschützer haben dennoch Zweifel.

Von Laurin Meyer

Wenn Fabian Gerspacher eine Entscheidung trifft, geht es um viel Geld. Zu Spitzenzeiten verwaltet der 30-Jährige Großteile der Depots von 3000 Anlegern. Gesamtwert: bis zu fünf Millionen Euro. „Das Smartphone ist immer am Start“, sagt Gerspacher. Schließlich müsse er die Kursbewegungen ständig im Blick behalten. Dabei ist Gerspacher keineswegs ein professioneller Fondsmanager. Er hat Chemie studiert, betreibt hauptberuflich Solarforschung am Fraunhofer-Institut. Und dennoch vertrauen ihm fremde Menschen ihr Geld an.

Gerspacher ist ein sogenannter „Popular Investor“ beim Onlinebroker Etoro. Was er dort mit seinem Geld macht, können andere Anleger kopieren – und das völlig automatisch. Setzt Gerspacher für sein privates Depot auf einen neuen Titel, ziehen die Depots anderer Etoro-Kunden direkt nach. Social Trading nennt sich dieses neuartige Prinzip, mit dem mittlerweile zahlreiche Anbieter um das Geld kleiner Privatinvestoren buhlen. Das Motto: Was Profis können, das kann die Masse schon lange. Besser gesagt: der Beste der Masse.

Die Macher der Plattformen sind davon überzeugt, dass sie klassische Fondsmanager langfristig ablösen können. „Social Trading hat das Potenzial, den Markt umzukrempeln, ähnlich wie Uber das mit den Taxis gemacht hat“, sagt Etoro-Mitgründer Yoni Assia. Sein Geld in die Hände eines Amateurs geben? Wem das zu riskant erscheint, der kann bis zu 100 erfolgreiche Händler auf der Plattform gleichzeitig kopieren. Das eigene Depot passt sich dann je nach Anzahl der kopierten Nutzer anteilig an. „Beim Copy Trading lässt sich Vertrauen aufteilen“, sagt Assia.

Der Mitgründer kopiert selbst die Strategie von fast 50 Anlegern. Dass alle Nutzer nur blind dem Besten folgen würden, glaubt Assia ohnehin nicht. Die Menschen würden in Werte investieren, an die sie glauben, von denen sie überzeugt sind. „Es geht nicht mehr nur um Rendite“, sagt Assia. Das lasse sich am Trend zu mehr Nachhaltigkeit ablesen. Bei Etoro können Anleger zudem nicht nur Top-Trader, sondern auch vorgefertigte Portfolios kopieren – aufgeteilt nach Branchen, Regionen oder Anlageformen.

Die meisten Plattformen bieten außerdem mehr als nur die Möglichkeit, die Anlagestrategien anderer zu übernehmen. Nutzer können sich wie in einem sozialen Netzwerk über ihre Investments austauschen, ihren Vorbildern folgen, Beiträge teilen und kommentieren. Weltweit rund zehn Millionen angemeldete Anleger zählt Etoro mittlerweile, mehr als die Hälfte davon sind jünger als 35 Jahre.

Im Austausch mit den Anlegern

Die Neuigkeiten von Fabian Gerspacher beobachten rund 60.000 Nutzer. Auf seiner Profilseite begründet der 30-Jährige regelmäßig seine Investments. Den Ruhm auf der Plattform verdankt Gerspacher seinen zeitweise hohen Renditen. Im Jahr 2016 erzielte der Chemikant mit seinen Investments ein Plus von 158 Prozent, im Jahr 2018 rund 38 Prozent. Seine Anlagestrategie beschreibt Gerspacher mittlerweile als konservativ und datenbasiert; er setzt überwiegend auf Aktien, Währungen und Rohstoffe, vermeidet Kryptowährungen.

Doch nicht immer hat der Hobbyinvestor damit zuverlässig hohe Renditen erzielt. Das vergangene Jahr beendete er mit einem Minus von eineinhalb Prozent. Erste Anhänger wurden deshalb unruhig, beschwerten sich in Kommentaren und fragten, wann er wieder an alte Erfolge anknüpfen könne.

Verbraucherschützer sind skeptisch

Verbraucherschützer wie Niels Nauhauser sehen sich in ihren Zweifeln an Social-Trading-Plattformen bestätigt. „Es gibt keine verlässlichen und dauerhaft erfolgreichen Trading-Strategien“, sagt der Bankenexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wenn mit der vergangenen Wertentwicklung geworben werde, sei das sehr gefährlich. „Eine gute Wertentwicklung basiert in der Regel auf nichts anderem als Glück oder hohem Risiko“, sagt Nauhauser. Mit einem ETF, also einem indexabbildenden Passivfonds, auf einen breiten weltweiten Aktienindex seien Anleger daher besser beraten.

Bei manchen Anbietern werden die Handelsstrategien anderer Anleger zudem nicht tatsächlich kopiert, sondern mittels spezieller Schuldverschreibungen nachgebildet. Der österreichische Anbieter Wikifolio gibt für die Portfolios seiner Anleger beispielsweise ein eigenes Zertifikat heraus, in das dann die anderen Anleger investieren können. [Wikifolio ist eine Beteiligung der DvH Ventures, die ebenso wie der Tagesspiegel zur Mediengruppe Dieter von Holtzbrinck gehört.] Der Wert dieses Zertifikates passt sich den Kursveränderungen des dazugehörigen Portfolios an. „Derartige Schuldverschreibungen bergen aber stets ein Ausfallrisiko“, sagt Nauhauser.

Angebote der Plattformen höchst unterschiedlich

Die gehandelten Zertifikate und Derivate gehören in der Regel nicht zum sogenannten Sondervermögen. Das heißt: Das Kapital der Anleger ist nicht vom Firmenvermögen des Anbieters getrennt. Zwar lässt Wikifolio seine Zertifikate über einen externen Finanzdienstleister besichern. Dennoch: Geht eine solche Plattform pleite, könnte das Geld womöglich weg sein.

Wie die Plattformen die Depots ihrer Top-Anleger für andere Nutzer kopieren, ist jedoch von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Wer hier investiert, sollte vorher also gründlich nachlesen, was mit seinem Geld passiert. Die Auswahl ist jedenfalls groß. Denn neben dem Marktführer Etoro und Wikifolio sind in den vergangenen Jahren zahlreiche weitere Plattformen an den Start gegangen, darunter Zulutrade, Darwinex oder Naga.

Gerspacher will nicht wissen, wie viele ihm folgen

Das blieb nicht ohne Folgen. Im August hat zum Beispiel die Entwicklerfirma der Plattform Ayondo Insolvenz angemeldet, sie wurde anschließend vom Mobile-Broker Bux gekauft. Und auch Neueinsteiger Naga schrieb im Jahr 2018 deutliche Verluste, musste sogar Mitarbeiter wieder entlassen. Hinzu kommt: Die neue Generation der Onlinebroker verlangt oft nur niedrige oder gar keine Gebühren für den Wertpapierhandel und will damit den Etablierten wie der ING oder Comdirect Konkurrenz machen. Etoro etwa erhebt keine Einzahlungs- oder Trading-Gebühren, bei Auszahlungen werden allerdings 25 Dollar fällig.

Fabian Gerspacher wird seine gegenwärtigen Verluste vermutlich verschmerzen können. Er selbst muss zwar mindestens 20 000 Dollar investiert haben. So verlangt es Etoro von seinen „Popular Investors“. Gerspacher verdient allerdings, auch wenn er keine Gewinne erzielt. Etoro zahlt ihm monatlich 1000 Dollar sowie zwei Prozent des jährlichen Vermögens, das er indirekt verwaltet – jedenfalls solange ihn eine bestimmte Anzahl an Anlegern nachahmt. Seiner Verantwortung ist sich Gerspacher bewusst: „Ich will aber gar nicht wissen, wie viele mir folgen.“ Schließlich könnte der Erfolgsdruck zu mehr Risiko verleiten. Deshalb lautet seine Strategie: „Das muss man ausblenden.“

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