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Bangen am Gepäckband: Ist der Koffer dabei?

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Ärger mit Airlines: Was tun, wenn der Koffer nicht ankommt

Jedes Jahr gehen Tausende Gepäckstücke verloren. Viele tauchen nach 48 Stunden wieder auf. Aber einige auch nicht. Das zeigt ein krasser Fall.

Brasilianische Lebensfreude an den Stränden von Rio de Janeiro genießen, danach eine Rundreise zu den Wasserfällen von Iguaçu im Regenwald – für Astrid Lehmann (Name geändert) sollte ihr Single-Urlaub in Südamerika eine Traumreise werden. Das erste Abenteuer der unerfreulichen Art erlebte die Konzernmanagerin allerdings schon nach der stressigen 16-stündigen Anreise am Airport Galeão in Rio.

Als dort nach langem Warten die letzten Koffer des Lufthansa-Flugs LH1223 vom Förderband liefen und sie immer noch ohne da stand, wurde der Mittzwanzigerin klar, dass sie ein Problem hat. „Mein gesamtes Gepäck fehlte“, schildert die Managerin die Misere. In unfreundlichem Ton habe ihr das Airline-Personal vor Ort mitgeteilt, dass der Koffer womöglich ganz verloren sei. Sie durfte eine Verlustmeldung ausfüllen, eine Mail mit der Vorgangsnummer sollte folgen.

Da hoffte Frau Lehmann noch, dass sich die Sache rasch klären lässt: „Ich fuhr ins Hotel und wartete ungeduldig auf Nachricht von Lufthansa.“ Doch die versprochene Mail kam nicht. Die ersten zwei Urlaubstage vergingen, auch der Koffer traf nicht ein. „Ich verbrachte die Zeit am Telefon, bei der hilfreichen Hotelrezeption und am Computer, um herauszufinden, ob sich irgendjemand für mein verlorenes Gepäck verantwortlich fühlt“, berichtet sie.

Das sind keine Einzelfälle

Kein Einzelfall: Neben Verspätungen und Flugausfällen gehört verlorenes oder beschädigtes Reisegepäck zu den größten Ärgernissen für Passagiere. Bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin, wo man in Streitfällen kostenlos eine Prüfung beantragen kann, haben bereits Tausende verärgerte Airline-Kunden deshalb um Hilfe gebeten. Auch kommerzielle Fluggastrechteportale wie Flightright und Fairplane haben viel Arbeit mit der Klärung solcher Fälle. Dabei geht es oft um beträchtliche Summen. Vor allem, wenn das Reisegepäck mit womöglich teuren Klamotten und Utensilien gar nicht mehr auftaucht und der Urlaub verdorben ist. Bei Frau Lehmann fehlt auch nach drei Tagen noch immer der Koffer. Bis dahin hat sie bereits viele Telefonstunden in Warteschleifen verbracht, mühsam Ersatzkleidung, Unterwäsche und Hygieneartikel besorgt und sogar die Schwester und die Eltern in Deutschland um Hilfe gebeten. Doch die verlangten bei der Lufthansa in Frankfurt vergeblich nach Unterstützung.

In einem fünfseitigen Protokoll hat die Urlauberin ihre geradezu verzweifelten Versuche dokumentiert, wenigstens einen verantwortlichen Ansprechpartner zu finden. In Rio hieß es unter der „Service-Nummer“, der Abflughafen Frankfurt sei zuständig. Dort teilte man mit, das Gepäck sei doch in Rio verloren gemeldet, man könne nicht helfen.

"Ich war schockiert, wie man mich behandelte"

„Ich war schockiert, wie man mich behandelte“, berichtet die Marketingfrau. „Man gab mir das Gefühl, als sei es meine Schuld, dass das Gepäck fehlte.“ Es folgten weitere Anrufe, Fehlinformationen, Frusterlebnisse. Im Hotel half man der Deutschen nach Kräften, die Mitarbeiter hatten mit solchem Ärger schon einige Erfahrung. Doch selbst nach vier Tagen tauchte der Koffer nicht auf. So verbrachte Frau Lehmann auch ihren Geburtstag mit weiteren Nachforschungen.

Geht der Koffer verloren, kann man eine Entschädigung verlangen.
Geht der Koffer verloren, kann man eine Entschädigung verlangen.

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Jedes Jahr gehen viele Tausend Gepäckstücke bei Flügen verloren. Oft bleiben Koffer beim Umsteigen stehen, auch Frau Lehmann hatte einen Zubringerflug von Genf nach Frankfurt gebucht. Nach Branchenstatistiken kommen im Schnitt bei 1000 Passagieren fünf bis sechs Koffer erst einmal nicht an. Die gute Nachricht: Der allergrößte Teil wird binnen 48 Stunden mit einer anderen Maschine nachgeliefert.

Der Weg nach Brasilien ist aber weit. Frau Lehmann bekam ihren Koffer schließlich, aber erst nach fast einer Woche. Den Start ihrer Rundreise musste sie deshalb verschieben. Damit hatte der Ärger aber noch kein Ende. Der Lufthansa-Rückflug an den Main klappte zwar prima, der Weiterflug in die Schweiz verzögerte sich wegen Wetterproblemen aber um drei Stunden. Die Passagiere mussten im kalten Flieger warten, dann wieder raus und zurück an den Schalter, bevor es endlich weiterging.

Und kaum zu glauben, aber wahr: Nach der Landung in Genf, am Ende einer 24-stündigen Reise, stand die mehr gestresste als erholte Urlauberin erneut am Gepäckband – und wartete wieder vergeblich, ebenso wie eine Mitreisende. Erst am nächsten Tag wurden die Koffer nach Hause nachgeliefert. „Nach diesen Erlebnissen war ich urlaubsreif“, bilanziert die Managerin, die kurze Zeit später tatsächlich medizinische Hilfe benötigte.

Die Lufthansa zahlte am Ende 250 Euro Entschädigung.
Die Lufthansa zahlte am Ende 250 Euro Entschädigung.

© imago images / ZUMA Press

Nach der Rückkehr schilderte Frau Lehmann der Lufthansa den Fall in einem langen Beschwerdebrief und verlangte Schadensersatz und Schmerzensgeld von zusammen zunächst rund 1400 Euro. Doch die Airline wiegelte ab. Umfangreiche Unterlagen dazu liegen unserer Redaktion vor. Mehr als ein halbes Dutzend fruchtloser Telefonate sind dokumentiert, Mails gingen hin und her, Belege wurden verlangt und übersandt. Unterm Strich: weitere Mühe, Zeit und Ärger.

250 Euro Entschädigung

Die Lufthansa entschuldigte sich zwar mehrfach für die peinlichen Vorfälle, lehnte aber eine Erstattung von Flugkosten und die Zahlung von Schmerzensgeld ab. Zunächst bot die Airline nur eine Pauschale von 100 Schweizer Franken (damals rund 83 Euro) für Telefon- und Taxikosten an und verlangte Nachweise für die gekaufte Ersatzkleidung. Statt der verlangten 421 wurden erst nur 35 Franken pauschal gezahlt. Am Ende gab sich Frau Lehmann nach mehreren Monaten zermürbenden Schriftwechsels entnervt mit nur rund 250 Euro Entschädigung zufrieden. Die Erfahrungen mit der Airline haben die Konzernmanagerin nachhaltig enttäuscht: „Wenn wir unsere Kunden so behandeln würden, wären wie nie so erfolgreich geworden.“

Das sind Ihre Rechte

Wenn das Reisegepäck beim Verladen verloren geht oder beschädigt wird, haften die Airlines. Melden Sie den Schaden sofort am Flughafen, spätestens aber bei der Airline nach sieben Tagen.

Fall 1: Der Koffer ist verspätet

Kommt ein Koffer verspätet am Reiseziel an, können Reisende Kleidung und Kosmetik kaufen und die Ausgaben später von der Airline zurückholen. Die Höchstsumme liegt derzeit bei 1385 Euro pro Passagier. Die Anschaffung muss nachvollziehbar, der Preis angemessen sein. Meist werden 50 Prozent des Preises für Kleidung erstattet, die Kosten für Verbrauchsartikel vollständig. Dafür müssen die Ausgaben spätestens 21 Tage nach Wiedererhalt des Koffers schriftlich gemeldet werden. Passiert das Problem auf der Rückreise, gelten Ersatzkäufe als unnötig und werden nicht erstattet.

Fall 2: Der Koffer kommt gar nicht

Wenn ein Koffer mehr als 21 Tage verspätet ist, gilt er als verloren. Die Erstattung ist ebenfalls auf höchstens 1385 Euro begrenzt. Koffer und Inhalt werden nach Zeitwert erstattet. Erstattungsansprüche sind bis zu zwei Jahre nach Verlust des Koffers gültig. Um Anspruch auf Kostenerstattung zu haben, müssen Fluggäste noch am Flughafen einen Schadensbericht („Property Irregularity Report“) ausfüllen.

Fall 3: Der Koffer ist beschädigt

Sind Koffer oder Inhalt beschädigt oder fehlt ein Teil des Inhalts, können Reisende bis zu 1385 Euro erstattet bekommen. Für die Kostenerstattung muss am Flughafen ein Schadensbericht ausgefüllt oder der Airline der Schaden spätestens sieben Tage nach Erhalt des Koffers schriftlich gemeldet werden.

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