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PEGIDA-Demonstration vor der Frauenkirche in Dresden - die Rechten versuchen Begriffen wie "Christentum" für sich zu kapern.

© Arno Burgi/dpa

Unterwanderung der Kirchen: Rechtspopulisten predigen die Angst

Rechte und AfD-nahe Christen gewinnen an Einfluss. Damit müssen sich die Kirchen auseinandersetzen. Ein Kommentar.

In den letzten Jahren ist es rechten Strömungen gelungen, in Teile der Gesellschaftsmitte vorzudringen. Zwar existierten diese Denkrichtungen schon immer in der Bundesrepublik, doch waren sie bislang gesellschaftlich und politisch fast bedeutungslos. Hingegen stießen sowohl die Alternative für Deutschland (AfD) als auch die Pegida-Bewegung in bürgerlichen Kreisen auf Sympathien und blieben selbst dann anschlussfähig, als sie sich zunehmend radikalisierten. Unter dem berüchtigten Motto „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“ trauten sich plötzlich auch Menschen aus der bürgerlichen Mitte, rechtspopulistisches Gedankengut zu vertreten und etwa von „Altparteien“ und einer „Politikerkaste“ zu sprechen und die Medien als „Lückenpresse“ beziehungsweise „Lügenpresse“ zu diffamieren.

Man kann mittlerweile von einer regelrechten Spaltung innerhalb der konservativen Kreise beider Konfessionen sprechen. Mit „konservativen Kreisen“ sind diejenigen Gläubigen beider Konfessionen gemeint, die sich selbst so einordnen: Katholiken, die etwa den Zölibat befürworten, die Frauenordination ablehnen und Anhänger einer strengen Kirchenhierarchie sind sowie bibeltreue Protestanten, die die Heilige Schrift zum Teil sehr wörtlich nehmen. In der Regel sind Letztere dem evangelikalen Milieu zugehörig, also entweder Mitglieder von Freikirchen oder in den entsprechenden Kreisen der Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Hause. Regional findet man sie besonders häufig in den pietistisch geprägten Regionen im Südwesten, aber auch in schwäbischen Gebieten in Bayern, im „Bibelgürtel“ rund um Dresden, in der Gegend um Wuppertal sowie im Siegerland und in Nordhessen. Der eine Teil von ihnen hat rechtes Denken mindestens partiell adaptiert und pflegt dementsprechend dieselben Feindbilder, während der andere Teil sich davon strikt abgrenzt. Wie unter einem Brennglas ist bei der ersten Gruppe etwas zu sehen, was sich auch gesamtgesellschaftlich beobachten lässt: Aus ehemals harmlosen Konservativen werden Menschen, die schrittweise rechte Positionen übernehmen und sich nach und nach radikalisieren.

Ehemals harmlose Konservative radikalisieren sich nach und nach

Zwar erscheint bei den kirchennahen Christen der prozentuale Anteil derer, die gen rechts gedriftet sind, nicht besonders hoch, jedoch sind sie in den sozialen Medien und den Kommentarspalten des Internets sowie auf eigenen Blogs sehr aktiv. Sie verfügen über prominente Aushängeschilder und Netzwerke, mittels derer sie versuchen, Einfluss auf die Politik und die Kirchen zu nehmen. Innerhalb der AfD gibt es eine Gruppierung, die sich Christen in der AfD nennt.

Freilich sind nicht alle Christen, die sich rechtes Gedankengut angeeignet haben, AfD-Anhänger. Manche von ihnen neigen den Unionsparteien zu. Ihre Meinungen und Werte unterscheiden sich gesellschaftspolitisch oftmals nicht wesentlich von denjenigen, welche man in AfD-Kreisen vorfindet. Gemeinsame Feindbilder sind etwa der „Genderwahn“, die „Islamisierung des Abendlands“ und die „GEZ-Medien“. Viele dieser Menschen, wenngleich längst nicht alle, ziehen immerhin dann eine Grenze, wenn das Denken völkisch-rechtsradikal wird. Mit Björn Höcke, dem Rechtsausleger der AfD, wollen die meisten inhaltlich nichts zu tun haben. Dennoch haben nicht wenige von ihnen neurechte Topoi wie die „Überfremdung“ oder die Unterscheidung zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ übernommen.

Die AfD kapert die Begriffe christlich und Christentum

Bedenklich ist diese Entwicklung, weil man bei Menschen, die dezidiert christlich auftreten, eher nicht mit rechtem Gedankengut rechnet. Oftmals genießen sie einen Glaubwürdigkeitsvorschuss, weil ihnen ein hohes Maß an Nächstenliebe und Barmherzigkeit zugeschrieben wird. Das macht es ihnen besonders einfach, ihre Thesen unter dem Deckmantel der Lehramts- oder der Bibeltreue zu verbreiten. Im Frühjahr 2016 sprach der Publizist Thomas Seiterich darum auf „katholisch.de“, dem offiziellen Portal der Deutschen Bischofskonferenz, zutreffend von einem neuen „semantischen Kampf um das Christliche“. Er hob hervor, dass „führende Akteure der rechtspopulistischen AfD die Begriffe christlich und Christentum kapern“ und „die frisch eroberten Worte nach ihrer rechten Ideologie um(deuten)“. Auf diese Weise, so Seiterich, machten „die selbst ernannten Abendlandverteidiger aus dem internationalistischen, antirassistischen Christentum der Nächstenliebe eine Art antiislamische, weiße Stammesreligion“. Er betonte weiter, dass die „Brisanz“ dieser Entwicklung in vielen Kirchenregionen außerhalb großer Städte vielerorts noch nicht erkannt worden sei.

In der Auseinandersetzung mit rechten Positionen sind die Kirchen und die Gesellschaft gefordert, auch dezidiert konservative und streng fromme Positionen auszuhalten, was vielen im linksliberalen und linken Milieu mitunter schwerfällt. Umgekehrt gilt es aber, aufzuzeigen, wo die Grenze zu einem rechten Denken überschritten wird, das mit dem christlichen Menschenbild nicht mehr kompatibel ist.

Der Text ist ein gekürzter Vorabdruck aus dem neuen Buch unserer Causa-Kolumnistin. „Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“. Das Buch erscheint am 3. April bei Droemer.

Liane Bednarz

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