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Die drei Haferfreunde: Anna, Levin und Leandro mit einer Portion Porridge.

© Doris Spiekermann-Klaas

Unsere Lieblingsläden in Berlin: Haferkater: Porridge at its best

Es war: Babybrei. Arme-Leute-Grütze. Haferschleim. Es ist: vegan, laktosefrei, Trend. Deshalb bildet sich seit ein paar Monaten auf dem Parkplatz vor Getränke Hoffmann und Lidl in der Boxhagener Straße eine beachtliche Schlange

Von Julia Prosinger

Und zwar morgens um acht.

„Irgendwas fehlt“, dachte der Jurist Leandro Burguete, als er vor einem Jahr nach Berlin zog. Es waren nicht die feinen französischen Backwaren aus seiner Heimat. Sondern der Haferbrei aus seiner Studienstation England: Porridge. Dort und in den USA, wo das Ganze Oatmeal heißt, gibt es das Frühstück traditionell als eher pampiges Fertiggericht mit Milch und viel, viel Zucker. In den letzten Jahren setzt es sich modern variiert durch. Auf Foodblogs tauschen Fans Rezepte aus: Haferschleim supersüß mit Nutella, Haferschleim gegen den Kater mit Cheddar und Speck.

Leandro überzeugte seine Freunde, den Musiker Levin Siert und die Germanistikstudentin Anna Schubert, kochend von seiner neuen Vorliebe. Morgens servierte er ihnen warmes Porridge. Mit Beeren, Nüssen, Schokostreuseln. Wie gut das schmecken kann, wenn man nur weiß, wie! „Wir haben schnell verstanden, dass Hafer eine Wissenschaft wie Kaffee ist“, sagt Levin. Fast. Denn während in Berlin inzwischen jeder Liebhaber in seiner Freizeit einen Barista-Kurs belegen kann, mussten sich die drei Freunde die Expertise über das Allerweltsgetreide selbst aneignen. Sie mahlten, rösteten und rührten, bis sie das Geheimnis des perfekten Schleims enthüllt hatten.

Eine hölzerne Getreidequetsche braucht es dazu, die aus den unscheinbar beigen Körnern zarte Flocken zaubert. Anders als beim Mahlen entstehen hierbei verschieden große Partikel, eine Art Haferstaub, die später, wenn es ans Rühren geht, das Wasser binden. Dadurch wird der Brei ganz ohne Milch cremig. „Die Maschine ist ein Familienmitglied“, sagt Anna. Dann müssen die Flocken gemütlich in einer Bratpfanne rösten, das nimmt ihnen jede Bitterkeit. Anschließend quillt der Hafer in Schraubgläsern bei 65 Grad vor sich hin. Knapp 35 Minuten, die Flocken sollen al dente sein.

So wurden aus den drei Freunden (23, 24 und 28), denen Haferflocken noch vor Kurzem völlig egal waren, professionelle Frühstücksmacher. Sie nannten sich Haferkater, kratzten das Fett aus einer alten Dönerbude und errichteten in nur sechs Wochen am Rand des traurigen Parkplatzes eine Insel. Mit Holzpaletten und Kletterpflanzen. Seit September vergangenen Jahres holen sich Geschäftsleute und Studenten hier ihre Portion gequetschtes Getreide mit Wasser und Salz. Simpel, to go, knapp drei Euro. Die Ballaststoffe aus dem Brei machen lange satt, in den recycelbaren Bechern aus Maisstärke oder den auswaschbaren Pfandgläsern bleibt er fast eine Stunde warm. Manch einer hat es letzten Winter überhaupt nur mit einer morgendlichen Schüssel Brei heil über die zugigste aller Berliner Brücken, die Warschauer, geschafft. Die warme Grütze, stellt man sich vor, schützt vor allem, was der nasskalte Tag bringen wird.

Besonders gut im Sommer: Apfelkater mit selbstgemachtem Apfelmus inklusive frischer Vanille, das sanft in den körnigen Brei hineinrinnt, und knackigen Walnüssen. Alles biozertifiziert. Die Löffel sind aus Bambusholz, das wächst rasch nach, die Milch ist Demeter. Wer mag, nimmt sich noch einen Filterkaffee von „The Barn“ mit (die ihre Bohnen ähnlich liebevoll behandeln wie die drei Freunde ihren Hafer) oder einen kalt gepressten Saft mit allerlei Gemüse (Brokkoli ist nur eine der erstaunlichen Zutaten).

Wenn Anna eine Portion Porridge langsam in den Becher laufen lässt und einem morgenmuffligen Kunden in die Hand drückt, dann denkt sie: „Ich schicke dich mit etwas Gutem in den Tag.“ Das, sagt sie, mache sie glücklich.

Haferkater, Boxhagener Straße 76-78, Friedrichshain, Mo-Fr: 8-18 Uhr/Sa-So 9-18 Uhr oder an jedem dritten Sonntag in der Kreuzberger Markthalle Neun beim „Breakfast Market“.

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