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Genauer Blick. Tamim Sibais Bilder zeigen Gesichter mit Geschichten.

© Marion Borriss

Gesichter der UdK Berlin: „Kunst ist so friedvoll“

Tamim Sibai aus Syrien hat in zuerst Damaskus studiert und ist nun ist UdK-Meisterschüler

Mit kühlem Blick schaut der Mann auf einen herab. Er trägt eine dunkle Militäruniform mit goldenen Knöpfen. Ruhig lässt er seine Macht wirken. Doch je länger man das expressionistische Ölgemälde anblickt, desto mehr glaubt man, hinter eine Fassade schauen und eine gewisse Unsicherheit in den kleinen Augen zu entdecken. Andere Pinselstriche gewinnen an Bedeutung: Die Augenbrauen, die Mundwinkel, wirken sie nicht traurig? Plötzlich scheint der Mann um Vergebung zu bitten, man versöhnt sich mit dem Bild. Es ist eines der vielen ausdrucksstarken Gemälde des syrischen Künstlers Tamim Sibai, der als Meisterschüler an der UdK Berlin studiert.

Im Voodoo55, einer von außen unscheinbaren, kleinen Galerie im Wedding, hat er Ende Mai einige seiner Portraits ausgestellt. „Manchmal sieht es in den Menschen ganz anders aus als das, was sie zeigen“, sagt er. Gesichter zu malen stellt die Basis für sein künstlerisches Schaffen dar: „Manchmal nehme ich das Gesicht als Thema, manchmal zeige ich das Thema durch das Gesicht.“ Ihn interessieren das Zwischenmenschliche und der Kontrast zwischen Innenleben und äußerem Verhalten.

Von Syrien über Sudan nach Berlin

Der 26-Jährige mit den blonden, leicht rötlichen Haaren und dem Dreitagebart hat ein freundliches Gesicht. Er trägt ein weißes Hemd und helle Jeans. Wird er fotografiert, kontrolliert er gerne, dass er fröhlich und nicht zu ernst wirkt. Sibai ist in Damaskus geboren, seine Eltern sind Architekten, der Vater auch Maler, seine ältere Schwester studierte ebenfalls Kunst. Mit 14 Jahren ging Sibai auf ein Kunst-Institut, nach seinem Schulabschluss studierte er Kunst in Damaskus. „Ich hatte viel Glück mit meiner Familie“, erzählt er. „Sie haben mich immer unterstützt.“ Wegen des Kriegs zog er zunächst in den Sudan. Seit zwei Jahren lebt er in Berlin und schließt im Sommer sein Studium bei Burkhard Held ab.

Er sei ein Mensch des Jetzt, sagt er. „Ich genieße nur den Moment und bin nicht so gut im Nachdenken.“ Fragt man ihn nach seinem Alter, muss er erst rechnen. Ob er in Berlin bleiben wird, weiß er noch nicht. Auch beim Malen ist er Meister darin, Momente einzufangen. Besonders deutlich wird das in einer Serie zu den Tänzen der Zulus, einer südafrikanischen Ethnie. Einzelne Bewegungen hat er mit Tinte und Aquarellfarben festgehalten. Die Bilder scheinen zu leben und sind doch ganz still.

„Böse Menschen interessieren mich besonders"

Die meisten Personen, die er malt, wirken düster, verzweifelt oder schmerzerfüllt. Es sind Menschen, die er kennengelernt oder gesehen hat. „Die Gesichter erzählen viele unterschiedliche Geschichten, doch am Ende sehen sie alle gleich aus“, sagt er. Für seine Ölbilder verwendet Sibai kräftige, teils aggressive Farben, die er mit groben Pinselstrichen dick aufträgt. Die Textur der Ölfarben findet er spannend. Sie versinnbildliche die Komplexität und Vielschichtigkeit eines Individuums. Der Mund spielt in Sibais Gesichtern eine besondere Rolle. Die Probleme der Welt begännen immer dann, wenn der Mensch etwas Schlimmes sagt, erklärt er. „Böse Menschen interessieren mich besonders. Wieso gibt es sie?“

Ein Bild ist für Sibai wie ein Mensch: „Es kann zwar nicht reden, aber es muss reagieren.“ Noch warte er auf sein Echo. „Es ist nicht immer wichtig, Antworten zu finden“, sagt er. „Was ich aber finde, sind viele Fragen.“ Die Reaktionen anderer Menschen auf seine Bilder sind für ihn wertvoll, Ausstellungen Orte des Austauschs. So hat eine Besucherin in einem Gesicht einen fliegenden Vogel entdeckt, den er selbst nie gesehen hat. „Ich male, weil es der einzige Weg für mich ist, meine Gefühle rauszulassen“, sagt Sibai. „Kunst ist so friedvoll.“

Beim Rundgang werden Sibais Bilder in der Quergalerie sowie in Raum 93, 213 und 218/219 in der Hardenbergstraße gezeigt.

Julika Bickel

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