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Die Rennradhaltung ist eine Haltung, bei der man den Schwerpunkt weit vor die Pedalebene legt, um mehr Kraft auf die Pedale ausüben zu können. So eine Haltung kann nur richtig ausüben, wer einen stark trainierten Rücken hat.

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Tipps vom Orthopäden: Wie schont man Wirbelsäule und Gelenke beim Radfahren?

Wer Rad fährt, stärkt die Rückenmuskulatur. Doch was muss man beachten, um Wirbelsäule und Gelenke zu schonen? Ein Interview mit dem Orthopäden Miguel Alquiza

Herr Alquiza, ist Radfahren gut für den Rücken?

Es ist gut für den Rücken, zumindest ist es nicht rückenschädlich. Man muss natürlich auf einiges achten: die Sitzposition, die richtige Größe des Fahrrads und welches Fahrrad man überhaupt fährt. Rückenkranken empfehlen wir generell voll gefederte Fahrräder. Die Federungen fangen axiale Stöße ab. Wir wissen, dass dadurch die Kräfte, die bei Stößen auf den Rücken wirken, um 30 bis 40 Prozent reduziert werden. Und dann muss man den Rücken über die richtige Sitzposition entsprechend entlasten.

Gibt es einen Fahrradtyp, der sich dafür besonders eignet?
Die ideale Sitzposition hat man heutzutage auf einem Trecking- oder City-Rad. Bei ihnen liegt der Körperschwerpunkt auf Höhe der Pedallinie. Der Oberkörper ist dann leicht nach vorn geneigt, so um die 15 bis 20 Grad. Sie sollten dann eine Sitzposition einnehmen, bei der der Winkel zwischen Oberkörper und Armen bei etwa 90 Grad liegt. Dann wird der Rücken am wenigsten belastet.

Viele Leute empfinden es als besonders bequem, auf einem klassischen Hollandrad zu fahren und besonders aufrecht zu sitzen.

Diese Sitzposition ist nicht ideal. Wenn die Wirbelsäule zu gerade ist, werden die axialen Stöße direkt weitergeleitet. Zudem liegt der Körperschwerpunkt dann hinter der Pedallinie, und damit verlieren Sie an Energie. Sie haben keine perfekte Kraftübertragung auf die Pedale. Das verleitet zu Ausgleichbewegungen, die wiederum dem Rücken schaden.

Was kann man bei der Sitzhöhe falsch machen?

Die Sitzhöhe ist immens wichtig. Ein zu hoch eingestellter Sattel belastet die Wirbelsäule. Ein zu niedriger zieht die Kniegelenke in Mitleidenschaft.

Wie stellt man die Sattelhöhe denn richtig ein?

Beim tiefsten Punkt der Pedale darf das Bein nicht ganz durchgestreckt sein. Und Sie müssen darauf achten, dass das Becken sich nicht mitbewegt. Wenn jemand aus dem Becken arbeiten muss, um unten an die Pedale zu kommen, ist der Sattel zu hoch. Viele denken: „Je höher der Sattel, desto mehr Kraft kann ich auf die Pedale geben.“ Das mag stimmen, aber wenn das Becken seitlich schwingt, nach rechts und links, ist das leider ungünstig für die Wirbelsäule. Es sollte immer stabil liegen. Und wenn die Pedale am höchsten Punkt stehen, sollte Ihr Kniegelenk nicht stärker als 90 Grad angewinkelt sein. Wenn es zu stark angewinkelt ist und Sie aus dieser Haltung Kraft beziehen wollen, geht das auf den Meniskus.

Unser Experte Miguel Alquiza ist Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie amEvangelischen Waldkrankenhaus Spandau. Die Klinik ist das von den niedergelassenen Orthopäden Berlins für die Therapie eines Bandscheibenvorfalls am zweit häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).
Unser Experte Miguel Alquiza ist Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie amEvangelischen Waldkrankenhaus Spandau. Die Klinik ist das von den niedergelassenen Orthopäden Berlins für die Therapie eines Bandscheibenvorfalls am zweit häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).

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Manchmal klagen Leute über taube Handgelenke beim Radfahren. Was ist da schiefgelaufen?

Das Problem kommt häufig vor. Taube Handgelenke haben mit dem Karpaltunnel auf der Innenseite des Handgelenks zu tun. Durch ihn verläuft der Nervus medianus, der die Bewegungen der Finger und des Daumens steuert. Bei Muskelanspannungen und Vibrationen meldet er sich und dann kommt es zu tauben Fingern und Händen. Dem kann man entgegenwirken, indem man ein gefedertes Fahrrad fährt, um Stöße auf das Handgelenk zu reduzieren. Und man sollte den Oberkörper nur mäßig auf die Arme aufstützen. Je weiter man sich nach vorne neigt, desto mehr Druck gibt man auf die Hände. Bei einer idealen Oberkörperneigung von 15 bis 20 Grad ist der Druck aber meist gering.

Was ist, wenn man beim Radfahren Nackenschmerzen spürt?

Nackenschmerzen sind meist ein chronisches Problem, nicht nur beim Fahrradfahren. Sie entstehen aus dauerhaften Fehlhaltungen, die ­Patienten haben häufig schon eine Hyperkyphose im oberen Brustwirbelsäulenbereich - einen Rundrücken. Das heißt, die Wirbelsäule ist stark nach vorn gekrümmt, und entsprechend müssen die Patienten den Kopf heben, um geradeaus zu gucken. Solchen Patienten raten wir, eher etwas aufrechter zu sitzen, damit sie den Nacken nicht so stark strecken müssen.

Es heißt ja, dass viele Rückenleiden davon kommen, dass wir zu viel sitzen. Ist das Sitzen auf dem Fahrrad besser?

Es ist ein anderes Sitzen. Auf dem Fahrrad haben Sie einen geraden Rücken, und durch das leichte Vorbeugen ist die tiefe Rückenmuskulatur angespannt. Deshalb hat Fahrradfahren einen sehr guten Trainingseffekt für die Rückenmuskulatur. Auf einem Stuhl zu sitzen, ist etwas anderes. Dabei ist das Problem gar nicht das Sitzen an sich, sondern dass 90 Prozent der Menschen falsch sitzen. Würde man den Schreibtischstuhl anpassen und das ergonomische Sitzen verinnerlichen, gäbe es wesentlich weniger Probleme.

In letzter Zeit sind alte Rennräder in Mode gekommen. Wie rückenfreundlich sind die?

Die Rennradhaltung per se ist eine Haltung, bei der Sie den Schwerpunkt weit vor die Pedalebene legen, um dadurch mehr Kraft auf die Pedale ausüben zu können. Das Problem ist: So eine Haltung kann nur richtig ausüben, wer einen stark trainierten Rücken hat. Wenn Sie den nicht haben, würde ich Ihnen nicht empfehlen, Rennrad zu fahren. Sie sollten ihre Rückenmuskulatur erst langsam daran gewöhnen und dann mit der Neigung weiter nach vorne gehen. Das bekommen Sie selbst schnell heraus, wenn Sie sich auf so ein Rennrad setzen und einfach mal untrainiert 50 Kilometer fahren. Dann haben Sie Rückenschmerzen. Aber das ist vor allem Muskelkater und muss nicht gleich gefährlich sein.

Thema Gangschaltung: Sollte man eher in hohen oder niedrigen Gängen fahren?

Man sollte eher einen niedrigen Gang wählen und eine höhere Umdrehungszahl der Pedale. Für die Gelenke sind hohe Gänge, bei denen Sie unheimlich viel Kraft brauchen, wesentlich ungünstiger.

Ist Radfahren bei richtiger Sitzposition denn auf Dauer unbedenklich?

Radfahren ist sehr gesund, und wie bei allen sportlichen Aktivitäten ist es wichtig, das richtige Maß einzuhalten. Man muss sich vor Überlastungen schützen. Aber an sich kann man mit dem Radfahren nicht viel falsch machen.

Miguel Alquiza ist Chefarzt des Zentrums für Wirbelsäulenchirurgie am Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau und fährt selbst ein Trekkingrad.

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