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FU-Wissenschaftler erforschen, wie Schweine optimal ernährt werden können.

© Shutterstock, talseN

Tiernahrung: Superfood für die Sau

Roggen fördert die Gesundheit von Schweinen - und die brauchen deshalb weniger Antibiotika. Es gibt noch weitere Pluspunkte – sogar für das Klima.

Menschen und Schweine haben viel gemein. Unter anderem, dass sie – anders als Kühe – nur einen Magen haben, sogenannte Allesfresser sind und sich vielseitig ernähren müssen, um gesund zu bleiben. Getreide und eiweißreiche Futtermittel sorgen dafür, dass Mastschweine schnell viel Muskelmasse zulegen. Ausgewogenes Mischfutter ist das Zauberwort dafür. Roggen, ein in der Tiermast etwas in Vergessenheit geratenes Getreide, soll dabei künftig wieder eine größere Rolle spielen – auch in Kombination mit Raps.

„6-R-Konzept“ heißt das Innovationsprogramm, welches das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu diesem Zweck aufgesetzt hat. Es steht für „Regionale Renaissance von Roggen und Raps zur Reduktion von Problemen in Pflanzenbau und Tierproduktion durch Reevaluation der Inhaltsstoffe“. Es geht um Tiergesundheit, aber auch um Nachhaltigkeitsaspekte und klimagerechtes Handeln. Neben der Freien Universität Berlin sind an diesem Programm unter anderem die Universität Bonn, die Tierärztliche Hochschule Hannover und der Saatgutzüchter KWS beteiligt.

Roggen wurde über Jahre stiefmütterlich behandelt

„Roggen ist in der Tierernährung nicht neu. Doch über viele Jahre wurde er etwas stiefmütterlich behandelt. Zu Unrecht, wie wir denken“, sagt Professor Jürgen Zentek vom Institut für Tierernährung der Freien Universität Berlin. Das aromatische, etwas bittere Getreide hatte lange ein „Imageproblem“. Zum einen waren die Erträge im Vergleich zum Weizen geringer. Zum anderen war Roggen recht anfällig für den Mutterkornpilz, der für Mensch und Tier hochtoxische Alkaloide bildet. Durch Züchtungsfortschritt ließen sich diese Probleme reduzieren. Mühlen können heute zudem über Siebe und Farbscanner die dunklen Mutterkörner, Dauerstadien des Pilzes Claviceps purpurea, aussortieren.

So kann moderner Hybridroggen mit den für das Getreide typischen Vorteilen voll punkten: Roggen enthält mehr Ballaststoffe als Weizen, gedeiht auch auf kargen, sandigen Böden, leidet weniger an Blattkrankheiten und ist winterhart bis minus 25 Grad Celsius. Außerdem kommt er, dank seines ausgeprägten Wurzelwerks, mit deutlich weniger Stickstoffdünger und einem Drittel weniger Wasser aus als Weizen.

Jürgen Zentek erforscht, wie sich Hybridroggen auf die Gesundheit von Schweinen auswirkt. Fütterungen mit roggenhaltigen Futtermischungen hätten gezeigt, dass er sehr positive Effekte auf die Darmschleimhaut der Tiere hat: „Roggen enthält mehr von den sogenannten Nicht- Stärke-Polysacchariden als Weizen. Da sie nicht so schnell abgebaut werden, gelangen sie bis in den hinteren Teil des Darms. Dort werden sie von Mikroorganismen fermentiert, und dabei entsteht unter anderem Buttersäure. Sie nährt die Darmschleimhaut und kann positive Effekte auf die Regulation von Entzündungsprozessen haben“, erklärt Jürgen Zentek.

Gesündere Schweine brauchen weniger Antibiotika

Veterinäre der Tierärztlichen Hochschule Hannover stellten außerdem fest, dass bei Roggenfütterung weniger Salmonellen im Schweinedarm zu finden sind. Gesündere Schweine brauchen weniger Antibiotika, was gut ist für die Gesundheit von Schwein und Mensch und natürlich auch wichtig für die Umwelt. Roggen ist also ein echtes „Superfood“. Übrigens auch für den menschlichen Darm. Wichtig ist zudem: Lange Transportwege entfallen, denn das anspruchslose Getreide gedeiht auch in unserer Region. In Ostdeutschland, speziell Brandenburg, wird traditionell viel Roggen angebaut.

Derzeit wird Schweinefutter häufig Weizen sowie aus Süd- und Nordamerika eingeführtes Sojaschrot zugefügt. Züchtungen ermöglichten es, dass Soja nun auch in weniger warmen Regionen gedeiht. Die Anbaugebiete breiten sich vom Balkan bis in die Ukraine aus. „Wir haben uns auch den Ersatz von Sojaschrot auf die Fahnen geschrieben, denn wir haben gute einheimische Proteinträger. Rapsschrot, ein eiweißreiches Nebenprodukt der Rapsölherstellung, ist ein interessanter und für die Tierernährung wichtiger Proteinlieferant, der auch gut mit Roggen kombiniert werden kann“, betont Jürgen Zentek. Es geht aber auch um mehr Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion – in der Produktion von Brot wie der von Fleisch, Milch und Eiern.

Für Brot und Brötchen werden die gleichen Getreidesorten verwendet wie in der Tierfütterung. Nur die Qualitäten unterscheiden sich, bedingt durch Wachstums- und Erntebedingungen. Der Unterschied von Brotroggen und Futterroggen liegt im Wesentlichen in der Korngröße. „Die kleineren Körner enthalten weniger Stärke, sind deshalb für die Bäckerei weniger gut geeignet. Dafür enthalten sie mehr Eiweiße und Ballaststoffe. Perfekt für die Tierfütterung“, sagt Jürgen Zentek. Auch Nebenprodukte wie Roggenkleie sollten zunehmend genutzt werden.

Würden alle 18 000 Schweinemastbetriebe in Deutschland mit insgesamt rund 17 Millionen Tieren auf roggenhaltiges Futter umstellen, ließen sich allein dadurch jährlich 20 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes in der Landwirtschaft einsparen: 6,5 Millionen Tonnen! Zudem ist Roggen robuster gegenüber Trockenheit, also für den Klimawandel besser gerüstet als Weizen. Viele gute Gründe für eine Renaissance des Roggens in der Tierernährung. Und was meinen die Schweine? Sie fressen beides gern.

Catarina Pietschmann

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