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Prince 2013 beim Montreux Jazz Festival.

© Marc Ducrest/dpa

Nachruf: Prince hat Zeitgeist geschaffen

Mit "Purple Rain" eroberte er die Welt. Mit Songs zwischen Funk, Blues, Jazz und Rock. Zum Tod von Prince, dem großen Exzentriker des Pop.

Von Jörg Wunder

Die Helden gehen. Es sind die schillernden, die androgynen, die Multitalente, die sich 2016 in den Pophimmel verabschieden. Die Unberechenbaren. Im Januar starb David Bowie, nun auch noch Prince.

Dessen einmalige Künstlerkarriere könnte man auch von ihrem Ende her erzählen. Der Prince der späten Jahre war ein Rätsel. Seine letzten Platten trugen seltsame Titel wie „Plectrumelectrum“ (2014) oder „HITnRUN Phase One“ (2015) und waren selbst für wohlmeinende Fans verwirrend. Der späte Prince hatte mit dem, was zeitgenössische Popmusik sein kann, nicht mehr viel zu tun. Das wäre bei vielen Popstars keine große Sache. Bei Prince Rogers Nelson war es aber tragisch.

Geboren wurde er als Sohn einer weißen Sängerin und eines schwarzen Jazzmusikers am 7. Juni 1958 in Minneapolis, Minnesota. In jenem legendären Popjahr, in dem auch Michael Jackson und Madonna das Licht der Welt erblickten. Mit sieben konnte er Klavier spielen, mit zwölf soll der Junge, der nach der Trennung der Eltern eine Weile bei seiner Tante aufwuchs und dann bei der Mutter eines Freundes, 22 Instrumente beherrscht haben.

Was man sich halt von einer mythischen Popgestalt so erzählt, die mal als Satan, mal als Engel angebetet wird, als Derwisch, als Denker, als Rebell. Er hat sich alles selbst beigebracht.

Prince - Basketballer mit kaum 1,60 Meter

In seinen besten Jahren war er eines wie kein zweiter: pure Gegenwart. Vielleicht sogar mehr als das: Prince hat Zeitgeist geschaffen. Man konnte als musikbegeisterter Mensch die 80er Jahre prima damit verbringen, zu depressivem Post-Punk das Haupthaar zu schütteln oder sich schultergepolsterte Synthiepop-Bands schönzuhören. Oder man hatte Glück und interessierte sich für Black Music.

Und dann durfte man nicht nur die Geburt von Hip-Hop und House und den kometenhaften Aufstieg von Michael Jackson in Echtzeit miterleben, sondern auch die einzigartige Kreativexplosion des jungen Prince.

Angefangen hatte seine Plattenkarriere vielversprechend, aber harmlos. An seinem Debütalbum „For You“, erschienen 1978, Prince war 19, verblüffte vor allem, dass dieser dreiste Teenager die ganze Platte im Alleingang gestemmt hatte. Prince sang, hatte die Songs geschrieben und spielte alle möglichen Instrumente von der E-Gitarre bis zum Schlagzeug selbst.

Ein Multitalent, hochbegabt sowieso. Dazu passt, irgendwie, dass der schillernd-schrille Meister der Musikmischungen von Rock über Jazz bis Funk, kaum 1,60 Meter groß, in seiner Schulzeit auch ein exzellenter Basketballspieler war, wie Richard Robinson sich nun erinnert, sein Coach damals an der Central High School.

Vielleicht verdankt die Popwelt den unglaublichen Aufstieg von Prince ja seiner Körpergröße; der Junge hatte kaum Chancen auf eine Sportkarriere – weshalb er sich zunehmend der Musik zuwandte. Der Rest ist Popgeschichte.

Mit Warner Brothers hatte einer der großen Plattenmultis den minderjährigen Künstler unter Vertrag genommen und ihm völlige kreative Freiheit eingeräumt. Ein Vertrauensvorschuss, der sich auszahlen sollte. „For You“ war nicht mehr als eine Duftmarke, ein ephemeres Werk zwischen Funk und Disco.

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Doch schon Album Nummer zwei, schlicht „Prince“ betitelt und mit dem selbstbewusst mit nacktem Oberkörper in die Kamera blickenden Künstler auf dem Cover, war ein Riesenschritt. Die Arrangements wurde minimalistischer, luftiger, ließen Platz für seinen unverkennbaren Falsettgesang.

Und die Platte war ein Erfolg, warf mit „I Wanna Be Your Lover“ einen US-Top-20-Hit ab und hatte noch einen zukünftigen Monsterhit in Reserve: „I Feel For You“, das fünf Jahre später in der Version von Chaka Khan um die Welt ging.

Prince gab Sex einen neuen Klang

Die nächsten Platten „Dirty Mind“ (1980) und „Controversy“ (1981) etablierten Prince als Meister des Erotischen in der Popmusik. Sex Talk war seinerzeit nichts Neues im schwarzen Pop, doch weder schlüpfrige Schlafzimmer-Souler wie Barry White noch Bühnenmachos wie James Brown hatten je so unverblümt vom Zwischenmenschlichsten gesungen wie Prince. Von 1982 bis 1987 gelangen Prince fünf Alben für die Ewigkeit, ein kreativer Royal Flush, den in vergleichbarer Qualität nur noch die Beatles und Bob Dylan hinbekommen haben.

Das Doppelalbum „1999“ war 1982 sein kommerzieller Durchbruch, verkaufte sich in den USA vier Millionen Mal. Prince war mit 24 auf einem Zenit seines Könnens angekommen und auch einsichtig genug, um andere mit ins Boot zu holen: Er scharte einen Kreis vorwiegend weiblicher Musiker um sich, nannte diese gut eingespielte Begleitband The Revolution.

In Amerika war er nun ein Star, überstrahlt nur von Michael Jackson, der aber ein anderes, weißeres Publikum ansprach. Das und den Rest der Welt eroberte Prince mit seiner nächsten Platte: „Purple Rain“, eigentlich Soundtrack zu einer schauderhaften pseudo-autobiografisch Schnulze mit Prince in der Hauptrolle.

Klingt in der Theorie furchtbar, war aber eine der besten Platten nicht nur der 80er. Und eine der erfolgreichsten dazu, allein in den USA 13 Millionen Mal verkauft. Es folgte die irrlichternde, aber geniale 60s-Pastiche „Around the World in a Day“ (1985), ein Jahr später der zweite Soundtrack „Parade“ (für den noch schauderhafteren Film „Under the Cherry Moon“) mit dem Tanzflächenfeger „Kiss“ und schließlich 1987 das zweite Doppelalbum „Sign o’ the Times“, das als das reifste, vielschichtigste Werk seiner Karriere gilt. Prince war der König der Welt, und die Welt wartete gebannt darauf, was er als nächstes tun würde.

Irgendwann in diesen Tagen des größten Ruhms fing der Ärger wohl an: Prince wollte ein hartes Funk-Album aufnehmen, Warner fand die Idee nicht so gut. Das „Black Album“ wurde zurück gestellt, das stattdessen 1988 veröffentlichte „Lovesexy“ galt als Kompromiss.

Prince hatte er sich von den verdienten Millionen bei Minneapolis seine Paisley -Park-Residenz gebaut, in die er sich nun mehr und mehr zurückzog.

Paisley Park war kein Palast, sondern ein Baumarkt

Sein Anwesen, Paisley Park, eine Mischung aus Tonstudio, Kommandozentrale und Partylocation, hatte er sich für zehn Millionen Dollar im 24.000-Seelen-Städtchen Chanhassen unweit seiner Heimatstadt errichtet. Wer dort zu einer seiner raren Audienzen empfangen wurde, sah sich beinahe enttäuscht: kein Palast, eher eine Art Baumarkt das Ganze, möbliert wie ein Mädchenzimmer der Achtziger, schrieb der „Rolling Stone“. Mit lila Teppichen, lila Gästetoiletten, blumigen Sitzkissen, vergoldeten Tischbeinen, dazu Chill-out-Zimmer mit Piano, versteht sich. Und der Meister dann gastfreundlich in Wolljacke und Schlaghosen.

Irgendwann eskalierte der Zwist mit seiner Plattenfirma, weil Warner zwar unzufrieden war, Prince aber auch nicht aus dem Vertrag entlassen wollte. Prince schrieb sich „Slave“ auf die Wange, legte sich Symbolnamen zu, nannte sich „The Artist Formerly Known As Prince“.

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Als Albumkünstler konnte Prince trotz eines beachtlichen Outputs qualitativ nie an die 80er anschließen. Dabei hatte der Musiker ja nichts von seiner Virtuosität, von seinem Charisma eingebüßt, was man bei seinem letzten Berlin-Konzert in der Waldbühne 2010 erleben konnte. Man hoffte, Prince könne nochmal einen großen Wurf landen.

Über den Privatmann weiß man nicht viel. Dass er drei Mal verheiratet war, zwei Mal mit derselben Frau, der Tänzerin Mayte Garcia. Dass er Zeuge Jehovas wurde, dass er Tee mit Honig mochte, außer Basketball auch Tischtennis spielte und bis zuletzt in Minneapolis lebte und dort auch starb, in seiner Paisley-Park-Residenz. An einer Grippe, heißt es, Einzelheiten wurden nicht bekannt.

Das wohl herzzerreißendste aller Prince-Lieder ist die Ballade „Sometimes It Snows In April“ aus dem Jahr 1986. Wenn der Himmel so traurig wäre wie wir, müsste die Erde heute von einer dünnen Schneeschicht bedeckt sein.

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