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Angela Merkel im Konrad-Adenauer-Haus.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Nach Koalitionsverhandlungen: In der CDU wabert die Unzufriedenheit mit Merkel

Hinter der Kritik an der Kanzlerin steckt bei vielen der Wunsch nach personeller Veränderung und einem Übergang „möglichst ohne Schmerzen“. Merkel solle die Zeichen der Zeit erkennen.

Von Robert Birnbaum

Für den Spezialauftritt bei Anne Will ist die Lage noch nicht ernst genug; die Talkshow ist Krisen vom Format der Flüchtlingswelle 2016 vorbehalten. Aber zum Interview am Sonntag im ZDF-Journal „Berlin Direkt“ hat sich Angela Merkel angesagt. Das will etwas heißen bei der Kamerascheuen.

Gemessen an den Kriegszuständen bei der SPD verläuft die Debatte über den Koalitionsvertrag in der CDU zwar in gesitteten Bahnen. Trotzdem sieht die Chefin sich zur Reaktion genötigt, bevor sich noch verselbständigt, was das Blatt mit den ganz großen Buchstaben mit seiner Freitagsschlagzeile herbeizuschreiben versucht: „Aufstand gegen Merkel“, textet „Bild“.

Ärger über Ressortverteilung ist groß

Der Aufstand liest sich im Kleingedruckten gleich viel bescheidener. Zu Wort kommen erprobte Merkel-Kritiker wie Griechenlandrebell Klaus-Peter Willsch, Kronzeuge ist Merkels Alt-Rivale Friedrich Merz. Der 62-Jährige geißelt den Verlust des Finanzministeriums: „Wenn die CDU diese Demütigung hinnimmt, hat sie sich selbst aufgegeben.“

Merz hat unter Älteren nach wie vor seine Fans. Andererseits fand er immer schon, dass Merkel die CDU zugrunde richte, was seinem Ruf zu den Waffen einiges an Schwung nimmt. Die Ankündigung der Jungen Union aus der CDU- Diaspora Hamburg, den Koalitionsvertrag beim Parteitag am 26. Februar abzulehnen, hat ebenfalls nicht das Zeug zur Massenbewegung wie die #NoGroKo- Kampagne der SPD-Jugend.

Aber der Ärger über die Ressortverteilung ist zweifellos groß, die Merkel nach der langen Nacht im Koalitionsvertrag unterschrieben hat. Er enthält auch eine andere Art von Sprengstoff als frühere Unmutswellen über die Vorsitzende. Die CDU ist eine Machtpartei. Spottreden über den „Kanzlerwahlverein“ erträgt sie, solange sie die Wahl hat. An inhaltlichen Reißwenden wie etwa in der Atompolitik leidet sie.

Die Jungwölfe wittern Morgenluft

Gegen Zumutungen wie Merkels frühen Flüchtlingskurs wehrt sie sich in Teilen auch schon mal verzweifelt. Aber erst wenn die Leitwölfin nicht mehr genügend fette Beute nach Hause bringt, wird das Rudel ernsthaft nervös. Und die Jungwölfe wittern dann natürlich gleich Morgenluft.

Tatsächlich laufen die Wortmeldungen aus der zweiten und dritten Reihe der CDU allesamt auf eine gemeinsame Forderung hinaus: Die Vorsitzende solle den Weg bereiten für eine Stabübergabe „möglichst ohne Schmerzen“, wie es der baden-württembergische Agrarminister Peter Hauk ausdrückt. Nicht jetzt, nicht sofort, keine Rücktrittsrufe, aber: „Angela Merkel sollte die Zeichen der Zeit erkennen und einen Übergang in dieser Legislaturperiode schaffen.“

Hauk ist Jahrgang 1960, hat also Helmut Kohls traumatische Endzeit miterlebt, als der Alte nicht losließ und den Hoffnungsträger Wolfgang Schäuble rüde beiseite rempelte. Vielleicht hat Hauks Bitte um einen geregelten Übergang diesen etwas flehentlichen Unterton.

Frische Köpfe für die Partei

Bei anderen kommt der Wunsch handfester daher, stellvertretend für viele beim JU-Bundeschef Paul Ziemiak. Merkel müsse ein „Zeichen der Erneuerung“ geben, es müssten nun aber wirklich „frische Köpfe“ her in der Partei und der Regierung, forderte Ziemiak am Freitagmorgen im Deutschlandfunk. „Wir brauchen jetzt von der Parteiführung, auch von der Kanzlerin klare Zeichen, wie es um die Zukunft der Union bestellt ist.“

Dass Ziemiak den eigenen Kopf uneigennützig für solch ein Zeichen zur Verfügung stellen würde, ist unüberhörbar. Außerdem gehört seine Wortmeldung aber in den Kontext der „Operation Jens“. Jens Spahn, Präsidiumsmitglied, noch parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, Burka- und Englischverbieter und Virtuose der kleinen Widerborstigkeiten, ist unter den Jungen und den nach Anführung dürstenden Parteirechten zum Gradmesser für Merkels Bereitschaft zur Erneuerung geworden.

Als „der Jens“ nicht auf jener ominösen Ministerliste stand, die nach der langen Koalitionsnacht im Konrad-Adenauer- Haus auftauchte, war der Zorn darüber in diesen Kreisen noch viel größer als die Trauer über den Verlust des Finanzressorts. Ohnehin muss man sorgsam unterscheiden zwischen denen, die wirklich Sorge um die Kassenlage der Republik, Schäubles europäisches Zuchtmeister-Erbe und das Profil der CDU haben und jenen anderen, die die hübsche Gelegenheit nutzen, sich mal straflos über die Chefin aufzuregen.

Wer wird Generalsekretär?

Was übrigens die erwähnte Kabinettsliste angeht, will bei der CDU mittlerweile keiner mehr den Verfasser kennen. Merkel selbst hat mehrfach intern versichert, die Namen für die Ämter stünden noch nicht fest, auf die die CDU in einer neuen Regierung Zugriff hätte. Sie sollen, wie das eigentlich auch üblich ist, erst öffentlich werden, wenn die SPD-Mitglieder der Koalition zugestimmt haben.

Danach erst dürfte sich auch eine weitere interessante Personalie entscheiden: der Posten des Generalsekretärs. Auf den während der Koalitionsverhandlungen schwer erkrankten Amtsinhaber Peter Tauber lief bisher die Wette, dass er als Digital-Staatsminister ins Kanzleramt wechseln darf. Aber die CSU hat sich eine neue zentrale Koordinationsstelle verbeten, die ihren Einfluss auf diesemGebiet via Verkehrs- und Innenressort vermindert hätte. Das macht es Merkel schwerer, bei der wichtigen Partei-Position ein Ausrufezeichen zu setzen.

CSU macht Merkel Schwierigkeiten

Die CSU trägt ja auch sonst kräftig zu den Schwierigkeiten der CDU-Chefin bei. Thomas de Maizière zum Beispiel hätte allen Grund sich zu beschweren. Horst Seehofer hat ihn aus dem Innenministerium heraus- und sich selbst dort hinein manövriert. Merkel konnte damit eine Zusage an ihren ältesten und loyalsten Weggefährten nicht einhalten.

Doch der aufrechte Preuße erklärte in knappen Worten seinen Rückzug, nahm den langen Abschiedsapplaus der Unionsfraktion dankbar entgegen und schweigt seither. Eine Wutnummer hinzulegen wie Sigmar Gabriel wäre ihm wider die Natur. Zum Kronzeugen eines Aufstands wird er erst recht nicht. Auf solche Ideen kommen nur Alt-Rivalen.

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