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Axel Hilpert im Jahr 2005 auf der Terrasse seines Hotels Seaside Garden im "Resort Schwielowsee".

© dpa/Nestor Bachmann

Der Ex-Hotelier vom Schwielowsee: Axel Hilpert war ein Diener der Macht

Ex-Hotelier Axel Hilpert ist tot in seiner Gefängniszelle gefunden worden. Wer war der Mann, der für die Stasi spionierte, wegen Millionenbetrug im Gefängnis saß und sich mit Prominenten schmückte?

Als der Bundesgerichtshof in Karlsruhe seinen Antrag auf Revision zurückgewiesen und damit die Gefängnisstrafe von drei Jahren und neun Monaten bestätigt hatte, ihn schließlich das Berliner Kammergericht zu einer Zahlung von drei Millionen Euro an die Investitionsbank Brandenburg verurteilte und Axel Hilperts Haftantritt kurz bevor stand, sagte er dem Tagesspiegel: Er habe keine Lust und kein Geld mehr. „Ich habe versucht, alle rechtsstaatlichen Mittel zu nutzen.“ Aber nun sei es, wie es sei. „Da muss ich durch.“

Am Donnerstagmorgen ist der 71-Jährige ehemalige Hotelier tot in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Hakenfelde in Spandau gefunden worden. Er hatte seine Haft vor wenigen Wochen angetreten. Es gibt manche in Brandenburg, die es bis zuletzt nicht geglaubt hatten, dass dieser Mann am Ende wirklich noch ins Gefängnis musste, neun Jahre nach seiner Festnahme: Axel Hilpert, geboren am 12. Oktober 1947 in Nordhausen, der seit 2. Juli für einen spektakulären Millionenbetrug um das von ihm errichtete brandenburgische Luxus-Resort Schwielowsee büßte.

War er nicht in seinem Leben, wenn es mal brenzlig wurde, doch immer irgendwie durchgekommen? Mit seinen Verbindungen, blendenden Kontakten zu den Mächtigen, seinem Geld, seiner Raffinesse, seiner Energie und einem eisernen Willen. Er wurde bewundert und gehasst, der gutmütig sein konnte und Menschen in Verzweiflung brachte, den man als Wirtschaftswundertäter feierte und raunend den „Paten vom Schwielowsee“ nannte.

Keine Kritik an den Haftbedingungen

Man gehe von einem natürlichen Tod aus, teilte die Berliner Justizverwaltung mit. Die Todesursache werde die Rechtsmedizin in den nächsten Wochen ermitteln. Hilpert war schwer herzkrank – etwaige Vorwürfe, er sei in Haft nicht ausreichend behandelt worden, erhebt aber niemand. „Die Haftanstalt Hakenfelde hat sich nach allem, was ich weiß, korrekt verhalten“, sagt Annette Linkhorst. Die Juristin war Hilperts Strafvollzugsanwältin. Solche Mandate sind üblich, um Häftlinge im Gefängnisalltag zu beraten, vorzeitige Entlassungen zu beantragen und Haftlockerungen durchzusetzen.

Das Resort Schwielowsee wird immer mit Hilperts Namen verbunden sein. Der Unternehmer hatte 2007 die Luxus-Hotel-Anlage im Key-West-Stil in der Nähe von Potsdam eröffnet.
Das Resort Schwielowsee wird immer mit Hilperts Namen verbunden sein. Der Unternehmer hatte 2007 die Luxus-Hotel-Anlage im Key-West-Stil in der Nähe von Potsdam eröffnet.

© dpa/picture alliance/Patrick Pleul

Axel Hilpert sei ein sehr freundlicher, interessanter Gesprächspartner gewesen, sagt Linkhorst. „Es ist zutiefst tragisch, wenn ein Mensch im Vollzug stirbt. Fast noch tragischer ist aus unserer Sicht aber, dass es bis zuletzt begründete Zweifel gab, ob Axel Hilpert zu recht verurteilt worden ist.“

Die Richter waren der Auffassung, dass er Brandenburgs Investitionsbank ILB beim Bau seiner Luxushotelanlage am Schwielowsee, die er ganz ohne eigene Mittel finanzierte, um 2,6 Millionen Euro betrog. Ja, das Resort, das immer mit seinem Namen verbunden sein wird – das bleibt. In der Gegend verehren ihn nicht wenige dafür. Es war sein Lebenstraum.

Er hatte die 2007 eingeweihte mondäne Hotelanlage, schneeweiß im Key-West-Stil, in Petzow bei Potsdam ans karge Ufer geklotzt, ein Vierzig-Millionen-Projekt, und finanziert mit Bankkrediten und 9,2 Millionen Euro Fördermitteln des Landes Brandenburg, wo er erst salon- und dann förderfähig wurde. Und er verdiente, wie in den Prozessen herauskam, Millionen daran, auch legale Millionen. In Brandenburg hätte das, im Guten wie im Schlechten, vielleicht kein Anderer geschafft.

Derweil sorgte sein Freund und Geschäftspartner Hans-Hermann Tiedje, der frühere Helmut-Kohl-Berater und Ex-Chefredakteur der „Bild“-Zeitung dafür, dass die Prominenz kam. Die Fotos ließ Hilpert wie Trophäen ins Hotelfoyer hängen. Kohl und Schäuble, Struck und Steinmeier, Platzeck und Wowereit, Bartsch und Bisky. Am Schwielowsee tagten die G-8-Finanzminister, hier stürzte die SPD ihren Vorsitzenden Kurt Beck. Und die Regierenden aus Brandenburg gingen sowieso ein und aus.

Weg vom schlechten Image

Da suchte einer auch Reputation, wollte ankommen im neuen Deutschland, nicht länger der Stasi-Bösewicht sein. Er sei jemand, sagte Hilpert einmal über sich, „der der Macht dienen und ein bisschen selbst herrschen will“. Er half mit, dass das aus dem Potsdamer Schloss Charlottenhof gestohlene Caspar-David-Friedrich-Gemälde „Ansicht eines Hafens“ wieder aufgespürt wurde, dass ein Mosaik aus dem Bernstein-Zimmer auf dem Schwarzmarkt gesichert wurde. Ein Tausendsassa.

Eigentlich hatte Hilpert, als die Mauer fiel, nahtlos weitergemacht. Er war ein Ostdeutscher, der anders als viele Landsleute bestens vorbereitet auf die Marktwirtschaft war. Er kannte sich aus mit Geschäften, machte die ersten Jahre in Immobilien, mit Gespür für Äcker, die bald nach seinen Käufen zu Bauland wurden.

Und vor 1989? Da hatte er im Imperium des DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski Antiquitäten aufgekauft, die die sozialistisch-notorische Fast-Pleite-Republik in den Westen verhökerte. Wer verkaufte, bekam im Gegenzug gelegentlich begehrte Wagen aus dem Westen.

Hilpert spitzelte für die Staatssicherheit als IM „Monika“, war Ehrenoberst der kubanischen Armee. Zwischendurch selbst ins Visier der Stasi geraten: Es hatte Korruptionsermittlungen gegen ihn gegeben, doch Stasi-General Neiber, Erich Mielkes Vize persönlich, ließ alles niederschlagen.

Hilpert hatte, wie man in den Akten nachlesen kann, für die Vermittlung von Westwagen nebenbei eine persönliche Provision kassiert. Aus einem Untersuchungsbericht der Stasi vom 27. Juni 1985: „Es konnte der Nachweis erbracht werden, dass Hilpert den … zu Straftaten inspirierte, eigene Straftaten über diesen abdeckte und getätigte Aufkaufverhandlungen zum eigenen Vorteil und in spekulativer Absicht gegenüber dem Außenhandelsbetrieb verschleierte.“

Hilpert „hat sich durch die Manipulationen ein beträchtliches Vermögen geschaffen“, steht in diesem Bericht, von „fünf Fällen dieser Autotauschgeschäfte“ ist die Rede und „dass Hilpert in spekulativer Absicht ,Vermittlungs- und Taxgebühren’ in Höhe von 9250,00 Mark sowie weitere Sachgeschenke von den Autotauschpartnern forderte“. Die Stasi schätzte den Schaden für die Firma auf mindestens 100.000 Mark.

Hilperts Version der Geschichte

So ähnlich wie damals lief es Jahrzehnte später auch am Schwielowsee für jeden Bau-Auftrag. Hilpert hatte, als ihm der Prozess gemacht wurde, erst 2012 am Landgericht Potsdam, dann nach zunächst erfolgreicher Revision am Landgericht Frankfurt (Oder), immer versucht, erst über seine Anwälte, am Ende auch persönlich, seine Version des Schwielowsee-Falls zu erzählen: Nämlich die, dass Brandenburgs Investitionsbank von Anfang an in die Konstruktion aus Firmen und Subfirmen zum Bau der Hotelanlage eingeweiht war, die die Staatsanwaltschaft in der Anklage als Betrugsmodell geißelte.

Man nahm es ihm nicht ab, obwohl das Schwarz-Weiß-Bild – hier der Betrüger, da die angeblich völlig unwissende und übertölpelte Förderbank – inzwischen immer größere Risse bekommen hatte. Zeugen hatten sich zudem in Widersprüche verstrickt.

Erst in den letzten Monaten und Wochen, kurz vor dem Antritt der Haft, so schien es, hatte sich Hilpert damit abgefunden, dass er den Kampf verloren hat. Als im April klar war, nachdem der Bundesgerichtshof seine Revision abwiesen hatte, dass er ins Gefängnis muss. Das Berliner Kammergericht hatte ihn als Privatmann zur Zahlung von drei Millionen Euro an die ILB verurteilt. Und Hilpert? Er wirkte klar, keiner, der sich aufgibt, trotz seiner Krankheit, der Herzinfarkte, die ihn nicht vor dem Gefängnis bewahrten. „Ich bejammere mich nicht“, sagte er am Telefon. „Ich vergeude keine Lust, keine Kraft und keine Energie mehr.“ Das war am 1. Juli.

Hilpert habe vor seinem neuen Prozess seinen Wohnsitz von Brandenburg nach Berlin verlegt, hieß es damals, angeblich in Erwartung eines liberalen Strafvollzugs in der Hauptstadt. Anwältin Linkhorst widerspricht dem, ihr Mandant habe schon lange zuvor in Berlin gelebt. Und auch in der Justizverwaltung sagen einige, niemand spekuliere in Berlin auf einen lockeren Vollzug – vorzeitige Entlassungen etwa sind in der Hauptstadt seltener als in anderen Bundesländern.

Im offenen Vollzug

Am 2. Juli, pünktlich um 11 Uhr, trat Hilpert im Spandauer Ortsteil Hakenfelde seine Haft an. Die Justizvollzugsanstalt dort ist eine Einrichtung des offenen Vollzug – für alle Verurteilten, die nicht in Untersuchungshaft sitzen, gilt das sogenannte „Selbststellermodell“. Dies bedeutet, dass die Verurteilen nach dem Prozess selbstständig zum Haftantritt anreisen und sofort auf ihre Eignung für Ausgänge geprüft werden. Hilpert befand sich zwar formal im offenen Vollzug, allerdings noch nicht in der Phase, in der er die Anstalt tagsüber hätte verlassen dürfen.

Ob die Hitze zum Tod des 71-jährigen Hilpert beigetragen haben könnte, ist unklar. Allerdings haben die Justizbeamten auch in Hakenfelde allerlei getan, damit es den Häftlingen besser geht: kalter Tee, weniger Einschluss in der Zelle, längeres Durchlüften.

Todesfälle in Gefängnissen sind selten, schon weil die meisten Häftlinge im hohen Alter entlassen werden. In den Haftanstalten der Hauptstadt sitzen circa 4000 Gefangene ein, 2017 gab es 13 Todesfälle, davon sieben durch Suizid. Hilpert, soviel stand fest, wollte dem Leben noch einiges abtrotzen. In seinem letzten Interview sagte er, er habe sich vorgenommen, ein Buch zu schreiben.

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