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Am dritten Tag des NSU-Prozess in München ist die Stimmung im Gerichtssaal deutlich angespannt: Wortgefechte und Dazwischenrufe stören das Verfahren.

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Update

NSU-Prozess in München: Wohlleben-Anwältin fordert Einstellung des Verfahrens

Am dritten Tag des NSU-Prozesses in München ist die Stimmung im Gerichtssaal angespannt: Wortgefechte und Zwischenrufe stören das Verfahren. Die Anwältin des Angeklagten Wohlleben fordert nun die Einstellung des Verfahrens.

Von Frank Jansen

Das Oberlandesgericht München hat im NSU-Prozess den Zugang für Medien erschwert, die keinen festen Sitzplatz bekommen haben. Die Journalisten dürfen jetzt nicht mehr Laptop und Handy in den Block der Zuschauer mitnehmen, das wurde in den ersten beiden Prozesstagen noch geduldet. Seit diesem Mittwoch müssen die Arbeitsgeräte an der Sicherheitskontrolle abgegeben werden. Wer dennoch mit Laptop und Handy in den Gerichtssaal will, muss nun bis kurz vor Beginn der Verhandlung warten, ob von den 50 fest akkreditierten Journalisten einige nicht kommen und somit Plätze frei bleiben. So kamen mehrere Journalisten doch noch knapp in den Prozess hinein, da von den Kollegen mit festen Sitzplätzen nicht alle erschienen waren.

Zu Beginn der Verhandlung stellte die Anwältin von Ralf Wohlleben, Nicole Schneiders, zwei Anträge, die den Prozess zum Platzen bringen sollen. Schneiders forderte zunächst, die Hauptverhandlung auszusetzen, im zweiten Antrag dann sogar die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten. Laut Schneiders liegen ihr Akten zur Pistole Ceska 83 nicht vor, bei anderen seien Lichtbilder kaum zu erkennen.

Mit der Ceska 83 hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten erschossen. Die Bundesanwaltschaft wirft Wohlleben vor, er habe gemeinsam mit dem Angeklagten Carsten S. die Waffe dem Trio verschafft. Gegen beide Angeklagte lautet die Anklage auf Beihilfe zu neunfachem Mord.

Schneiders sieht zudem ein „unaufhebbares Verfahrenshindernis“ in der „medialen Vorverurteilung“ ihres Mandanten sowie in einer „Verwicklung mehrerer Inlandsgeheimdienste in die Mordtaten“ des NSU. Die Verteidigerin hielt einigen Medien vor, mit der „Präsentation“ von Beate Zschäpe als „Nazi-Braut“ und Wohllebens als „Terrorhelfer“ könnte die Aussagen von Zeugen beeinflusst werden. Außerdem könne die „öffentliche Bloßstellung und Stigmatisierung“ von Angeklagten deren Resozialisierung gefährden.

Die Verteidigerin nahm sich dann die „Inlandsgeheimdienste“ vor. Da der Verfassungsschutz viele Akten zum Fall NSU vernichtet habe und andere Unterlagen der Verteidigung nicht vorlägen, sei kein faires Verfahren mehr möglich, argumentierte Schneiders. Außerdem habe sie keinen Einblick in die vom Bundeskriminalamt erstellte Liste mit 129 Personen bekommen, die dem NSU-Komplex zugerechnet werden.

Die Anwälte von Nebenklägern reagierten harsch. Schneiders’ Anträge seien „heiße Luft und nicht mehr“, sagte der Anwalt Thomas Bliwier, der den Vater des vom NSU in Kassel erschossenen Halit Yozgat vertritt. Auch die „Angriffe wegen Unvollständigkeit der Akten“ dienten nur „der Stimmungsmache“. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer schaltete sich ein und forderte den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl auf, alle Verfahrensbeteiligten „zur Sachlichkeit anzuregen“. Eine Nebenklage-Anwältin rief dazwischen, es folgten minutenlange Wortgefechte im Saal. Als Heer beantragte, Götzl solle ihm das Wort erteilen „und das bedeutet, dass ich spreche und niemand sonst“, antworteten Nebenkläger und ihre Anwälte mit Gelächter. Zschäpes Verteidiger Wolfang Stahl sprang auf und verlangte laut eine „sofortige Unterbrechung“. Dann zog Stahl demonstrativ seine Robe aus und lief aus dem Saal, kam aber nach wenigen Minuten wieder zurück.

Heer beklagte sich, auch am Dienstag sei im Prozess gelacht worden, „das ist einer Hauptverhandlung unwürdig“. Nach weiterem Hickhack kündigten Zschäpes Verteidiger einen größeren Antrag an. Am Ende stellten sie dann zunächst doch nur einen kleineren Antrag, Götzl möge nach Anträgen grundsätzlich der Verteidigung das Rederecht vor den Nebenklägern erteilen. Dann folgt der bereits in den beiden Prozesstagen zuvor angekündigte Antrag auf Aussetzung des Verfahrens. Anwalt Wolfgang Heer fordert, der Strafsenat soll darauf hinwirken, dass Generalbundesanwalt Harald Range den im Prozess sitzenden Bundesanwalt Herbert Diemer und seine Kollegin Oberstaatsanwältin Anette Greger abzulösen.

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