Denn der Geist kann einem die wahnwitzigsten Sachen vorgaukeln.
Nachrufe
Das Fernweh trieb sie nach Burma, in die Türkei. Dort tat sich das Heimweh auf. Was immer half: die Verbindlichkeit der Reime.
Sie arbeitete in der „Zeichnerei Kull“, sie ging aus, fuhr mit ihrer Vespa durch die Stadt. Und sie erfand, als die Auftragslage mies war, das "Nüscht".
Was wollte er wohl lieber sein, ein Narr, ein König? Beides! Drum wurde er Schachboxer. Und Weltmeister. Der Nachruf auf ein schnelles Leben
Er wollte frei sein! Bei der Familienplanung ließ ihm sein Beruf, Kameramann, aber nicht viel Freiraum.
In den Bürozeiten arbeitete er als Betriebswirt, in den freien Stunden war er Künstler, Spurensucher, Dokumentarist und Sammler.
Das Knoblauchhaus im Nikolaiviertel war ihr Heim und ihre Nische. Der Nachruf auf eine, die immer einen Plan hatte.
In China geboren, in England aufgewachsen, die Eltern Agenten - und er? Ging in die DDR und ans Theater und wurde Shakespeare-Spezialist.
Sicher war er enttäuscht, dass der große Erfolg ausblieb. Aber deswegen etwas anderes erschaffen? So renovierte er neben der Kunst halt Häuser.
Planlos gelangte er ins abgeranzte Kreuzberg. Mit seinen Fotografien wurde er zum Chronisten einer längst verschwundenen Welt.
Die Universität zählte sie zu den "sonstigen Mitarbeitern". Sie verbat sich das. Sie war "nichtwissenschaftliche Mitarbeiterin"!
Als sie sich kennenlernten, war er 58 und sie 37. Er war Großvater - sollte er nochmal Vater werden? Nachruf auf einen freundlichen Professor aus Schweden.
Als ein Stück Weltpolitik aus Beton den Dom von seinem Chor und die Orgel von ihrer Organistin trennte, erklärte er sich umgehend für zuständig.
Ein Tagedieb von Klein auf, Künstler, was denn sonst. Geldsorgen gab es, ansonsten fehlte es ihm an nichts.
Bäcker konnte er nicht bleiben. Da ging er eben zur BVG. Nachruf auf einen, der es nahm, wie es kam.
Sie hat Hitler glühend verehrt. Später sprach sie offen über den Wahnsinn - und sie schrieb ein Buch, das anfangs nicht viele lesen wollten
Mit jeder Inszenierung wurde er wieder zum Anfänger. Aber er war doch der Chefmaskenbildner des "Deutschen Theaters"!
Wie soll jemand, der keinen Trost empfangen hat, Trost spenden? Wie soll jemand, der kein Zuhause hatte, eine Heimat finden?
So richtig Noten lesen konnte sie nicht. Doch sie kam zum Rias-Kammerchor.
Alles andere als selbstverständlich: Ein belesener Bibliothekar!
Er organisierte, demonstrierte und konferierte. Nur mal entspannen, das Leben und die Sonne genießen, das gab es kaum.
Der Geist ist stärker als der Körper! Nachruf auf einen, der sein Verfallsdatum um mehr als das Doppelte überschritt.
Ein Händler für Farben und Kunststoffe. Und viel mehr als das. Der Nachruf auf einen Fachmann, einen Kritiker, einen Grantler.
Alles ging so leicht, easy peasy. Und die Drogen machten alles noch leichter. Der Nachruf auf einen, der die Kurve nicht gekriegt hat.
Er fing ganz oben an, im Hamburger Hotel "Atlantic". Er führte das „Rembrandt Steak Haus“ in Mölln. Und in Neukölln wurde er Boulettenkönig.
Inmitten der Lautsprecher und Selbstdarsteller war er eher leise und unaufdringlich. Still machte er seine Kunst
Er war Schweißer und wurde "Arbeiterschriftsteller". Nur schrieb er lange nichts. Als er es dann tat, fasste er sich ausgesprochen kurz.
Er wusste gern Bescheid. Und wo kann man besser recht haben als bei der Polizei? Außerdem hat man da auch regelmäßig frei.
Seine Tanzschule in Indonesien musste er schließen. Drum ließ er in Berlin weiter tanzen.
Ein Hoteldirektor alter Schule, Gastgeber von ganzem Herzen. Seine Bühne war das "Bogota"
Lange musste sie ohne ihre Eltern leben. Dann der Krieg und dann ein neues Leben.
Bis zum Schluss ging er zur Arbeit, denn die hielt ihn vom Grübeln ab. Der Nachruf auf einen Praktiker am Theater.
Krieg und Gefangenschaft - ein Leben davor, ein Leben danach. Bloß keine Zeit zum Nachdenken.
Nie war er betrunken. Kontrollverlust war ihm zuwider. Wozu in der lauten Kneipe sitzen, wenn man im Stillen denken kann? Nachruf auf einen Wissbegierigen.
Warum muss Falstaff fett sein? Was ging in Mozarts Kopf vor? Der Nachruf auf einen Musikerklärer, der Manuskript und Stichworte nicht brauchte.
No future? Kann doch keiner ahnen, dass sich eine Gegenwart ohne Zukunft elend lange hinzieht. Irgendwann ist trotzdem Schluss.
In vielen Bands spielte er den Bass. Aber reisen wollte er auch. Doch "Reisekader" zu werden, schien unmöglich. Ein Nachruf auf den Mann dazwischen.
Am Anfang war er noch mit Schild und Schlagstock unterwegs, dann mit dem Streifenwagen. Dabei war er mehr der kommunikative Typ. Nachruf auf einen Polizisten.
Von seiner Kunst kann er nicht leben. Für die Kunst aber schon. Der Nachruf auf einen, den viele für einsam hielten.