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Beten hilft. Eine angemessene Geste für eine Schau in einer ehemaligen Kirche.

© Reuters

Yamamoto in Berlin: Der Mann, der die Mode hasst

Der japanische Designer Yohji Yamamoto liebt Kleider, das Drumherum nicht. Trotzdem hatte er in Berlin gute Laune.

Es ist zum Heulen. So viel großartiges Schaffen in einer Viertelstunde! So schnell war die Modenschau mit Kleidern aus den letzten 30 Jahren vorbei, die der japanische Designer Yohji Yamamoto Ende April in Berlin zeigte. Es war eine Rückschau auf die Arbeit eines der wichtigsten Designer des 20. Jahrhunderts. Da Yamamoto in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, ist das durchaus angemessen.
Yamamoto und Berlin
Die Schau am ersten lauen Abend des Jahres war ein Ereignis. Lauter Menschen in schwarzen Kleidern, viele Künstler, Marius Müller Westernhagen und Herbert Grönemeyer und die Frage: Warum macht er das? Es ist nicht so, dass Yamamoto es nötig hätte, für eine Retrospektive nach Berlin zu kommen. Erst vor zwei Jahren hat das Londoner Victoria & Albert Museum eine große Ausstellung zu seinem Schaffen organisiert.
Er lässt sich vier Tage von Event zu Event bringen: Erst eine Schau, dann ein privates Abendessen im Soho House, dann noch zwei Ausstellungseröffnungen. Alles bleibt seltsam ereignislos, obwohl da ein so bedeutender Designer durch die Stadt gereicht wird.
Yamamoto gibt nicht gern Auskunft. Fast windet man sich mit ihm, als er von i-D-Gründer Terry Jones und dem Architekten Asif Khan befragt wird. Schließlich ist er Japaner, und die sprechen nicht gern.
Yamamoto und der Spaß
Yohji Yamamoto ist nicht gerade ein fröhlicher Typ. Er trägt Schwarz, und die Kleider, die er entwirft, sind es meist auch. Er sagt, dass er Mode hasst, er will sich nicht darum kümmern, was als nächstes kommt. Seine Kleider soll man ruhig zehn, zwanzig Jahre lang tragen. Aber wie er da in seinem Plüschsessel im Soho House sitzt, könnte man meinen, dass er gerade einen Mordsspaß hat. Er erzählt Dinge, die gleichzeitig privat und seltsam sind wie die Geschichte vom Radiergummi. Den stahl er als Kind in einem kleinen Laden, und weil er so appetitlich aussah, aß er ihn auf. Als seine Mutter davon erfuhr, wälzte sie sich voller Scham auf dem Boden. „Eine Frau die sich für mich auf den Boden wirft, das fand ich sehr sexy.“
Yamamoto und die Antihaltung
Wenn Yamamoto sagt, dass er immer nur Anti war und gegen die vorherrschende Macht in der Mode gearbeitet hat, ist das nicht so tragisch, wie es klingt. Seine Kleider haben durchaus etwas Lustvolles, und zu wissen, wogegen man ist, kann ja ein guter Leitfaden für das eigene Leben sein. Wenn man mit dem Anti auch noch so viel Zuspruch bekommt, wie es Anfang der achtziger Jahre Yamamoto in Paris geschah, kann man darauf schon ein Arbeitsleben gründen.
Sechs Kollektionen im Jahr, jeweils etwa 50 Outfits macht mindestens 1000 Kleidungsstücke im Jahr, und das seit Jahrzehnten. Und der Mann sagt, er träume seit seinem fünften Lebensjahr nur davon, so schnell wie möglich alt zu werden, um mit seinem alten Hund spazieren zu gehen und mit ihm zu reden. Nachdem alles getan ist.
Yamamoto und die Kunst
Vielleicht wirkt der Designer so gelöst, als er nach der Berliner Schau auf den Laufsteg kommt, seinen Hut lüpft und sich verbeugt, weil das Gezeigte nicht in die Zukunft gerichtet ist. Sonst ist der Moment nach der Schau sein schwärzester. Dann hasst er, was er tut und will sofort alles vergessen. In Berlin lächelt er zufrieden. Das Publikum klascht so lange, bis er noch einmal auftritt. Keiner sagt: Wer will das tragen, verkauft sich das? Sondern: Wie wunderschön. Hier wird er vom Designer zum Künstler.

Yamamoto und die Silhouette
In der ehemaligen Kirche St. Agnes konnte man sich ansehen, wie Yamamoto arbeitet. In der Fülle der Entwürfe am erstaunlichsten: die europäische Silhouette, die bei ihm oft Grundlage für seine Kleider sind: Schmale Taille, große Röcke, Silhouetten der Belle Epoque, die aufgebauschte Popartie. Da erscheint es fast paradox, dass Yamamoto noch etwas wichtig ist: Seine Kleider sollen Luft zwischen Stoff und Haut bringen, er verabscheut die europäische Sichtweise auf die Art, Frauen betont weiblich einzukleiden: „Wie eine Puppe für den Mann.“
Und immer wieder Schwarz. „Was Farben angeht, bin ich ein sehr fauler Designer.“ Yamamoto interessiert vor allem der Körper: „Es gibt keine zwei gleichen Körper auf der ganzen Welt. Wegen dieses Mysteriums habe ich mit dem Job angefangen.“ In so einem langen Leben sammeln sich viele Weisheiten an. Yamamoto hat ein wenig von seiner Bitterkeit abgelegt und legt nun eine fast närrische Ironie in seine Sätze. Was soll jemand auch sagen, der schon tausendmal das gleiche gefragt wurde.
Yamamoto und Tokio
Zu seiner Herkunft zum Beispiel: Er sei in den Trümmern von Tokio geboren worden. 1943, da war sein Vater schon als Soldat umgekommen. „Ich habe keine Erinnerung an die Kultur Japans, es war alles zerstört.“ Da zieht er einen Vergleich mit Deutschland. „Wir Kriegskinder waren sehr wütend. Wir hatten nichts, aber dadurch auch vollkommene Freiheit.“
Yamamoto und seine Mutter
Seine Mutter, eine Schneiderin, zog ihn alleine groß. „Ich habe keinen Sinn für Familie, es gab immer nur uns zwei, und seit ich fünf Jahre alt bin, sollte ich zwei Männer für sie sein.“ Sie ist immer noch an seiner Seite und überwacht seine Arbeit. „Sie ist meine größte Kritikerin. Und sie ist zehnmal gesünder als ich.“

Yamamoto und der schwarze Gürtel
Es war auf einem Flug von Tokio nach Paris. Er saß auf seinen spitzen Knochen. Zehn Jahre zeigte er nun schon seine Kollektion auf den Prêt-à-Porter-Schauen in Paris, zehn Jahre hatte er hauptsächlich von Zigaretten und Kaffee gelebt. „Ich war zu dünn, es musste etwas geschehen.“ Also begann er mit 45 Jahren, Karate zu lernen – wie Klavierstunden: „Ich habe es gehasst.“ Heute trägt er den schwarzen Gürtel und ist Vorsitzender des Karate-Weltverbandes. Was ihn nicht dazu verleitet, Karate-Anzüge zu entwerfen, er sieht keine Verbindung zwischen Mode und Karate. Dabei war Yamamoto einer der ersten, der aus Sportbekleidung Mode machte.
Yamamoto und der Sport
Ein Designer braucht ein Gespür für das, was passiert. Wer sich nur noch selbst zitiert, kann eigentlich auch aufhören. Yamamoto hat das ausgerechnet mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts gemerkt: Seine Kreationen hatten sich weit von der Straße entfernt, sie hingen als gehütete Schätze in den Schränken. Statt seiner Kleider sah er auf der Straße Leute in Turnschuhen, Trainingsjacken, und er sah immer wieder drei Streifen. Also hat er Adidas gefragt, ob sie miteinander arbeiten wollen. So ist eine neue Marke entstanden, „Y3“. Seit zehn Jahren verwandelt Yamamoto nun Sportswear in etwas Neues – immer noch mit wenig Farben und viel Schwarz/Weiß. Die drei Streifen wirken beim ihm eher wie ein abstraktes Muster als ein Markenzeichen. Aber die Leute tragen „Y3“ auf der Straße.

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