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Nachhaltige Mode: Der Stoff der Zukunft

Wer sagt, dass ein T-Shirt aus Baumwolle und ein Schuh aus Leder sein muss? In Labors wird an Alternativen aus Pilzen, Mais und Bananenpflanzen geforscht.

Bananenpflanzen

90 Prozent aller Taschen bestehen aus Kunststoff. „Ist doch klar, dass man sich etwas überlegen muss“, sagt Hannes Schönegger aus der Schweiz. Er ist einer von fünf Gründern des Labels Qwstion, das praktische und schöne Taschen herstellt. Ein Garnhersteller aus Taiwan erzählte ihnen von den Fasern der Bananenpflanze. Aus denen werden traditionell vor allem Matten und Schiffstaue gemacht, aber kein Garn, um dünnere Stoffe daraus zu weben.

Die Macher von Qwstion sind auf der Suche nach neuen Materialien, die auch Baumwolle ersetzen können. Die Bananenstaude hat gute Eigenschaften: Sie braucht keine Pestizide, keinen Dünger, keine Bewässerung. Also begannen Hannes Schönegger und seine Mitstreiter vor drei Jahren, mit dem Garnhersteller und einer Familie im philippinischen Hochland, die die Bananenpflanzen anbaut, den Stoff Bananatex zu entwickeln. Er ist robust und wasserabweisend. Jetzt gibt es aus diesem Material einen Rucksack und eine kleine Tasche, die man ganz modisch auch um den Bauch tragen kann.

Die Ergebnisse ihrer Forschung stellten sie allen zur Verfügung. Es meldeten sich Universitäten, große Firmen aus der Textil- und Automobilindustrie. Schönegger kann sich vorstellen, irgendwann fast alle Qwstion-Produkte aus diesem Material zu machen, denn auch für Jacken und Mäntel wäre es genau richtig.

Algen
„Die Algen werden uns alle überleben“, sagt Malu Lücking. Die Wasserpflanze ist extrem anpassungsfähig, wächst schnell und ist eine der wenigen Pflanzen, die vom Klimawandel profitieren. Sie beeindruckte die Textildesignerin so nachhaltig, dass sie ihre Bachelorarbeit darüber verfasst hat. Dafür fuhr sie mit ihrem Kescher an die Seen rund um Berlin, um nach Algen zu fischen. Lücking interessiert sich für die ganz ordinäre grüne, die in jedem Gewässer wächst und einem beim Schwimmen um die Füße streift. Erst wenn es zu warm ist und zu viele von ihnen wachsen, sterben sie ab, steigen nach oben und bringen das Ökosystem durcheinander. Dann sind sie für die meisten Menschen nur noch Abfall.

Doch Malu Lückling hat ihr Herz an die Alge verloren. Die Filamente können bis zu zwölf Meter lang werden und fühlen sich weich wie Wolle an. Also reinigte sie die Fasern, baute eine eigene Spinnmaschine und drehte aus den Algen Garn oder zerkleinerte sie und kochte daraus eine Art Bioplastik, das sie dann zu einem Regenmantel verarbeitete. Am schönsten sieht der Algenteppich aus, den sie aus unterschiedlich grünen Algen gewebt hat. Für ihre Abschlussarbeit an der Kunsthochschule Weißensee traf sie sich mit Materialforschern, um herauszubekommen, wie man die Alge zu einem brauchbaren Stoff verarbeiten kann. Sie ließ eine Algenwissenschaftlerin die verschiedenen Arten durchs Mikroskop bestimmen und überlegt jetzt, wie sie weiter daran forschen kann, bis aus ihren Algenexperimenten marktreife Produkte werden.

Pilze
Einen „alten Hut“ nennt die Berliner Designerin Nina Fabert liebevoll die Technik, aus Fomen Fomentarius, dem Zunderpilz, ein lederähnliches Material herzustellen. Für ihre Masterarbeit prüfte sie 2015 das Potenzial des Traditionsmaterials aus Transsylvanien. Ihre Kooperation mit dem innovationsfreudigen Schuhlabel nat-2 führte 2018 die mögliche Glatt- und Velourlederoptik an einem Sneaker perfekt vor, im Webshop wird allerdings gewarnt, dass es sich um „empfindliche Kunst in Form eines Schuhs“ handelt. Für Fabert liegt das Lederthema in der Vergangenheit.

Zwar produziert ihre Firma Zvnder auf Nachfrage rustikale Kappen und Portemonnaies aus dem Pilz, doch ihr wurde schnell klar, dass das Pilzleder ein Nischenprodukt bleiben muss und sollte. Da verzichtet Fabert lieber auf den Medienhype, der sich schnell um jeden vermeintlichen Lederersatz aufbaut. „Das Leder ist nur ein Aspekt dieses spannenden Rohstoffs“, sagt sie. Heute interessieren sie eher die Möglichkeiten des Materials als natürlicher Filter oder antibiotischer Zusatz in der Medizin.

An Pilze als Zukunft tierfreien Leders glaubt sie dennoch, dann allerdings aus der Retorte. Das US-Biotech-Start-up Modern Meadow entwickelt im Labor das tierfreie Leder Zoa aus Hefepilzen und mit viel Genmanipulation. Zoa kann theoretisch in allen Dimensionen produziert und auf Trägermaterialien gesprüht werden, es kann Nähte ersetzen. Nach der Präsentation vielversprechender Vorstufen, die ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten in Aussicht stellen, hüllt sich Modern Meadow nun auf den letzten Metern in Schweigen, bis das Produkt wirklich marktreif ist.

Auch die französische Turnschuhmarke Veja will mehr Schuhe ohne tierisches Leder herstellen. Deshalb entwickelt sie Maisleder. Dafür werden die Blätter der Pflanze geschreddert, zu einem Brei verarbeitet und auf einen Baumwollstoff aufgetragen. 50 Prozent des Schuhs besteht aus Maisabfällen aus der Lebensmittelindustrie.

Plastikflaschen

Stoffe aus PET-Flaschen wurden nicht zuletzt zum aktuellen Supertrend, weil die Vorstellung, dass Mode dabei helfen könne, Müll abzubauen, so verführerisch ist. Das Naturschutznetzwerk „Parley for the Oceans“, das mit Strategien aus der Werbebranche das Recyclingmaterial „Ocean Plastic“ populär gemacht hat, erinnert jedoch daran, dass das endgültige Ziel sein muss, Plastik überflüssig zu machen. Doch von heute auf morgen geht das natürlich nicht.

Darauf zählt auch Christian Fischbacher, ein Label für luxuriöse Heimtextilien aus der Schweiz. Seit Jahren investiert man dort in die Entwicklung hochwertiger Recyclingstoffe. Das jüngste Resultat: Benu Talent, ein kuscheliger Samt aus dem sprödem PET, der auch dem Trend zum Outdoor-Lifestyle (danke, Klimaerwärmung!) gewachsen ist.

Doch Plastik bleibt Plastik. Kunststofffasern landen durch Abrieb und mit jeder Wäsche als Mikroplastik in der Umwelt. Das Surf- und Longboardlabel Langbrett hat dafür den Waschbeutel „Guppyfriend“erfunden. Das Mikroplastik wird darin aufgefangen und kann mit dem Hausmüll verbrannt werden.

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