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Mode und Design: Radikalkur für einen Perserteppich

Der Orientteppich macht sich wieder in deutschen Wohnzimmern breit – jetzt allerdings nicht als Wertanlage, sondern als Lifestyleprodukt.

Gut behandelt Katrin ten Eikelder ihre Teppiche nicht. Erst wird den häufig abgenutzten Perserteppichen der Flor geschoren, dann müssen sie in der Sonne ihre ursprünglichen Farben verlieren und ausbleichen. Beim anschließenden Waschen und monochromen Färben verliert der Teppich nicht nur sein prägnantes Muster, sondern auch die Muffigkeit.

Nachdem er auf so aufwändige Weise entwertet wurde, ist er bereit, um sich in Berliner Altbauten auf Dielenböden breitzumachen. Nicht mehr als Wertanlage, sondern als Lifestyleprodukt, wie es Katrin ten Eikelder beschreibt. Zu ihren Teppichen gibt sie nur ein paar karge Daten heraus, das ungefähre Alter, Ort und Art des Knüpfens.

Seit fünf Jahren verkauft die 35-Jährige ihre Vintage-Teppiche mit steigendem Erfolg vor allem online an eine meist jüngere Zielgruppe. Manchmal wundert sie sich selbst, dass der Teppich die Rückkehr in die deutschen Wohnzimmer mit solcher Gewalt geschafft hat.

Immerhin war er bis vor ein paar Jahren ganz aus den Köpfen und Wohnzimmern der Deutschen verschwunden, und zwar so radikal wie nirgendwo sonst auf der Welt. Holzdielen und Betonböden mussten ganz ohne Belag auskommen, je kahler desto besser. Lofts sollten nach Industrie aussehen, mit Parkett wollte man angeben.

Auch das altbackene Image hat den Orientteppich aus den Wohnungen vertrieben. In vollgestellten Zimmern betonte er das Muffige noch, das immer im Kontrast zu dem Wert lag, den das gute Stück ja darstellen sollte. Aber der Wunsch, die Teppiche an die nächste Generation zu vererben oder teuer zu verkaufen, ist nicht aufgegangen.

„Der Handel in Deutschland ist auch durch die großen Teppichhändler kaputtgemacht worden. Ständig warben sie mit Ausverkauf und reduzierten Preisen, die meistens nichts mit dem wirklichen Wert der Teppiche zu tun hatten“, sagt Katrin ten Eikelde. Der Teppich musste also erst einmal ganz verschwinden, damit die jüngere Generation merkte, dass etwas unter den Füßen fehlt. Denn Teppiche haben ja gleich mehrere Funktionen. Zum einen sind sie Schallschutz, verbergen unansehnliche oder schützen empfindliche Böden, zum anderen wärmen sie Füße, sind Dekoration und teilen Räume in Zonen auf.

Viele Kunden kommen vor dem Kauf im Showroom an der Brunnenstraße vorbei

Katrin ten Eikelder stammt aus einer Teppichfamilie, ihr Großvater gründete einst in Köln einen Heimtextilfachhandel, ihr Vater spezialisierte sich später auf Teppiche und fuhr als Gutachter für Orientteppiche durch die Welt. Katrin ten Eikelder musste erst einmal viel Strecke zwischen sich und den Familienbetrieb bringen, um die Schönheit von Orientteppichen überhaupt erkennen zu können. 2013 ging sie für das Modeunternehmen Boss als „Business Development Manager“ nach New York. Dort entdeckte sie Teppiche als Objekte, ausgestellt in Bars und Galerien. So konnte sie an ihr Familienerbe anknüpfen. ten Eikelder kündigte ihren Job, zog nach Berlin und wurde Teppichhändlerin.

Zusammen mit ihrem Vater reiste sie zum ersten Mal in den Iran. Er vermittelte ihr Kontakte, die sie bis heute pflegt. Die Vintage-Teppiche waren die ersten Produkte für ihren Onlinehandel „The Knots“. Es folgten wollweiße Berberteppiche mit schwarzem Gittermuster, die in den vergangenen Jahren zusammen mit kupferfarbenen Lampen in jedem Wohnmagazin zu sehen waren.

Immer besser verkaufen sich ihre alten und neuen Kelims aus Afghanistan. Die flachgewebten, bunten Teppiche passen gut in Wohnzimmer, die durch den um sich greifenden schlichten skandinavischen Stil oft mit Möbeln in neutralen Tönen ausgestattet sind. Dazu passen ihre feinen Decken und Kissen aus Wolle und Baby-Alpaka und jetzt auch ihre ersten zwei eigenen kleinformatigen Teppichentwürfe, die ten Eikelder mit der Textildesignerin Anne Schmiedere entwickelt hat, reduziert auf ein paar Formen und Farben aus Peru und auch dort gefertigt.

Auch wenn sie vor allem online verkauft, wollen viele Kunden vorher bei ihr im Showroom in der Brunnenstraße vorbeikommen, um sich beraten zu lassen. In der Altbauwohnung stapeln sich die Teppiche auf dem abgetretenen Holzfußboden, die schönsten Stücke hängen an der Wand. „Viele denken, ein Sofa muss komplett auf dem Teppich stehen. Aber man kann ihn ja auch luftig davor platzieren“,sagt ten Eikelder. Deshalb postet sie auf ihrer Website viele Fotos von Teppichen im Einsatz. Wie weit weg der Teppich inzwischen vom Statussymbol ist, zeigt das Vorgehen einer ihrer Kunden. Der fand die Rückseite seines Teppichs so schön, dass er ihn einfach falsch herum in sein Wohnzimmer gelegt hat. „Das wäre früher nicht möglich gewesen“, stellt Katrin ten Eikelder trocken fest.

- Zum Thema Mode geht es hier. Und: The Knots, Showroom in der Brunnenstr. 25a, in Mitte oder im Onlineshop: the-knots.com

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