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Jean Paul Gaultier passt einem Model ein Kleid an.

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Mode: Gaultier in Berlin: Jean Paul Gaultier macht Feierabend in Berlin

Jean Paul Gaultier hat neuerdings Zeit, sich zu amüsieren. In Berlin stellte er einen Film über seine Arbeit vor. Es geht um Madonnas Brüste und seinen Teddybär.

Jean Paul Gaultier durfte nicht mit Puppen spielen. Dabei hatte der Designer schon als Kind Lust darauf, Kleider für Puppen zu schneidern. Also knöpfte er sich seinen Teddybär vor. Mit Papier und Stecknadeln formte er für den fortan stark geschminkten Bären einen trichterförmigen BH. 30 Jahre später erlangte Gaultiers überspitzte Darstellung der weiblichen Brust Weltruhm mit einem Bühnenkostüm für Madonna . Modische Highlights der Jahre dazwischen und danach dokumentiert der Film „Jean Paul Gaultier travaille“ von Loïc Prigent. Am 15. April um 21.35 Uhr wird der Film auf Arte ausgestrahlt, die Premiere war Montagabend in Berlin. Nicht in einem Fünf-Sterne-Hotel, sondern im „SchwuZ“, dem Schwulenzentrum in Neukölln. Hinterhof-Charme und Currywurst statt Luxus-Interieur und Champagner. „So wollen die Franzosen das“, sagt einer der PR-Herren, schließlich gebe es in Paris keine vergleichbaren Lokalitäten. Gaultier scheint es zu gefallen, zumindest lässt er sich die Currywurst schmecken. Von seinem üppigen Stil ist man hier ganz weit weg.

Seine erste Modeerinnerung ist das Korsett seiner Großmutter

Angefangen hat Jean Paul Gaultier in den siebziger Jahren bei Pierre Cardin, der gemeinsam mit Paco Rabbane und André Courrèges als Erfinder der futuristischen Mode gilt. „Ich habe es geliebt, für Cardin zu arbeiten, er hatte einen sehr starken Stil“, sagt Gaultier. „Es war allerdings nicht ganz einfach, diesen Stil abzustreifen und einen eigenen zu finden. Der hat sich erst langsam gebildet.“ Die Eckpfeiler seines Stils erklärt Gaultier im Film anhand einiger Entwürfe der letzten 40 Jahre. „So weit in meiner Erinnerung zurück zu gehen, war eine interessante Erfahrung“, sagt er. Jean Paul Gaultier - das sind Ringelshirts und Baskenmützen, aber auch stark sexualisierte Mode mit vielen Bondage-Elementen. Letztere haben sein Interesse früh geweckt: „Meine erste Modeerinnerung hängt eng mit meiner Großmutter zusammen. Ich habe ein Korsett in ihrem Schrank gefunden. Das war in den Fünfzigern, ich muss fünf Jahre alt gewesen sein.“ Den Schnüren und Schnallen ist der 62-Jährige seine Karriere hindurch treu geblieben, nicht nur in der Arbeit für seine eigene Marke.

Auch für Hermès entwarf Jean Paul Gaultier.
Auch für Hermès entwarf Jean Paul Gaultier.

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Auch als er zehn Jahre lang die Kollektionen von Hermès verantwortete, arbeitete er seine klassischen Elemente dem Label entsprechend ein: Im Film legt Gaultier einem Model stilisiertes Zaumzeug an, seine Interpretation der im Reitsport verwurzelten Traditionsmarke. „Ich habe meine Kreativität auch bei Hermès nie zügeln müssen. Ich war ja schon bekannt als das Enfant Terrible der Pariser Szene. Ich wusste ganz genau, was von mir erwartet wurde. Die Kollektionen durften nicht mehr nur mich verkörpern. Jean Paul Gaultier macht Hermès – darum ging es“, sagt er. Gerade die Linien von Hermès verfolgt er noch immer sehr aufmerksam. Mit Nadège Vanhee-Cybulski ist er zufrieden. Die hat vor zwei Wochen ihre erste Kollektion als Chefdesignerin präsentiert: „Sehr interessant, sie arbeitet näher am Stil von Martin Margiela, der vor mir bei Hermès war. Eigentlich war er der beste Designer, der je für das Haus entworfen hat.“

Letztes Jahr hat er seine Prêt-à-porter-Linie eingestellt

Er selbst wolle künftig nicht noch einmal für eine andere Marke arbeiten. Für ein Label hätte er aber eine Ausnahme gemacht: „Leider ist die Stelle schon perfekt besetzt. Hedi Slimane bei Saint Laurent.“ Mit dieser Meinung steht Jean Paul Gaultier fast allein da, Slimane hat viele Kritiker . „Das ist mir ganz egal, ich liebe seine Arbeit. Wenn ich jemanden suchen müsste, der meinen Platz bei meiner eigenen Marke einnimmt, dann wäre das Hedi Slimane. Der ist aber ein bisschen zu teuer“, sagt er und lacht. Ganz so viel hätte Slimane bei Jean Paul Gaultier mittlerweile auch nicht mehr zu tun: Letztes Jahr gab er bekannt, seine Prêt-à-porter-Linie einzustellen. Er wolle sich nur noch auf Haute Couture und Düfte konzentrieren. Ein Schritt, den nächstes Jahr auch das Designer-Duo Viktor & Rolf gehen werden. Ohnehin ist das Geschäft mit Parfum und Kosmetik für fast jedes Modeunternehmen deutlich rentabler als der bloße Verkauf der Mode. Die Kollektionen – gerade die kostspielige Haute Couture – dienen eher als Versinnbildlichung des Stils und richten so noch mehr Aufmerksamkeit auf die bezahlbaren Kosmetika der Marke.

Das schafft Gaultier Platz für neue Projekte. „Im Moment arbeite ich an den Kostümen für ein Theaterstück an der Comédie Française, etwas sehr Traditionelles also. Das werde ich in Zukunft öfter machen. Kostüme für Theater, Kino, Tanz.“ Die große Retrospektive „The Fashion World of Jean Paul Gaultier. From the Sidewalk to the Catwalk“ macht als zehnte Station Halt im Grand Palais in Paris, danach geht es nach München. Das passt: „Viele wissen gar nicht, dass mein berühmtes Kleid für Madonna auch von traditionellen bayerischen Kleidern inspiriert ist und von Tiroler Strapsen. Das fällt ihnen vielleicht gar nicht auf, weil Sie nur auf Madonnas Brüste schauen. Aber wenn Sie da mal nicht hinschauen, dann erkennen sie auch Bayern.“ Die museale Inszenierung ist für Gaultier etwas Neues: „Für mich war die Ausstellung in einem Museum immer etwas für tote Menschen. Ich bin aber noch sehr lebendig!“ Ob er sich jetzt alt fühlt? „Nein, ich fühle mich nicht alt. Ich bin alt! Aber das ist auch okay.“

„Jean Paul Gaultier travaille“, am 15. April 2015 um 21.35 Uhr auf Arte.

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