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Namen der Düfte sollen an die Abenteuer der Gründer.

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Französische Duftkerzen: Diptyque, c’est chic!

Die Sehnsucht nach Identifikation lässt die Nischenmarke Diptyque boomen. Auch in Berlin laufen die Geschäfte wie geschmiert.

Die Geschichte von Diptyque klingt wie ein typisches Berliner Projekt der Nullerjahre. Und doch begann sie bereits 1959, in Paris. Die französische Innenarchitektin Christiane Gautrot und der britische Maler Desmond Knox-Leet entwarfen Möbelstoffe für englische Häuser wie Liberty und Sanderson. Zusammen mit dem Theater-Tausendsassa Yves Coueslant eröffneten sie 1961 einen kleinen Showroom am Boulevard Saint-Germain. Das ehemalige Bistro hatte zwei kleine Fenster wie ein Dyptichon, ein zweiteiliges Gemälde, was den Namen Diptyque nahelegte.

Der Anfang war schwierig, ihre Stoffe, die heute im Musée des Arts Décoratifs aufbewahrt werden, waren nicht sehr erfolgreich. Auf die richtige Spur brachten Gautrot, Knox-Leet und Coueslant deutsche Weihnachtslaternen, die sie mit Holzenten kombinierten. Eigentlich waren sie nur zur Dekoration gedacht und wurden zum Verkaufsrenner. Es kam nach und nach Schönes hinzu, das sie auf ihren Reisen entdeckten und teils selber fertigten; Neues und Altes, Bilder und Spielzeuge, Geschirr und Modeschmuck.

Knox-Leet hatte eine Leidenschaft für Düfte, so führten sie aus seiner Heimat große Namen der englischen Parfümerie wie Floris, Trumper, Penhaligon's oder Rimmel Vinegar ein. Als sie hörten, dass man Kerzen, die sie in Farben passend zu ihren Stoffen führten, parfümieren kann, entwickelte Knox-Leet mit einem Parfumeur 1963 die ersten drei Duftkerzen: Aubépine, Cannelle und Thé. 1968 folgte das erste Eau de Toilette. Es heißt schlicht „L'Eau“, weil der Duft für Frauen und Männer bestimmt war. Die Düfte sollten bald zum Mittelpunkt des Unternehmens werden.

Was das Besondere daran ist, bei Diptyque einzukaufen, kann man in Berlin zurzeit an gleich zwei Orten erleben. Das Geschäft im Cumberlandhaus am Kurfürstendamm ist im Art-Deco-Stil gehalten, dort wird man persönlich, unaufdringlich und kompetent bedient. Wir treffen Fabienne Mauny im Pop-Up Store in Mitte. Sie hat 20 Jahre für Yves Saint Laurent gearbeitet und führt seit 2007 das Unternehmen Diptyque. „Wir haben von den Gründern gelernt, die Kunden als Gast zu empfangen und ihnen die Geschichte von Diptyque zu vermitteln. Wenn sie am Ende nichts kaufen möchten, ist das Wichtigste die Beziehung aufrecht zu erhalten. Eines Tages werden sie wiederkommen. Es ist eine Frage der Unternehmenskultur und des Managementstils“, sagt sie.

Die Diptyque-Boutique am Kurfürstendamm.
Die Diptyque-Boutique am Kurfürstendamm.

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Im 172-seitigen Trainingshandbuch der Firma finden sich zwar viele Details zu den Produkten, Basiswissen des Verkaufens und „Entdeckungsrituale“ für jede Produktlinie wie: „Riechen Sie am Teststreifen, bevor sie ihm den Kunden geben“, aber wenig darüber, wie mit den Kunden umgegangen werden soll. Das scheint Teil der gewachsenen Unternehmenskultur zu sein, die viele Bewerber anzieht und von Mitarbeiter zu Mitarbeiter weitergegeben wird.

Es liegt vielleicht auch an den vielen Geschichten, die zu jedem Parfüm erzählt werden. Desmond Knox-Leet und Yves Coueslant, die in ihrer Erscheinung an das Künstlerpaar Gilbert & George erinnerten, reisten mit ihrer Ente 2CV durch den Balkan, den Nahen Osten, Russland, Irland, Schottland oder Venedig und immer wieder Griechenland. Sie entdeckten dabei Schätze für ihren Laden und Anregungen für Parfüms, die zu duftenden Erinnerungen an Orte wurden. Die Stadt Palmyra inspirierte „L'Autre“ (1973), der Berg Athos „Trois“ (1975) und der Geburtsort von Alexander dem Großen „Lente“ (1986). Auch der große Garten ihres Sommerhauses „Les Lilas“ in der Normandie inspirierte sie zu Düften wie „Lierre“ (2006). Sie alle tragen das von Knox-Leet entworfene, ovale Medaillon in Schwarz und Weiß mit den tanzenden Buchstaben, das an alte Apothekergläser erinnert.

2005 wurde Diptyque an einen privaten Investor verkauft, obwohl die Gründer nicht danach gesucht hatten. Oft folgt nach einer Übernahme eine übermäßige Expansion, und die Qualität der Produkte sinkt. Diptyque scheint jedoch viel vom ursprünglichen Geist bewahrt zu haben. In der Wahrnehmung ist Diptyque eine Nischenmarke wie Jo Malone, Frédéric Malle oder Santa Maria Novella – auch, wenn die Zahlen eine andere Sprache sprechen. Wer die Zentrale nahe der Pariser Oper betritt, ist überrascht, wie groß das Unternehmen geworden ist. In den Büros weltweit arbeiten 150 Personen, davon 70 in Paris.

„Wir wachsen seit vielen Jahren um 20 bis 25 Prozent pro Jahr“, sagt Mauny. Laut dem US-Fachmagazin WWD machte Diptyque 2006 einen Umsatz von zehn Millionen Dollar. Bis heute wurde der Umsatz nach Branchenschätzung auf rund 80 Millionen Euro gesteigert.

Wachstumstreiber ist vor allem die Sehnsucht der Kunden nach dem Besonderen und Echten. In Zeiten, in denen wir glauben, zunehmend fremdbestimmt zu leben, wollen die Kunden sich selbst mit dem kleinen Luxus einer Duftkerze für gut 50 Euro etwas Gutes tun und Anteil an dieser Kultur haben.

Auch der Berliner Pop-up Store, der ein jüngeres Publikum ansprechen soll, ist so erfolgreich, dass er bis Ende Februar verlängert wurde.

Diptyque, Kurfürstendamm 194, Charlottenburg, Neue Schönhauser Str. 19, Mitte

Joachim Schirrmacher

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