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Bis ins letzte Detail. Der Designer überprüft jedes Kleidungsstück

© 2017 Prokino Filmverleih GmbH

Ein Film huldigt Designer Dries van Noten: Der Perfektionist

Der Designer Dries van Noten hasst es, beobachtet zu werden. Um so beachtlicher, dass es dem Regisseur Reiner Holzemer gelang, ein Filmporträt über ihn zu drehen. Hier erzählt er davon.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Film über Dries van Noten zu machen?

2011 habe ich einen Film über Jürgen Teller gedreht, so kam ich in Berührung mit Mode. Nach einem Modeshooting von Dries van Noten haben wir abends zusammen gegessen. Ich fand ihn sympathisch und dachte, er könnte mein Zugang zur Modewelt sein.

Sie suchten nach einem neuen Thema?
Ich hatte genügend Filme über Fotografen gedreht. Dann fand ich heraus, wie außergewöhnlich Dries van Noten ist und habe mich bei Arte gemeldet. Die Redakteurin der Reihe "Arte Fashion Week" sagte gleich: Den nehmen wir sofort, an dem sind wir schon so lange dran! Dann musste nur noch Dries Ja sagen, aber das hat noch drei Jahre gedauert.

War da auch Sportsgeist dabei?

Man muss in diesem Beruf lernen, Geduld zu haben. Es gibt für Dries van Noten nichts Schlimmeres, als von der Kamera beobachtet zu werden. Er hasst es regelrecht. Aber natürlich spricht er nach seinen Schauen mit Journalisten. Es geht ja darum, PR zu machen.

Warum hat er sich dann auf Ihr Filmvorhaben eingelassen?

Ich glaube, es war ein Vorteil, dass ich nicht aus der Mode kam. Das hat mich ermutigt, ihn weiter zu kontaktieren, aber für ihn gab es lange nicht den richtigen Zeitpunkt. Irgendwann habe ich ihn festgenagelt. Als wir mit dem ersten Test begannen, hat er sich mit dem Gefühl, beobachtet zu werden, angefreundet.

Von ihm kam dann der Anstoß, ihn ein ganzes Jahr zu begleiten?

Ja, er sagte: Wenn man die Essenz meines Schaffens zeigen will, muss man ein Jahr dabeibleiben, weil die Kollektionen so unterschiedlich sind. Die Dreharbeiten selbst waren ein Gewöhnungsprozess, am Anfang war das Studio sehr aufgeräumt, das konnte er aber nicht über 50 Drehtage hinweg durchhalten. Es wurde dann immer normaler, aber so perfektionistisch, wie Dries ist, sollte auch das Bild sein, das er abgeben wollte. Die Zuschauer sollten den Eindruck haben, alles ist top organisiert, fertig ausgedacht und muss nur noch ausgeführt werden.

Haben Sie auch erlebt, wie wichtig das richtige Image in der Mode ist?
Die Mode ist eine große PR-Maschinerie. Und Dries van Noten macht keine Werbung. Also ist es wichtig, wie er sich zeigt. Wenn jemand aus der PR-Abteilung kam und sagte: Du musst dich so und so geben, und sein Partner Tipps gab, hat ihn das unter Druck gesetzt.

Aber man hat das Gefühl, dass alles recht organisch funktioniert.
Ja, Dries ist sehr erfahren und routiniert. Trotzdem gibt es auch hektische Phasen, wenn die Schau näherrückt, der Lieferant den Stoff nicht liefert, dann muss er sich etwas einfallen lassen. Auf dieser Art von Katastrophen lag aber nicht mein Fokus. Ich habe mir viele andere Modefilme angeschaut, und die meisten fokussieren auf den Aspekt, was alles schiefgeht.

Da sieht man ständig Leute rennen.

Genau. Ich wollte wissen, wie der Mann tickt, und das findet man nicht in Stresssituationen heraus. Da sieht man nur, ob einer cholerisch ist oder herumschreit. Das tut Dries übrigens nie, er macht die meisten Sachen mit sich selbst aus.

Was bedeutet dieser Perfektionismus für den Film?

Bei den anderen Künstlern, die ich porträtiert habe, war es kein gravierendes Problem, den Entstehungsprozess eines Kunstwerks zu begleiten. Bei den Modedesignern war mir schnell klar, die sind auf Perfektionismus getrimmt. Das Bild, das am Ende nach außen geht, zeigt im besten Falle immer das perfekte Outfit und nie das halb fertige, rudimentäre. Es gibt eine Szene, da probiert Dries mit seinem Team verschiedene Stoffkombinationen am lebenden Model aus. Es hat viel Überwindung gekostet, so etwas zu zeigen. Da gab es immer wieder Misstrauen, auch aus dem Team. Dahinter steht die Angst, dass die Zuschauer denken könnten, Designer spielen mit Stoffen herum und dann kommt zufällig etwas Schönes heraus.

Von großer Offenheit ist die Modebranche nicht geprägt, das spiegelt sich ja auch in seinem Perfektionismus.
Ja, manchmal leidet Dries sogar ein bisschen darunter. Er sagt am Anfang des Films über seine Arbeit: Ich bin geradezu besessen davon. Das ist aber auch die Grundvoraussetzung für seinen Erfolg. Um die 5000 Einzelteile gehen jedes Jahr durch seine Hände. Er ist ja nicht einer, der einen Entwurf zeichnet, und seine Assistenten bringen es dann zu Ende.

Hat Sie überrascht, wie handwerklich seine Arbeit ist?

Mich hat vor allem der Ideenreichtum überrascht. Die Männerkollektion, die man im Film sieht, ging los mit weißen Anzügen, dazu kamen Karos und Streifen. Dann war ich zwei Wochen nicht da, und als ich wiederkomme, war plötzlich Marilyn Monroe auf den Kleidern.

Durch den Film entsteht ein sehr geschütztes Bild von jemandem, der es in der Hand haben will, wie er arbeitet. Das ist wahrscheinlich schon eine Ausnahme.

Ja, die meisten Designer sind sicherlich mehr fremdgesteuert und unter Zwängen. Dries ist einer der wenigen unabhängigen Designer. Das ist für ihn eine wichtige Grundvoraussetzung für seine Kreativität.

Das zeigt ja auch, dass die Welt bei Dries van Noten anders funktioniert.
Dries war am Ende der Dreharbeiten sehr ehrlich zu mir, da gab er auch über seine Unsicherheiten und Zweifel Auskunft. Es ist nicht so, dass man ihm beim Heulen zuschauen kann, wenn er nicht mehr weiter weiß, das würde auch unser beider Diskretionsverständnis übersteigen. Aber trotzdem gibt es diese Momente. Auf die Frage: Was machst du, wenn es dir schlecht geht?, antwortet er: leiden. Damit ist alles gesagt.

Blick über Antwerpen. Ein Model genießt bei der Anprobe die Aussicht
Blick über Antwerpen. Ein Model genießt bei der Anprobe die Aussicht

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Der belgische Designer Dries van Noten ist eine große Ausnahme in der Modewelt, denn er ist sein eigener Herr. Seit mehr als 30 Jahren ist er ein fester und bestimmender Bestandteil der Pariser Modewoche, im März zeigte er seine 100. Kollektion in Paris. Auch wenn er nicht für einen der großen Luxuskonzerne wie LVMH oder Kering schuftet – in der Mode-Maschinerie ist er dennoch gefangen. Auch wenn er mit nur vier Kollektionen im Jahr, zwei für Frauen, zwei für Männer, den Druck überschaubar hält, scheint er einem Perfektionismus zu frönen, der manch anderen zermürben würde. Der Film von Reiner Holzemer zeigt sehr genau, wie der 59-Jährige immer wieder die Erwartungen der Modefachwelt und nicht zuletzt die seiner Kunden übertrifft. Präzise wie ein Uhrwerk funktioniert die Welt des Dries van Noten. Selbst im Urlaub mit seinem Lebensgefährten ist jede Minute getaktet. Detailliert legt Dries van Noten vorher fest, wie lange die Anfahrt zur Sehenswürdigkeit dauert, wie viel Zeit für die Besichtigung und die anschließende Pause verbraucht wird. Da wird sein wunderschöner Garten zu einem echten Rückzugsort, der im Film auch als Leitfaden durch die Jahreszeiten dient und seine Mode spiegelt. Die hat nichts Flüchtiges, die Kleider können mit gesättigten Farben, Stickereien und üppigen Mustern einen Raum bestimmen. Einzeln betrachtet, sind es vor allem schöne Outfits, zusammen auf dem Laufsteg verursachen sie eine Art Augenrausch. Auch deshalb sind für Dries van Noten Modenschauen so wichtig. Sie sind das Fenster in seine Welt, seine Entwürfe in Bewegung zu sehen, ist herzzerreißend schön. Darauf verlässt sich auch der Regisseur Holzemer und bleibt im Film ein Beobachter, der seinem Protagonisten bei der Arbeit zuschaut und zeigt, welche Opfer so viel Schönheit fordert.

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