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Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gibt vor, was Jugendliche in seinem Netzwerk dürfen - und was nicht. Das Fotos zeigt Porträts Zuckbergs des chinesischen Künstlers Zhu Jia.

© Reuters

Datenschutz in Sozialen Netzwerken: Generation Facebook: Was wir wollen

Die 13- bis 17-Jährigen kennen sich im Netz meist besser aus als ihre Eltern. Was nicht heißt, das alles erlaubt ist – aber vielleicht ein bisschen weniger verboten.

Die meisten Menschen hassen Veränderungen im Internet. Ganz grundsätzlich. Das kann das neue Design der Sportseite sein, die man jeden Tag anklickt. Oder die Verknüpfung des Youtube-Kontos mit dem Google-Account. Ungleich größer ist die Aufregung, wenn die Privatsphäre-Einstellungen geändert werden. Das Empörungsbarometer dreht völlig durch, wenn diese Änderungen die Privatsphäre der Kinder betreffen.

Wie im Fall von Facebook vor rund zwei Wochen, als das soziale Netzwerk auf dem hauseigenen Blog diese Neuerungen veröffentlichte: Auch Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren – 13 ist das Mindestalter bei Facebook – können ihre Posts jetzt der Öffentlichkeit zugänglich machen. Bisher konnten Jugendliche zwischen zwei Optionen wählen: Entweder sollten nur die Freunde ihre Einträge sehen können. Oder es durften auch Freunde von Freunden mitlesen. Als Standard-Voreinstellung gab Facebook Letzteres aus. Nach den Änderungen können Jugendliche abonniert werden, so dass automatisch alle ihre Posts in der Timeline des Abonnenten erscheinen – ohne dass man mit ihnen befreundet sein muss.

Für Facebook ist der Schritt nachvollziehbar. Andere soziale Netzwerke – alles voran der Kurznachrichtendienst Twitter – sind längst öffentliche Plattformen für Jugendliche. Facebook zieht verstärkt nach, auch weil sich gerade die Jungen vermehrt abwenden. Erst vor wenigen Wochen ergab eine repräsentative Umfrage unter 8000 jugendlichen Nutzern von sozialen Netzwerken in den USA, dass Twitter in der Beliebtheitsskala erstmals vor Facebook liegt.

Die Änderung begründet Facebook selbst so: „Wir wollen den Jugendlichen die Möglichkeit geben, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.“ An diesem Satz ist erst einmal wenig auszusetzen. Könnte man meinen. Doch die Jugendschützer waren klar dagegen. Facebook tue alles, um sogar mit Kinderdaten Geld zu verdienen, sagte etwa Edgar Wagner, Datenschutzbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz.

Die erneute Empörung über Änderungen bei Facebook zeigt im Kleinen, was im Großen das Problem in der Debatte um Jugendschutz im Internet ist: Die heute 13- bis 17-Jährigen kennen sich im Netz meist besser aus als ihre Eltern. Mehr noch, sie sind Ansprechpartner, wenn es Probleme mit dem Computer gibt. Kinder helfen ihren Eltern beim Online-Banking, erklären ihnen Twitter und iTunes. Sie sind in einer digitalen Welt aufgewachsen, soziale Netzwerke sind für Jugendliche keine neue Erscheinung, sie haben sie mit der Muttermilch aufgesogen. Ein heute 14-Jähriger war gerade vier Jahre alt, als Mark Zuckerberg in den USA Facebook an den Start brachte. Und seit zehn Jahren wird diesem Jugendlichen gesagt, dass er ja aufpassen soll, was er postet.

Jutta Croll von der Stiftung Digitale Chancen findet die Änderungen von Facebook erst einmal gut. Allein dass die Standard-Einstellung bei Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren Beiträge nur „für Freunde“ sichtbar werden lässt. „Die meisten Jugendliche wissen, dass mit ’alle’ wirklich ’alle’ gemeint sind“, sagt Croll, „die schwierigere Anforderung war, zu begreifen, was ’Freunde von Freunden’ bedeutet.“ Dass da ganz schnell ein paar tausend Facebook-User mitlesen können. Und eben nicht nur die Bekannten. Es geht in der Debatte, verkürzt gesagt, um Medienkompetenz. Und darum, wer dafür zuständig ist, diese zu vermitteln. Facebook jedenfalls gibt mit den Änderungen gleich zwei Warnmeldungen heraus: „Wusstest Du, dass öffentliche Beiträge von jedem gesehen werden können, nicht nur von Personen, die du kennst?“

Jutta Croll kommt gerade aus Bali zurück. Dort ist vergangene Woche das Internet Governance Forum zu Ende gegangen, eine Art Weltgipfel der Vereinten Nationen, auf dem sich die Länder grundsätzlich mit den neuen Fragen und Anforderungen des Internets an unsere Gesellschaft beschäftigen. Neben der allgegenwärtigen NSA und dem abgehörten Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel ging es auch um das Thema „Kinder und Jugendliche im Netz“ – und wie man diese besser schützen sollte.

Das betrifft die Frage von Jugendlichen im öffentlichen Raum. Und um das Erwachsenwerden und auch um die Fehler, die Erfahrungen, die mal dazugehören könnten oder sollten.

Wenn ein 15-Jähriger an einer Demonstration teilnimmt – etwa gegen Rechtsradikalismus –, dabei ein Banner hochhält mit einer Botschaft für mehr Toleranz, dann wird sich wohl kein Jugendschützer empören. Der gleiche Jugendliche soll aber bitte nicht die Möglichkeit bekommen, seine politische Meinung öffentlich auf Facebook mitzuteilen.

Die Angst der Erwachsenen ist die Sorge, dass der Jugendliche eine Dummheit begeht, die er später noch einmal bereuen wird. Dass er etwa den Job nicht bekommt, auf den er sich bewirbt, weil er mit 15 Jahren allzu sorglos seine Meinung, seinen Liebeskummer, seine Gefühlswelt mit der Öffentlichkeit geteilt hat. Die Sorge, das sagt auch Jutta Croll, ist nicht ganz unberechtigt. Letztendlich aber sei es so, dass es die Jugendlichen nicht absehen können, was mit den Daten passiert, die sie jetzt von sich auf Facebook preisgeben. Auch die Eltern könnten es nicht einschätzen. „Wir befinden uns alle in einer Phase, in der wir nicht wissen, mit welchen Daten, die wir im Internet preisgegeben haben, wir irgendwann noch einmal konfrontiert werden“, sagt Croll.

Die Sorge der Eltern beim Thema Internet ist auch deswegen so groß, weil ihnen die Erfahrungswerte fehlen. Einen Generationsunterschied gab es zwar zu jeder Zeit. Womöglich aber ist der, den wir gerade erleben, ungleich größer. Die Welt hat sich so schnell und allumfassend globalisiert, dass es manchmal schwerfällt, mitzukommen.

Fragt man die Jugendlichen selbst, bekommt man eine klare Antwort: Sie wollen die Möglichkeit haben, auch öffentlich zu posten. Nicht wirklich verwunderlich, dass Jugendliche nach möglichst maximaler Freiheit streben. Was aber durchaus verwundert, ist eine Studie des PEW-Instituts, einer amerikanischen Non-Profit-Forschungsstätte. Die hatte Jugendliche aus verschiedenen US-Städten zur Privatsphäre im Internet befragt. Mehr als die Hälfte gaben an, sich um die Privatsphäre im Internet zu kümmern, sogar Apps aus Sorge um ihre Privatsphäre zu meiden.

Jutta Croll glaubt auch, dass Jugendliche durchaus einschätzen können, was ihre Privatsphäre ist, welche Posts für die Allgemeinheit und welche nur für einen bestimmten Personenkreis bestimmt sein sollten. Ein Grund, warum Teenager sich in letzter Zeit von Facebook abgewandt haben, war die Tatsache, dass zu viele Eltern mittlerweile auf der Plattform aktiv sind. „Auf einer Konferenz hat uns ein 17-Jähriger erzählt, dass er es gut fände, dass er ganz bewusst mit seinen Eltern auf Facebook befreundet sei, das würde ihn davon abhalten, gewisse Dinge zu posten, die seine Eltern besser nicht wissen sollten.“

Facebook geht davon aus, dass der kleinste Teil der jugendlichen Nutzer die Neuerungen überhaupt nutzen wird. Bald wird die NSA wieder Thema Nummer eins sein, vielleicht auch noch das Merkel-Phone. Das wäre schade. Es ist an der Zeit, eine grundsätzliche Diskussion über Jugendschutz im Internet zu führen. Mit allen Beteiligten. Und ein bisschen mehr Gelassenheit. Die Eltern wissen doch, wie groß die Kompetenz ihrer Kinder im Umgang mit dem Internet ist. Und wenn nicht, wird es ihnen wieder einfallen, wenn ihre Kinder ihnen mal wieder das große weite Web erklären.

DAS HAT FACEBOOK SCHON VERÄNDERT:

2009: Nach massiver Kritik reagiert Facebook mit einem ersten großen Privatsphäre-Update. Nutzer können zwischen drei Optionen wählen, wer die Inhalte ihres Profils sehen kann: „Alle“, „Freunde“, „Freunde von Freunden“.

2010: Der Nutzer kann verhindern, dass Facebook-Seiten, die der Nutzer durch einen Klick auf „Gefällt mir“ seinem Profil hinzufügt, öffentlich angezeigt werden.

2011: Nutzer bekommen die Möglichkeit, bei jedem Status-Update zu wählen, wer die Posts sehen darf – auch im Nachhinein.

2012–2013: Die Einstellung, dass User nicht über die Facebook-Suche gefunden werden können, wird abgeschafft.

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